Im GesprächChristian Schneider-Sickert

Für Liqid-Chef ist Tagesgeld "keine langfristige Lösung"

Ob Trade Republic, Scalable Capital, Bitpanda oder jetzt auch Liqid: Digitale Vermögensverwalter und Neobroker setzen auf Lockzinsangebote. Der Markenkern der Fintechs ändere sich dadurch aber nicht, sagt Liqid-Chef Christian Schneider-Sickert.

Für Liqid-Chef ist Tagesgeld "keine langfristige Lösung"

Im Gespräch: Christian Schneider-Sickert

"Tagesgeld ist keine langfristige Lösung"

Der digitale Vermögensverwalter Liqid lockt wie andere Fintechs mit hohen Zinsen, will das Lockangebot aber nicht als Markenkern verstehen

Von Jan Schrader, Frankfurt

Liqid-Chef Christian Schneider-Sickert ist ein Marktschreier, der eigentlich kein Marktschreier sein will. "Satte 4 (!) Prozent Zinsen", verkündet der digitale Vermögensverwalter, der damit "neue Tagesgeld-Maßstäbe" setzen will. Doch so will es der Chef eigentlich nicht sagen. "Tagesgeld ist keine langfristige Lösung", relativiert er. Für ihn gehe es darum, Kunden zu gewinnen und zu binden. Viele Menschen seien angesichts unruhiger Märkte bei zugleich vorzeigbaren Zinsen geneigt, ihr Vermögen vorübergehend zu parken. Das Angebot sei "eine Frage der Kundenbeziehung", sagt er. "Wir wollen keine Zinshopper."

Das Unternehmen bietet wohlhabenden Privatleuten ab 100.000 Euro ein Wertpapierportfolio und für etwas mehr Geld auch einen Zugang zu Private-Equity- und Venture-Capital-Fonds – und der Schwerpunkt auf diese Anlagesegmente werde auch bleiben, hebt der Firmenchef im Gespräch mit der Börsen-Zeitung hervor. Über die Zurückhaltung der Privatanleger zeigt er sich unzufrieden. Viele Menschen glaubten irrtümlicherweise, einen günstigen Zeitpunkt für einen Einstieg am Kapitalmarkt ("Timing") abwarten zu können, anstatt jetzt den Sprung zu wagen.

Rennen um Prozente

Das Angebot ist freilich ein Lockvogel: Denn Liqid – gesprochen "Liquid"– verspricht lediglich 2% Zinsen. Weitere 2 Prozentpunkte kommen nur hinzu, wenn ein Kunde für mindestens drei Monate in eine Anlagestrategie der Gesellschaft investiert ist. Mit dem Marktgeschrei ist Liqid in der Fintech-Szene nicht allein: Aktuell 3,72% Zinsen stellt die Krypto- und Wertpapierplattform Bitpanda auf Basis von Geldmarktfonds in Aussicht, wenn auch für Anlagen in Dollar. Für die Euro-Variante sind 2,68% vorgesehen. Wer auf der Seite regelmäßig handelt, erhält über ein Bonusprogramm noch etwas mehr.

3,5% Zinsen stellt der digitale Vermögensverwalter und Broker Scalable Capital ins Schaufenster. Auch hier gibt es einen Haken: Der Sockelsatz von 2,3% ist variabel, weitere 1,2% pro Jahr sind als Bonus für lediglich drei Monate angerechnet. Der Broker Trade Republic stieß zu Jahresbeginn mit einem Tagesgeldsatz von 2% vor. Aber auch die Konkurrenz bleibe sich treu, sagt Schneider-Sickert. "Die Fintech-Welt wird keinen Dreh Richtung Sparbuch vollziehen."

Schwarze Null im Blick

Ein Vermögen von rund 2,5 Mrd. Euro verwaltet das Berliner Unternehmen heute. Etwa 120 Menschen sind bei der Gesellschaft beschäftigt. Eine ursprünglich ins Auge gefasste Wachstumsstrategie für Europa hat Liqid vorerst auf die lange Bank geschoben, der Fokus liege auf Deutschland. Das Potenzial im "Affluent"-Segment sei hierzulande enorm. Damit meint das Unternehmen beruflich erfolgreiche Menschen, die sechsstellige Beträge aufbringen können, für ein umfassendes Private Banking aber nicht unbedingt reich genug seien. "Klassische Machertypen", wie Schneider-Sickert sagt.

Hinter Liqid stehen unter anderem das Family Office HQ Trust, der Berliner Wagniskapitalfonds Project A und die Liechtensteiner Privatbank LGT. Gewinne schreibt das 2016 gegründete Unternehmen noch nicht. Doch ohne Neukundenakquise und einige Spezialposten gerechnet sei Liqid profitabel, hebt Schneider-Sickert hervor. Firmenzahlen sind rar. Im Jahr 2021 wies die Bilanz einen Fehlbetrag von 5,4 Mill. Euro aus, der nicht durch Eigenkapital gedeckt war. Im März 2022 sammelte die Gesellschaft 25 Mill. Euro Kapital ein, wovon 15 Mill. Euro aus Bareinzahlungen stammten und 10 Mill. Euro aus einer Umwidmung einer Zwischenfinanzierung resultierten. Die Mittel sind damit aber nicht erschöpft: Insgesamt sagten Investoren dem Unternehmen damals über eine Finanzierungsrunde 88 Mill. Euro zu. Als federführender Investor trat LGT auf.

Private Equity für das Volk

Chancen erhofft sich das Unternehmen aber weiterhin im Private-Equity- und Venture-Capital-Segment. Wegen regulatorischer Vorgaben müssen Anleger bisher jeweils 200.000 Euro für ein Investment einbringen. Mit der anstehenden Reform des EU-Fondsformats Eltif, das die langfristige Investition in illiquide Anlagen erleichtern soll, dürften auch die Eintrittshürden für Private Equity und Venture Capital fallen, hofft Schneider-Sickert. "Wir wollen die Anlageklasse demokratisieren." Marktgeschrei wird auch dabei hilfreich sein.

Ob Trade Republic, Scalable Capital, Bitpanda oder jetzt auch Liqid: Digitale Vermögensverwalter und Neobroker setzen auf Lockzinsangebote. Der Markenkern der Fintechs ändere sich dadurch aber nicht, sagt Liqid-Chef Christian Schneider-Sickert. Der Fokus auf Portfoliosteuerung und Private Equity bleibe bestehen.

Christian Schneider-Sickert kam über Umwege in die Finanzbranche: Für den Investor New Game fokussierte sich der Absolvent der Harvard Business School auf Spieleentwickler und für Bertelsmann auf digitale Angebote, ehe er zum Venture-Capital-Fonds Project A wechselte und 2016 den digitalen Vermögensverwalter Liqid in Berlin ins Leben rief.

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