Bhuwan Agrawal

TCS umwirbt Sparkassen und Kreditgenossen

Um den Mangel an IT-Kapazitäten zu überbrücken, setzt TCS nach Angaben von Deutschlandchef Bhuwan Agrawal auf die Verbindung von lokalem Branchen-Know-how und Programmierern aus Indien.

TCS umwirbt Sparkassen und Kreditgenossen

Von Anna Sleegers, Frankfurt

Nach der Übernahme der Postbank IT hofft der indische IT-Dienstleister Tata Consultancy Services (TCS) auf neue Projekte mit regionalen Banken. „Die Übernahme verschafft uns einen einzigartigen Vorteil“, sagt Bhuwan Agrawal im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. „Bislang verfügten wir nur begrenzt über deutschsprachige Experten im Finanzsektor, jetzt können wir unseren Fußabdruck bei deutschen Finanzdienstleistern vertiefen.“ Jenseits der laufenden und bereits fertiggestellten Projekte mit den beiden privaten Großbanken sieht er vor allem bei Sparkassen und genossenschaftlichen Instituten große Wachstumschancen.

Das 1968 in Mumbay gegründete Unternehmen ist seit drei Jahrzehnten in Deutschland aktiv. Zu den Anfängen zählt ein Projekt mit der Deutschen Bank, das TCS 1991 an Land zog. Auf den Finanzsektor abonniert sei das Unternehmen jedoch keineswegs. So habe TCS etwa die Vertriebsprozesse des Chipproduzenten Infineon überarbeitet, bei SAP Prozessautomatisierung mittels Bots durchgeführt und beim Industrieversicherer AGCS die Erstellung von Finanzabschlüssen beschleunigt.

Selbstbewusst verweist Agrawal in den Büros im Frankfurter Messeturm darauf, dass mehr als die Hälfte der Dax-30-Unternehmen zu den Kunden von TCS zählen. Dazu kommen andere namhafte Adressen wie Qiagen oder die Staralliance. Gewachsen sei der IT-Dienstleister zuletzt aber auch im deutschen Mittelstand. So habe TCS speziell für Fertigungsunternehmen modulare Lösungen für digitale Geschäftsprozesse entwickelt. Diese kämen etwa beim Lüftungs- und Heizungsspezialist Vaillant zum Einsatz, der eine von TCS konzipierte Plattform nutzt, auf der Daten­silos zusammengeführt und IT-Strukturen vereinheitlicht werden.

Mit der Übernahme des IT-Dienstleisters der größten Privatkundenbank Deutschlands hofft Agrawal nun auch im kleinteiligeren Bankgeschäft Fuß zu fassen, zumal Postbank Systems am Standort der Bausparkasse BHW in Hameln auch 300 IT-Ex­perten mit Baufinanzierungskenntnissen beschäftigt. Damit habe sich TCS die erforderliche Expertise an Bord geholt, um zumindest im Privatkundengeschäft so gut wie jedes Projekt anpacken zu können. „Die neuen Kollegen sind erst ein paar Monate an Bord, aber die Zusammenarbeit lässt sich gut an und wir glauben daran, dass sie uns ein großes Wachstumspotenzial eröffnen“, so der Manager.

Kapazität für neue Projekte

In den nächsten Monaten dürfte das Bonner Team vor allem damit beschäftigt sein, dass die Geschäftsprozesse der Postbank reibungslos weiterlaufen, während die IT-Systeme auf die Plattform der Deutschen Bank migriert werden. Je mehr Altsysteme abgeschaltet werden, desto mehr Kapazitäten werden aber frei für neue Projekte. Das lokale Know-how werde dafür um die Kapazitäten von Entwicklern in Indien ergänzt. „Leveraging“ nennt Agrawal das.

Um den Wissenstransfer zu beschreiben, mit dem TCS Unternehmen verschiedener Branchen dabei unterstützen will, den hiesigen Mangel an IT-Fachkräften zu überbrücken, benutzt der Elektroingenieur mit MBA in Strategy & Finance immer wieder den Ausdruck der „Smart Localization“. Dafür sei der IT-Dienstleister, der weltweit rund 469000 Menschen beschäftigt, auf die Expertise lokaler Fachkräfte angewiesen, insbesondere in stark regulierten Branchen wie der Kreditwirtschaft.

Dabei gehe es nicht bloß um Sprachkenntnisse, betont Agrawal: „Die Projekte, an denen wir arbeiten, reichen von den digitalen Kanälen über das Kernbanksystem bis hin zum Back Office.“ Um dies leisten zu können, sei TCS darauf angewiesen, zu verstehen, wie der jeweilige Markt funktioniert, welche spezifischen aufsichtsrechtlichen Anforderungen erfüllt werden müssen und wie die Geschäftsgepflogenheiten sind.

Vor diesem Hintergrund hätten die rund 1500 Beschäftigten von Postbank Systems auch nach der Übernahme durch TCS keinen Grund, um ihre berufliche Zukunft zu fürchten. Im Gegenteil: „Ich hoffe, dass möglichst viele von ihnen an Bord bleiben, um ihre Karriere bei uns weiterzuentwickeln.“ Eine jährliche Wachstumsrate von 25%, wie sie TCS in den vergangenen Jahren in Deutschland vorweisen könne, sei die beste Jobgarantie, unterstreicht Agrawal. Die von der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi ausgehandelte Jobgarantie für die früheren Postbank-Beschäftigten läuft im Juni aus, einem Arbeitgeberverband gehört TCS nach eigenen Angaben nicht an. Da IT-Experten gesucht und in der Regel gut bezahlt sind, spielt die Tarifbindung für viele Beschäftigte der Branche jedoch auch eine untergeordnete Rolle.

Die in der betrieblichen Mitbestimmung zum Ausdruck kommende Macht der Gewerkschaften in Deutschland schreckt TCS nicht ab, wie Agrawal betont. „Es kommt ja immer wieder vor, dass unsere Kunden uns im Zuge von Modernisierungsprojekten einen Teil ihrer Mitarbeiter überlassen, um sicherzugehen, dass die Prozesse reibungslose weiterlaufen“, sagt er: „Wir heißen diese Talente bei uns willkommen und halten uns selbstverständlich an die gesetzlichen Vorgaben und Branchenstandards.“ Postbank Systems sei zwar bislang die größte Übernahme in Deutschland, nicht aber der erste Fall, in dem TCS mit den Arbeitnehmervertretern getroffene Vereinbarungen übernehme. Im Zuge des Betriebsübergangs von Postbank Systems hat laut Agrawal bereits ein neuer Betriebsrat formiert.

Dem im Zusammenhang mit dem Outsourcing von IT-Dienstleistungen gerne erhobenen Vorwurf der Vernichtung von Arbeitsplätzen begegnet TCS mit der Ankündigung von Einstellungsoffensiven in Hochlohnländern. So kündigte das Unternehmen im Februar etwa an, in den kommenden Monaten 1500 IT-Fachkräfte in Großbritannien einzustellen. Auch im kanadischen Montreal und in Ohio heuert der Dienstleister Hunderte lokale Fachkräfte an, um sein Konzept der „Smart Localization“ umzusetzen.