Teamgeist zählt im Fußball und Portfoliomanagement
Samstag, 25. Mai 2003, letzter Zweitligaspieltag im Frankfurter Waldstadion, es läuft die Nachspielzeit der Partie Eintracht Frankfurt gegen den SSV Reutlingen. Bakary Diakité hat gerade erst in der 83. Minute das 4:3 und in der 90. Minute das 5:3 für die Frankfurter erzielt, aber es fehlt im Fernduell mit Mainz 05 immer noch ein Tor zum Aufstieg für die Adler – und es gibt noch ein letztes Mal Eckball. Das nur 20 Minuten vorher Unvorstellbare passiert tatsächlich noch: Henning Bürger schlägt nach einer kurzen Ecke von der linken Seite eine lange Flanke an den zweiten Pfosten, und der gebürtige Frankfurter Bub Alexander Schur köpft in der 93. Minute den Ball irgendwie ins Tor. Das Spiel wird gar nicht erst wieder angepfiffen, die Eintracht hat den direkten Wiederaufstieg in die 1. Bundesliga geschafft, und das Stadion verwandelt sich in ein feierndes Tollhaus.Leider konnte ich diese unglaublichen Szenen nicht persönlich vor Ort miterleben. Wenigstens zum “Public Viewing” hatte es aber gereicht – als Summer Analyst bei einer Investmentbank im damals üblichen Dauereinsatz auch am Wochenende, hieß es schnell noch die letzten Analysen fertigzustellen und in die USA weiterzugeben, hastig das schwarz-rote Eintracht-Trikot überzuziehen und den Messeturm Richtung Konstabler Wache zu verlassen, um wenigstens von dort das Team anfeuern zu können. Es sollte sich lohnen und als eines der unglaublichsten Aufstiegsduelle der 2. Liga in die Geschichte eingehen. Leidenschaft macht’s möglichDie damalige Frankfurter Mannschaft ist auch heute noch ein hervorragendes Beispiel dafür, was mit Leidenschaft und einem intakten Teamgeist alles möglich ist – denn noch ein Jahr zuvor hatte der Verein vor einem Scherbenhaufen gestanden und die Eintracht vor dem direkten Absturz in die Regionalliga. Nach Jahren finanziellen Missmanagements waren die Millionen des US-Investors Octagon verbrannt, und der Verein hatte sich im Sommer 2002 doch noch in allerletzter Minute die Lizenz für die 2. Liga erkämpft.In die darauffolgende Saison startete man mit einem runderneuerten Kader und günstigen, erfahrenen Kräften wie Bürger, Günther und Keller sowie jungen, hungrigen Spielern wie Diakité, Toppmöller und Tsoumo-Madza. Dem neu zusammengestellten Team wurde anfangs wenig zugetraut – und es konnte dennoch ein Jahr später nach einer unglaublichen Energieleistung den Aufstieg in die Bundesliga feiern. Basis dieses Erfolgs war ein besonderer Teamgeist, der jeden Spieler für den anderen kämpfen und alle über sich hinauswachsen ließ.Teamgeist rund um junge Nachwuchstalente und erfahrene Kräfte sind Grundprinzipien, die auch im Fondsmanagement essenziell für den langfristigen Erfolg sind: Ein Portfoliomanagementteam muss reibungslos funktionieren und bei allen Schritten der Umsetzung und Weiterentwicklung der Investmentprozesse vertrauensvoll Hand in Hand arbeiten – aber auch ausreichend Raum und Platz für regelmäßige Erneuerung zulassen. In einem systematischen, regelgebundenen Anlageprozess erfolgt dies in vier Schritten: Es beginnt dies bei der kontinuierlichen Analyse der neuesten Ergebnisse der empirischen Kapitalmarktforschung, gefolgt von der Validierung dieser Ergebnisse in eigenen Untersuchungen für hochliquide Anlageuniversen wie den US-amerikanischen S&P 500 Index oder den europäischen Stoxx 600 Index. In diesen beiden ersten Schritten sind insbesondere junge, neugierige quantitative Analysten gefragt, die berufsbegleitend eine Promotion an Top-Universitäten beginnen und dafür in einem Teamansatz in das Portfoliomanagement eingebettet werden, eigene Grundlagenforschung betreiben und daran mitarbeiten, die Anlagestrategien weiterzuentwickeln.Als dritter Schritt eines derartigen ganzheitlich strukturierten Prozesses schließt sich die Entwicklung neuer Anlageideen durch die Adjustierung der wissenschaftlichen Forschungsergebnisse an, um eine operative Umsetzung im Portfoliomanagement zu ermöglichen, sowie im letzten Schritt die tatsächliche Implementierung der neuesten Erkenntnisse in die bestehenden Anlagestrategien und Portfolien. Dabei spielt dann die Erfahrung der Senior Portfoliomanager eine entscheidende Rolle, die die neuesten Erkenntnisse einordnen und in den Kontext der Funktionsweise der bestehenden Anlagestrategien setzen können.Die dafür notwendige Zusammenarbeit mit entsprechendem Teamgeist entwickelt sich insbesondere bei einer ausgewogenen Zusammensetzung des Portfoliomanagementteams mit jungen, hungrigen Analysten und erfahrenen Portfoliomanagern, die die verschiedensten Phasen der Kapitalmärkte miterlebt haben. Hier lässt sich eine direkte Analogie zum Mannschaftskader von Eintracht Frankfurt in der Saison 2002/03 ziehen: Zum direkten Wiederaufstieg und dem erfolgreichen Spiel gegen Reutlingen trugen sowohl die jungen, dynamischen Spieler wie Diakité, Jones, Skela und Streit bei als auch ältere, erfahrene Spieler wie die Eintracht-Urgesteine Bindewald, Nikolov und Schur. Tiefes gegenseitiges Vertrauen Basis für die Entwicklung eines derartigen Teamgeists ist insbesondere im Portfoliomanagement ein tiefes gegenseitiges Vertrauen aus langjähriger Zusammenarbeit unter den erfahrenen Führungskräften. So entstand in unserem Fall die erste Idee für die Gründung eines systematischen, regelgebundenen Anlagestrategien folgenden Vermögensverwalters nach US-amerikanischem Vorbild schon vor mehr als 15 Jahren im Team des Stiftungslehrstuhls Asset Management an der European Business School in Oestrich-Winkel im Rheingau, heute Teil der EBS Universität für Wirtschaft und Recht.Gesellschaften wie Dimensional Fund Advisors, LSV Asset Management und AQR Capital Management standen Pate. Der damalige Lehrstuhlinhaber Prof. Dr. Lutz Johanning war von Anfang an involviert und gestaltet die Gesellschaft heute als Vorsitzender des Aufsichtsrates mit.Im Hinblick auf den Fußball kann man darin die Parallele zu einem Vereinspräsidenten wie Peter Fischer ziehen, der die Geschicke mit Weitsicht über lange Jahre hinweg steuert, aber sich im Tagesgeschäft wenig einmischt. Das “Trainerteam” bilden in dieser Analogie die drei ehemaligen Doktoranden und Gründer der Gesellschaft, die heute als Vorstand die Mitarbeiter – also das “Spielerteam” – führen.Der Kreis schließt sich dabei auch in der heutigen Zeit wieder bei der Eintracht: An die vielen Parallelen zwischen Fußball und Wirtschaftswelt erinnert das Buch “Teamgeist – Wie man ein Meisterteam entwickelt” von Jörg Zeyringer und dem aktuellen Eintracht-Trainer Adi Hütter. Bei der Buchvorstellung vor geladenen Gästen in der Frankfurter IHK erläuterte Hütter an einigen Beispielen aus seiner Karriere den Teamgeist als einen besonderen Zusammenhalt von Spielern, Trainern und Funktionären, beeinflusst vom Führungsverhalten des Teamchefs. In seiner Definition verfolgt ein gutes Team ein gemeinsames, übergeordnetes Ziel, entwickelt einen starken Zusammenhalt und eine positive Kommunikation, besteht aus Teammitgliedern, die Verantwortung übernehmen, vereinbart eine erfolgversprechende Strategie, die auf das gemeinsame, übergeordnete Ziel ausgerichtet ist und wird durch einen Leader aktiv geführt.Dieses Teamverständnis passt hervorragend als große Klammer sowohl für Teams im Portfoliomanagement als auch generell für Teams in anderen Abteilungen eines Vermögensverwalters. Und auch das Eintracht-Team der Saison 2002/03 verfolgte und erreichte mit großem Teamgeist das gemeinsame, übergeordnete Ziel des sofortigen Wiederaufstiegs. Unter den Teammitgliedern, die Verantwortung übernehmen, stach Alexander Schur hervor, der sich in seiner Karriere durch großen Kampfgeist einen Namen gemacht hat. Aufgrund seiner Führungsqualitäten und wegen seines großen Einsatzes – gekrönt vom alles entscheidenden Kopfballtor in der 93. Minute am 25. Mai 2003 – wurde Aufstiegsheld Schur in der darauffolgenden Saison sogar Mannschaftskapitän. Und auch die Fans honorierten seine Leistung: Er wurde in einer Fan-Abstimmung neben Frankfurter Ikonen wie Jürgen Grabowski, Charly Körbel und Anthony Yeboah zur “Säule der Eintracht” gewählt. Seither ziert sein Bild eine der Säulen der U-Bahn-Station am Willy-Brandt-Platz. Christian Funke, Vorstand und Fondsmanager der Frankfurter Vermögensverwaltung Source For Alpha AG