Trade Republic wird Broker-Banker
Von Björn Godenrath, FrankfurtKnapp ein Jahr ist der mit Kampfpreisen an den Start gegangene Neobroker Trade Republic erst operativ tätig und hat dabei schon mehr als 150 000 Depotkunden mit fast 1 Mrd. Euro Assets under Management (AuM) gewonnen. Das sind Kennzahlen, die für eine gute Marktakzeptanz des “Gratisbrokerage” – es gibt eine Kostenpauschale von 1 Euro pro Trade – spricht und nun auch international renommierte Venture-Capital-Investoren überzeugt hat.Wie Ende vergangener Woche bekannt wurde, haben sich mit Accel und dem Founders Fund von Peter Thiel zwei Silicon-Valley-Adressen im Lead an einer Finanzierungsrunde über 62 Mill. Euro beteiligt, wobei ein Teil davon nicht ans Unternehmen ging, sondern im Rahmen eines sogenannten Secondary an Altinvestoren wie Sino. Aus diesen Transaktionen ergibt sich eine indikative Bewertung von rund 250 Mill. Euro. Trade Republic äußert sich nicht zur Bewertung, teilt aber mit, dass Bestandsinvestoren aus der letztjährigen Serie-A-Runde wie Creandum und Project A mitgezogen hätten.Mit dem frischen Kapital und den für ihre guten Skalierungsfähigkeiten bekannten Investoren an seiner Seite nimmt der Neobroker eine Weichenstellung vor, die in Bankengefilde führt. Denn Trade Republic plant den Aufbau “einer europäischen Plattform für mobiles Sparen, Investieren und Handeln”. Dieser Akzent auf Sparen ist neu, womit der Neobroker ansatzweise zur Neobank mutiert. Das Unternehmen sei “auf dem besten Weg, ein wichtiger Akteur im europäischen Bankenmarkt für Privatkunden zu werden”, wird Peter Thiel zitiert.Das sollte im Retail-Sektor für Alarm sorgen, wird das Feld doch nun von der anderen Seite aufgerollt: Wer mit dem Brokerage-Frontend als Wertpapierhandelsbank (Trade Republic hat diese Lizenz) den Kapitalmarktzugang bereitstellt, kann das Depot um die Schnittstelle für Investmentprodukte erweitern. ETF-Sparpläne gibt es bei dem Berliner Fintech schon.Die Serie-B-Finanzierung findet in einem guten Marktumfeld für die als Krisengewinner geltenden Broker statt, die Rekordumsätze beim Umschichten von Depots berichten. Für einige Trade-Republic-Kunden ist das turbulente Marktgeschehen allerdings ein Sprung ins kalte Wasser, haben den Angaben zufolge doch mehr als ein Drittel der Kunden über die App des Fintechs “dabei ihre allererste Aktie im Leben gekauft”. Das zeigt zum einen, dass Trade Republic ihre Zielgruppe junger App-affiner Anleger gut angesprochen hat. Zum anderen müssen Kapitalmarkt-Neulinge lernen, mit Rückschlägen umzugehen. Die jüngste Bärenmarktrally dürfte zur Beruhigung beitragen.Für Trade Republic geht es aber schon jetzt darum, den Blick übers Brokerage hinaus zu lenken und sich so aufzustellen, dass man den vor Nullzins-Bankkonten stehenden Sparern ein Anlageportfolio bereitstellt, das auch das Bedürfnis nach Low Risk und langfristiger Orientierung befriedigt. Dafür können Partnerprodukte aus dem Assetmanagement- und Fintech-Universum aufgeschaltet werden.Die Möglichkeiten dafür sind (unendlich) groß. Doch die Frage ist, für welche Produkte Sparer und Trader empfänglich sind. Bei N26 hat man die Plattformstrategie zum Onboarden solcher Geldanlage-Premiumdienste gebremst betrieben, da die Erträge für diese Neobank vor allem im Zahlungsverkehr sowie bei Premiumkontodiensten liegen. Als Broker ist Trade Republic mit ihren Depots näher dran am Geldanlage-Thema und damit besser positioniert, diese Funktion auf eine europäische Plattform zu bringen.Dafür muss man als Newcomer allerdings einen sehr langen Atem haben. Das Vermittlungsgeschäft wirft nur hauchdünne Margen ab, man braucht Masse, die sich nur über Jahre aufbauen lässt – und das enttäuschende AuM-Volumen der Robo-Advisor mahnt zur Skepsis: Bei der Geldanlage vertrauen Sparer auf bekannte Marken.Für den Newcomer spricht, dass jeder “Wealth Management Account” mal als Sparkonto angefangen hat. Dieses muss man erstmal gewinnen und dann Jahre entwickeln, bis mit dem Erfolg am Aktienmarkt und steigendem Einkommen das Konto- und Depotvolumen wächst. Research von Harvest Savings & Wealth Technologies legt nahe, dass britische Retail-Banken jedes Jahr 5 % ihrer Depositen an Neobanken verlieren. Das ist die Fintech-Chance. Mit Peter Thiel glaubt nun ein kapitalstarker Investor daran, dass Trade Republic eine zentrale Plattform für Brokerage und Sparen wird. Da Robinhood keine Anstalten macht, nach Europa zu kommen, ist das Feld weit offen für Adressen wie Trade Republic und Flatex, die mit der Degiro-Akquisition ihren europäischen Fußabdruck erweitert hat. Dass Trade Republic inmitten einer Phase von niedriger Visibilität für VC-Investitionen diese Rückendeckung erhält, zeigt, dass Fintech-Geschäftsmodelle sich aus Deutschland heraus skalieren lassen.