LEITARTIKEL

Übertrainiert

Die Kraftmeierei ist zu Ende: Seit Präsentation ihrer aggressiven Wachstumsstrategie hat die Commerzbank die Backen aufgeblasen und den Bauch eingezogen, um Anleger und wohl auch potenzielle Interessenten mit ihrer Fitness zu beeindrucken. Nun, da...

Übertrainiert

Die Kraftmeierei ist zu Ende: Seit Präsentation ihrer aggressiven Wachstumsstrategie hat die Commerzbank die Backen aufgeblasen und den Bauch eingezogen, um Anleger und wohl auch potenzielle Interessenten mit ihrer Fitness zu beeindrucken. Nun, da die Fusionsgespräche mit der Deutschen Bank ad acta liegen und sich auch anderweitig keine Hand rührt, weicht geräuschvoll die Luft aus der geschwellten Brust. Dies hat sich am Freitag bei Präsentation der neuen Strategie gezeigt.Seit 2017 hatte das Haus mit hohen Anreizen und viel Tamtam netto 1,5 Millionen Privatkunden eingesammelt. Nun sortiert es 1 Million Karteileichen aus. Den Ertragsausblick fürs Firmenkundengeschäft sowie das Ziel für die Eigenkapitalrendite reduziert sie, mit der MBank stellt sie zudem eine Tochter zum Verkauf, die jahrelang konzernweit als technologische Speerspitze und noch vor Jahresfrist als potenzieller Nukleus einer europaweiten Online-Bank galt.Kehraus ist angesagt, und der Dauerregen im Bankenviertel entsprach dem Grau in Grau des Bildes im 49. Stock des Commerzbank Towers, in einer Zeit, in der die Höhe des Bankenturms ohnehin umgekehrt proportional zum Niveau des Aktienkurses steht: Nicht einmal mehr auf ein Viertel ihres Buchwerts bringt es die Commerzbank-Aktie – die MBank kommt auf das 0,9-Fache des Buchwerts.Daran, dass die Commerzbank den Wettbewerbern in Wachstum, Ertragskraft und Aktienperformance hinterherhinkt, wird die neue Strategie nichts ändern. Kaum zu glauben, dass das Haus in einem widriger werdenden Umfeld nach Stilllegung jeder fünften Filiale mit netto rund 5 % weniger Vollzeitstellen den Ertrag dank forcierten Mobile Bankings, besserer Preis-Strategie sowie verstärkter Vertriebsanstrengungen wie geplant wird steigern können.Mit der MBank gibt das gelbe Institut, das noch 2016 seine “Entwicklung zum digitalen Technologieunternehmen” prophezeite, nicht nur einen betriebswirtschaftlichen Hoffnungsträger ab, der in Sachen Bewertung längst dort ist, wo die Bank gerne hinwill. Die Commerzbank verstärkt überdies ihre Abhängigkeit vom heiß umkämpften Heimatmarkt.Die nun proklamierte Rendite von mindestens 4 % mag eher mager wirken. Doch kommt es darauf tatsächlich noch an, nachdem die Bank schon ihre für 2016 und 2020 verkündeten Vorgaben verfehlt bzw. kassiert hat, zuletzt mit Blick auf Ertrag, Eigenkapitalrendite sowie Aufwandsquote gleichermaßen? Dass es für eine Bank im Zinstal eng wird, ihre Ziele zu erreichen – geschenkt. Die Misere der Commerzbank ist indes auch hausgemacht: Dass sich der Konzern nach Schrumpfung des Investment Banking auf die beiden besonders stark vom Zinsüberschuss abhängigen Sparten Privat- und Unternehmenskunden sowie Firmenkunden konzentriert, war keineswegs alternativlos.Der Ertragsrechnung hat nicht nur die Geldpolitik zugesetzt, sondern auch die Bank selbst, mit Kampfkonditionen im Firmenkundengeschäft, die letztlich die Erträge trotz Ausweitung des Kreditvolumens fallen ließen – noch im vergangenen Jahr halbierte die Bank ihre Kreditzinsen für die ersten Monate Laufzeit. Solch eine Billigheimer-Strategie wirkt ähnlich wie das Zinstief: Die Effekte fressen sich langsam in die Ergebnisrechnung, und haben sie sich erst manifestiert, sind sie so schnell nicht zu überwinden. Im Vorstand wurde gestreut, bei anderen Instituten, die stärker langlaufende Kommunalfinanzierung betrieben, werde dieser Effekt verzögert ebenfalls eintreten. Dies wirkt immer unglaubwürdiger, je länger die Erosion im gelben Institut hervorsticht.Wie überdies deutlich wird, ist die Integration des Investment Banking in die Firmenkundensparte wegen Differenzen im Selbstverständnis der Beschäftigten einigermaßen misslungen, ohne dass der Chef des Segments, mit Michael Reuther ein Investmentbanker, dies zu moderieren vermochte. Ohne Not schlug außerdem die Bank die kleineren Unternehmenskunden mit einem Umsatz von bis zu 15 Mill. Euro dem Retail-Geschäft zu. Nachdem das Management zuletzt darüber hinaus im Sinne eines “agilen” Arbeitens in der Zentrale die Trennung zwischen IT- und Fachkräften aufgehoben und zudem einen Umbau ihrer IT angekündigt hat, lässt sich nicht behaupten, die Commerzbank reagiere auf das neue Umfeld zu gemächlich. Im Gegenteil: Die ganze Bank wirkt seltsam übertrainiert. Inzwischen hat das Management so gut wie alle Register gezogen. Nur auf eines muss der Markt weiter warten: einen überzeugenden Plan, wie die Bank wachsen will.——Von Bernd NeubacherDie Strategen der Commerzbank haben so gut wie alle Register gezogen. Ein überzeugender Plan für mehr Wachstum aber lässt auf sich warten.——