Im GesprächMultitude-CEO Antti Kumpulainen

Unbesicherte Kredite innerhalb von Minuten

Einst als Anbieter von Mikrokrediten gegründet, positioniert sich Multitude als Bankdienstleister für Privatkunden und Fintechs in Europa. CEO Antti Kumpulainen prognostiziert einen steigenden Nettogewinn, auch wenn die Risikovorsorge für die größtenteils unbesicherten Kredite vergleichsweise hoch ist.

Unbesicherte Kredite innerhalb von Minuten

IM GESPRÄCH: Antti Kumpulainen

Unbesicherte Kredite innerhalb von Minuten

CEO des Fintechs Multitude setzt auf vollständig digitalen Service für Großteil der Klientel – Nachholbedarf bei Cost-Income-Ratio – Lizenz aus Malta

Von Michael Flämig, München

Multitude positioniert sich als Bankdienstleister für Privatkunden und Fintechs in Europa. CEO Antti Kumpulainen will die regionale Präsenz stärken. Trotz einer hohen Risikovorsorge, die er mit der Vergabe teils unbesicherter Kredite begründet, rechnet der CEO mit einem steigenden Nettogewinn.

Die börsennotierte Gesellschaft Multitude will ihr Wachstum durch regionale Expansion und intensives Cross-Selling stärken. „Die Kundenzahl ist nicht unbedingt der entscheidende Faktor“, sagte CEO Antti Kumpulainen im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. Auch mit dem aktuellen Produktportfolio sei man zufrieden „Die Frage ist, wie wir es in anderen Ländern nutzen können und wie wir Cross-Selling vorantreiben“, erklärte der Chef des Anbieters von Bankprodukten.

Fintech-Bank mit 700 Beschäftigten

Multitude versteht sich mit seinen gut 700 Beschäftigten als innovatives Finanzunternehmen. „Wir sind nicht nur ein Fintech, und wir sind auch nicht nur eine Bank, sondern vielmehr eine Fintech-Bank“, lautet die Definition des seit Jahresanfang amtierenden CEO Kumpulainen.

Entscheidend seien dafür zwei Dinge: Erstens arbeite das im Jahr 2005 unter dem Namen Ferratum gegründete Unternehmen vollständig digital und damit, mit Ausnahme des Wholesale-Bankings, ohne physische Präsenz beim Kunden. Zweitens sei Multitude hochprofitabel: „Diese beiden Dinge sind unserem Wesen inhärent“, ergänzt Kumpulainen.

Multitude zählt nach eigenen Angaben rund 400.000 Kunden. In der ersten Hälfte des laufenden Geschäftsjahres sank der Zinsüberschuss um gut 3% auf 106 Mill. Euro, das neu aufgebaute Provisionsgeschäft erwirtschaftete einen Überschuss von 5 Mill. Euro. Der Nettogewinn verdoppelte sich auf 14,2 Mill. Euro. Im laufenden Jahr sollen 24 bis 26 Mill. Euro erwirtschaftet werden, im Jahr 2026 peilt Kumpulainen 30 Mill. Euro an.

Sitz in die Schweiz verlagert

Die einst in Finnland gegründete Gesellschaft verfügt seit dem Jahr 2012 eine Banklizenz in Malta. Drei Jahre später folgte der Börsengang in Frankfurt. Die Marktkapitalisierung beträgt rund 150 Mill. Euro. Ende vergangenen Jahres verlagerte die Obergesellschaft ihren Sitz nach Zug in die Schweiz.  

Kredite in wenigen Minuten

Die Gesellschaft bestehe aus drei Geschäftseinheiten, erläutert Kumpulainen. Das Konsumentenkreditgeschäft unter dem Namen Ferratum sei in 14 Ländern aktiv und biete unbesicherte Kredite: „Der Prozess der Kreditvergabe dauert wenige Minuten, alles ist vollständig digitalisiert.“ Es gebe darüber hinaus eine Kreditkarte, seit April auch in Deutschland. Dagegen sind Mikrokredite, der ursprüngliche Geschäftsansatz des Gründers Jorma Jokela, nur noch Einstiegsprodukte: „Sie liegen unter 5% unserer Gesamterlöse."

Kleine und mittlere Unternehmen spricht Multitude über die Einheit CapitalBox an, die in fünf verschiedenen Ländern operiert und nach eigenen Angaben einige Tausend Kunden zählt. Es gebe zwei Kreditvarianten, so Kumpulainen: Unbesicherte Kredite bis 300.000 Euro hauptsächlich als Betriebskapital für kleine Firmen. Besichert würden Darlehen bis zu 3 Mill. Euro ausgereicht. Darüber hinaus werde auch Factoring angeboten, und zwar bisher in Finnland und den Niederlanden.

Zahlungsdienste für Fintechs

Im Wholesale-Banking – der dritten Einheit – sei Multitude seit Ende 2023 aktiv. Dort gebe es aktuell rund 20 Kunden. Mit besicherten Krediten bis zu 35 Mill. Euro würden einerseits Wettbewerber finanziert, die keine Banken seien und daher keinen Zugang zu Einlagen hätten: „Wir wissen, wie deren Geschäftsmodelle funktionieren.“ Die Portfolien der Wettbewerber bildeten die Sicherheiten. Andererseits biete Multitude eine zwei- bis dreijährige Brückenfinanzierung für Immobilien. Man sei dort schneller in der Vergabe als Konkurrenten und könne auch kleinere Darlehenssummen ausreichen.

Darüber hinaus biete die Wholesale-Einheit Zahlungsdienste an, sagt Kumpulainen. Multitude brauche hierfür in vielen Märkten keine Korrespondenzbanken mehr, da das Unternehmen eigene Direktverbindungen zu vielen Währungen und Zentralbanken aufgebaut habe. Dank dieser Zahlungsinfrastruktur auf Basis von drei Währungen könne die Multitude Überweisungen zwischen diesen Währungen äußerst schnell durchführen: „Viele Fintechs benötigten derartige Dienste.“ Traditionellen Banken seien die Probleme von Fintechs oftmals nicht bewusst.

Einlagen aus Deutschland

In Deutschland bewege sich die Zahl der Kunden von Multitude im zweistelligen Tausenderbereich, sagt Kumpulainen. Dort sei man ausschließlich mit Konsumentenkrediten und Einlagengeschäft unterwegs. Die meisten der Multitude-Einlagen kämen aus Deutschland. Traditionell habe das Institut über das Vermittlungsportal „Check24“ Gelder eingeworben, im Juni dieses Jahres habe es einen direkten Kanal zur Akquise von Einlagen eröffnet.

Die Kreditrisikovorsorge hält Kumpulainen für akzeptabel: „Wir sind im Konkurrenzvergleich ziemlich gut.“ Im Jahr 2024 betrug die Risikovorsorge demnach 96 Mill. Euro bei einem Zinsüberschuss von 220 Mill. Euro. Dabei sei zu berücksichtigen, dass die Darlehen zum Großteil unbesichert seien, betont der Multitude-Chef. Zudem stimme der Trend, die Vorsorge gehe zurück. So sei sie in der ersten Hälfte des laufenden Jahres um 18% gesunken. Seit 2020 habe sich die Vorsorge im Verhältnis zu den Netto-Forderungen auf 2,5% mehr als halbiert.

Dominierender Gründer-Aktionär

Verbesserungspotenzial sieht Kumpulainen bei der Cost-Income-Ratio: „Es ist für uns extrem wichtig, sie zu senken. Wir sind nicht dort, wo wir sein wollen.“ Sie sei im vergangenen Jahr von 47% auf 45% zurückgegangen und solle in den kommenden zwei bis drei Jahren auf unter 40% gesenkt werden.

Für das Wachstum von Multitude sei ausreichend Eigenkapital vorhanden, betont Kumpulainen. Dies zeige sich auch darin, dass man die Ausschüttungsquote im vergangenen Jahr am oberen Ende der üblichen Bandbreite von 25 bis 50% gewählt habe. Die Kernkapitalquote der Bank betrage rund 20%, in der Gruppe liege die Eigenkapitalquote (einschließlich Ergänzungskapital T2) bei 23,0%.

Multitude-Gründer Jokela ist mit einem Kapitalanteil von 55,3% dominierender Mehrheitsaktionär. Er sehe keinen Hinweis, dass der Hauptaktionär Anteile abgeben wolle, sagt Kumpulainen. Weitere Multitude-Führungskräfte halten mehr als 5%.

Neue langfristige Guidance

Der Aktienkurs, der im Jahr 2018 schon einmal über 30 Euro gelegen hatte und danach bis auf gut 2 Euro absackte, legt sei Ende 2022 stetig und seit April dieses Jahres kräftig zu. Er stieg von 3 bzw. 4,70 Euro auf aktuell rund 7 Euro. „Der Trend geht schön nach oben“, kommentiert Kumpulainen. Es mache sich bemerkbar, dass Multitude in den vergangenen vier Jahren stets die eigenen Prognosen erreicht habe.

Für den Kapitalmarkttag am 13. November verspricht er den Investoren, mehr Klarheit zu der Aufstellung und Rolle der einzelnen Segmente zu schaffen. Dort werde Multitude zudem eine neue langfristige Guidance veröffentlichen.