Unfreiwillige Nachhilfestunde in Digitalisierung
lee Frankfurt â Pandemie und Lockdown haben das Kundenverhalten radikaler verĂ€ndert als irgendein anderes Ereignis der vergangenen Jahrzehnte. Diese EinschĂ€tzung vertraten auf dem Retail-Bankentag von Börsen-Zeitung und Diebold Nixdorf Bernd Geilen, stellvertretender Vorstandschef der ING Deutschland, Arno Walter, Bereichsvorstand der Commerzbank, und Lars Stoy, Leiter des Postbank-PrivatkundengeschĂ€ftes der Deutschen Bank, einhellig.âDer Anstieg beim bargeldlosen Zahlen war im ersten Halbjahr in etwa so groĂ wie in den vergangenen zehn Jahrenâ, sagte Geilen. Dabei löst offenbar der Griff zum Smartphone nicht nur die Suche nach Kleingeld ab, sondern auch die herkömmliche Kartenzahlung, entfallen doch bei der ING inzwischen 80 % der bargeldlosen Zahlungen auf Mobile Payment und NFC-Technologie. Auch in der Interaktion mit dem Kunden hat bei der im PrivatkundengeschĂ€ft filiallosen ING das Smartphone rasant an Bedeutung gewonnen. So sei der Anteil der mobilen Log-ins binnen Jahresfrist von 78 % auf 88 % im Juli 2020 gestiegen. Im Juli 2018 habe der Anteil noch bei 59 % gelegen. Parallel dazu sei die Anzahl der Log-ins um 120 % gestiegen, weil die meisten Menschen ihr Smartphone stĂ€ndig dabei haben. Geilen: âWenn die Zahl der Kundenkontakte steigt, ist das natĂŒrlich ein riesiger Vorteil fĂŒr uns, weil es die LoyalitĂ€t steigert und zugleich die potenziellen Verkaufspunkte.âAuch die Commerzbank hat Walter zufolge wĂ€hrend der Coronakrise einen massiven Anstieg der Nachfrage nach mobilen Bankdienstleistungen verzeichnet â und das nicht etwa nur bei der Direktbanktochter Comdirect, sondern auch bei den âechtenâ Commerzbank-Kunden. So sei die Zahl der Kunden-Log-ins ĂŒber die App seit Jahresbeginn um 74 % gestiegen. Innerhalb von nur zwei Monaten seien ĂŒber Apple Pay und Google Pay rund 200 000 virtuelle Kreditkarten hinterlegt worden. âDen Service in der Filiale wollen die Kunden zwar nutzen, aber nicht dafĂŒr bezahlenâ, so Walter. FĂŒr GeschĂ€fte, bei denen sich Kunden wie etwa bei der Baufinanzierung langfristig binden, bleibe das persönliche GesprĂ€ch unverzichtbar: âDeswegen wird es auch in zehn Jahren noch Filialen geben.âStoy, dessen Postbank-Filialen aufgrund ihrer Doppelfunktion als Postdienstleister zum Teil unter besonderem Schutz stehen, sagte: âRichtig Geld verdient in Deutschland kaum jemand mit einer Banking-App.â Angesichts des Tempos, mit dem Filialen geschlossen wĂŒrden, sei es nicht verwunderlich, dass Banken dort auch weniger GeschĂ€ft generierten: âHier stellt sich auch die Frage nach der Henne und dem Ei.âSein Kollege Philipp Gossow, der das PrivatkundengeschĂ€ft unter der Marke Deutsche Bank leitet, kĂŒndigte derweil andernorts an, die Zahl der Filialen um 100 auf 400 zu verringern, weil Kunden seit der Coronakrise zwar mehr Beratung wollten, dafĂŒr aber immer seltener in die Filiale gingen. Verringern will er nicht die PrĂ€senz in der FlĂ€che, sondern in den StĂ€dten, wo es zum Teil mehrere Filialen der Bank gibt.