LEITARTIKEL

Unschön, aber kein Drama

Bilanzpressekonferenzen der Frankfurter Großbanken ist ein gehöriger Unterhaltungswert nicht abzusprechen. Wenigstens das, könnte man sagen, wenn schon der Informationswert so überschaubar bleibt. Beispiel Commerzbank am Donnerstag: CEO Martin...

Unschön, aber kein Drama

Bilanzpressekonferenzen der Frankfurter Großbanken ist ein gehöriger Unterhaltungswert nicht abzusprechen. Wenigstens das, könnte man sagen, wenn schon der Informationswert so überschaubar bleibt. Beispiel Commerzbank am Donnerstag: CEO Martin Zielke musste nicht erst bis zur heutigen Zeitungslektüre warten, um wie so oft Anlass zum Schmunzeln zu haben. Er konnte sich schon über eine Reihe von Fragen amüsieren wie etwa die, ob sich die Kernkapitalquote seines Hauses nicht allmählich jener der Nord/LB nähere. Selten so gelacht! Aber auch die Journalisten hatten, nicht allein wegen der roten Schokoherzchen, die am Valentinstag auf dem Tisch lagen, Grund, heiter gestimmt zu sein. Eine gute Stunde kunstvolles Herumeiern hat schließlich auch seinen Reiz, und wenn dann Finanzchef Stephan Engels noch das Berechnen der Cost-Income-Ratio an die Medien delegiert, um die Relation bloß nicht selbst zu prognostizieren, wollen wir uns nicht beschweren.Belustigend auch fürs Auditorium sind indes nicht nur vorenthaltene Antworten, sondern bereits manche Fragen. Was soll denn so ein geplagter Bankchef sagen, wenn er zum x-ten Mal mit dem Thema Nummer 1 vieler Medien, der blau-gelben Fusion, malträtiert wird? Könnten Zielke oder sein Kollege bei der Deutschen Bank, Christian Sewing, etwas Relevantes dazu sagen, hätten sie es doch längst tun müssen – per Ad-hoc-Mitteilung. Also gibt es erkennbar nichts Relevantes zu sagen. Im Übrigen gilt in solchen Fällen immer das berühmte Zitat von Hermann Josef Abs: “Wenn ich weniger wüsste, könnte ich Ihnen mehr erzählen.”Ernst zu nehmen ist eine fast en passant fallen gelassene, aber für Zielkes Anliegen ganz zentrale Äußerung im Kontext mit den “aktuellen Spekulationen”: Das von Negativzinsen und Preisdruck geprägte Umfeld setze der Profitabilität von Banken in Deutschland enge Grenzen. International wettbewerbsfähige Renditen seien im hiesigen Markt derzeit nicht zu erzielen. Soll das etwa die argumentative Einstimmung darauf sein, dass “Die Bank an Ihrer Seite” demnächst doch einen “#Positiven Beitrag” zu leisten gedenkt? Zunächst einmal hört es sich nach dem alten Klagelied über die deutsche Bankenstruktur mit ihrem hohen öffentlich-rechtlichen Anteil an, hier angestimmt ausgerechnet von einer privaten Bank mit 15-prozentiger Staatsbeteiligung. Na klar hat die hohe Wettbewerbsintensität Auswirkungen auf die Ertragskraft der Branche. Doch diese Veranstaltung nennt sich Marktwirtschaft, die Bankkunden profitieren davon, und gescheiterte Anbieter scheiden zu Recht aus dem Wettbewerb aus oder werden zumindest bis zur Unkenntlichkeit redimensioniert (und dadurch hoffentlich gesundgeschrumpft), wie wir gerade nicht zum ersten Mal erleben.Viel beunruhigender sind die Wettbewerbsverzerrungen auf europäischer und globaler Ebene durch die unorthodoxe Geldpolitik der EZB, die, so Zielkes berechtigter Hinweis, regional unterschiedliche Folgen für Bankergebnisse und Bankstrukturen zeitigt. Unerwähnt lässt der Commerzbank-Chef einen weiteren kritischen Punkt: Andere Länder betreiben auch mit Hilfe von Geschäftsbanken weit ungenierter Industriepolitik im Dienste ihrer nationalen Volkswirtschaften. Aber würde Zielke deshalb lieber eine Bank irgendwo weiter südlich in Europa leiten? Wohl nicht. Der schwierige deutsche Markt ist attraktiv genug, dass hier jede namhafte Adresse aus dem Ausland um Kunden buhlt und, so sie sich nicht allzu dumm anstellt, in aller Regel profitabel wächst – organisch.Das Technologieunternehmen Commerzbank hat bei Halbzeit seiner 4.0-Strategie das Gewinnziel für 2020, eine Nettoeigenkapitalrendite über 6 %, gekippt. Wirklich unschön. Aber ein Drama? Die Gelben sind strategisch gut unterwegs, ihr Geschäftsmodell trägt, sie haben 2017/18 netto 1 Million Privatkunden gewonnen – doppelt so viele wie ING Deutschland. Die Bank hat Altlasten wie das einst 20 Mrd. Euro schwere Schiffsportfolio abgeworfen, sie hat Risiken und Kosten ganz gut unter Kontrolle, hat 2018 nach Steuern zweieinhalb Mal so viel verdient wie die Deutsche Bank und zahlt eine (wenn auch symbolische) Dividende. Das ist nicht alles schlecht und erlaubt ein gewisses Maß an Selbstvertrauen, oder? Über den Aktienkurs schweigt des Autors Höflichkeit. Doch liefert die Commerzbank-Bilanz unmittelbar keine Gründe, dass Peter Altmaier, Olaf Scholz und die KfW schleunigst mit der geplanten Beteiligungsfazilität anrücken müssten, um Blau und Gelb zwangszuverheiraten und den Finanzplatz Deutschland zu retten. —–Von Bernd WittkowskiDie Commerzbank-Bilanz liefert unmittelbar keine Gründe, dass Peter Altmaier, Olaf Scholz und die KfW mit der Beteiligungsfazilität anrücken müssten.—–