Unsichtbarer Riese
Der weltgrößte Fondsanbieter BlackRock führt in Deutschland ein Schattendasein. Offizielle Zahlen zum Fondsabsatz gibt es noch nicht. Hierzulande sei der US-Riese eine der größten ausländischen Adressen, sagt Michael Gruener, Europachef für Publikumsfonds. Der Manager verteidigt das Haus gegen Kritik.Von Jan Schrader, FrankfurtWann wird BlackRock in Deutschland endlich sichtbar? Darauf will sich Michael Gruener, Europachef des Privatkundengeschäfts, nicht festlegen. Nur so viel: Niedriges zweistelliges Milliardenvermögen mit Publikumsfonds, rund 44 Mrd. Euro an ETFs auf der Münchener Plattform der Gesellschaft und ein ebenfalls umfassendes Geschäft mit institutionellen Kunden – summa summarum ein niedriger dreistelliger Milliardenbetrag unterhalb der Marke von 200 Mrd. Euro, wie der Head of Retail Business sagt.Damit dürfte der weltgrößte Vermögensverwalter in Deutschland einer der größten Fondsanbieter aus dem Ausland sein. Präsent sind vor allem Adressen, die hierzulande Gesellschaften aufgekauft haben, so wie die britische HSBC mit Trinkaus, Oddo mit der BHF-Bank und Amundi mit der italienischen Pioneer, die auch in München sitzt. Ebenfalls groß sind die Assetmanager von Versicherern, wozu auch die zur Allianz gehörende US-Gesellschaft Pimco zählt. Im lukrativen Publikumsfondsgeschäft haben sich derweil Franklin Templeton und Fidelity International breitgemacht (siehe Grafik).Viele weitere Häuser wie J.P. Morgan, Natixis, Schroder, Threadneedle, Carmignac und etliche andere beteiligen sich hierzulande nicht an der Branchenstatistik des deutschen Fondsverbands BVI. Mit BlackRock fehlt ein besonders großer Anbieter weitgehend. Die Rolle der Ausländer ist im Fondsmarkt daher nicht vollständig sichtbar.Aber im Vertrieb von Sparkassen, Kreditgenossenschaften, großen Privatbanken, Direktbanken und Vermögensverwaltern ist BlackRock bereits präsent, wie Gruener sagt. Der US-Riese profitiert davon, dass die deutschen Vertriebsnetzwerke kurz nach der Jahrtausendwende auch Fonds von fremden Anbietern mit in das Sortiment nahmen. Aus dem Fundus aktiv verwalteter Fonds, für die Gruener zuständig ist, verkaufen sich hierzulande insbesondere flexibel agierende Rentenfonds, Mischfonds und sogenannte Liquid Alternatives, also eher exotische Wertpapierstrategien. Diese Anlageklassen zeichne aus, dass sie sich weitgehend unabhängig von Aktienindizes entwickeln, sagt Gruener.Im Geschäft mit Indexfonds ist BlackRock bekanntlich mit der Marke iShares präsent und damit weltweit und auch in Europa der größte Anbieter. Eine Konkurrenzsituation zwischen den aktiv verwalteten Fonds und passiven Indexfonds sieht er nicht. “Der Ansatz der Investoren lautet heute nicht mehr ,aktiv oder passiv’, sondern ,aktiv und passiv'”, sagt er. Was soll ein Haus, das mit beiden Fondskategorien Geld verdient, auch anderes sagen? Größe macht angreifbarBlackRock verwaltet weltweit ein gigantisches Vermögen von 6,4 Bill. Dollar und stellt Assetmanagern darüber hinaus das Risikomanagement-System Aladdin zur Verfügung – und kommt immer wieder in die Schusslinie von Kritikern. Beispiel Systemrelevanz: Trägt BlackRock als größter Anbieter von Indexfonds und eines bekannten Risikomanagementsystems dazu bei, dass sich Investoren am Markt gleichförmig verhalten und sich Börsencrashs somit verschärfen? Gruener verneint dies. Aktiv verwaltete Fonds bleiben demnach ein wesentlicher Bestandteil des Marktes, was gleichförmigem Verhalten entgegenwirkt. Zugleich dient Aladdin nach Darstellung Grueners lediglich als Werkzeugkasten im Risikomanagement, das den Investoren die Entscheidungen überlässt und damit keineswegs Gleichförmigkeit nach sich zieht.Beispiel Nachhaltigkeit: Muss der weltgrößte Vermögensverwalter hier eine Vorreiterrolle einnehmen? Im September hatten Aktivistinnen den BlackRock-Chef Larry Fink auf einer Konferenz auf der Bühne gestört. “Fink: Divest from War. Stop the Killing” war auf einem Transparent zu lesen. BlackRock ist ein bedeutender Investor zahlreicher Unternehmen und damit auch einiger Waffenhersteller wie Northrop Grumman und Lockheed Martin. Eine Fondsgesellschaft solle es Anlegern überlassen, in welche Unternehmen sie investieren, sagt Gruener. BlackRock biete den Kunden aber zunehmend nachhaltige Fonds an, etwa ETFs, die bestimmte Titel ausschließen. Bislang ist das Segment bei BlackRock, ähnlich wie insgesamt in der Branche, vergleichsweise klein, auch wenn Investoren bereits häufig über Nachhaltigkeit sprechen, wie Gruener sagt. “Nachhaltigkeit ist bei fast allen Kunden Gegenstand von Diskussionen.”Die Zukunft der Fondsindustrie sieht der Manager auch im digitalen Vertrieb. Die Gesellschaft hat einen größeren, nicht näher bezifferten Anteil am Münchener Online-Vermögensverwalter Scalable Capital, der ein automatisches Portfoliomanagement über ETFs anbietet, neben Deutschland auch in Österreich, der Schweiz und Großbritannien aktiv ist und in Spanien die Plattform für die Santander-Tochter Openbank anbietet. In den USA ist BlackRock mit dem Online-Vermögensverwalter Futureadvisor vertreten.Der Branche bescheinigt der Manager viele Wachstumschancen: Gerade in Asien und Osteuropa nehme die Bedeutung des Assetmanagements zu, da mit steigendem Wohlstand auch die Altersvorsorge und damit die Kapitalanlage in den Blick rücke. “Ein Assetmanager sollte früh in die Märkte einsteigen, um vom Wachstum zu profitieren.” Verantwortlich ist Gruener nicht nur für Europa, sondern auch für den Nahen Osten und Afrika, weshalb auch kleine Märkte wie Südafrika, Israel und die Vereinigten Arabischen Emirate zu seinem Beritt zählen. Die Struktur der Märkte sei zwar jeweils unterschiedlich, die Bedürfnisse der Anleger aber ähnlich. Absatz unter DruckIn den bereits etablierten Märkten hatte BlackRock jüngst Probleme. In den vergangenen Jahren ist die Firma stark gewachsen, im dritten Quartal rutschte der Fondsabsatz jedoch insgesamt unter die Nulllinie. An der Börse hat die Aktie dafür Prügel erhalten. Nach Veröffentlichung der Quartalszahlen vor wenigen Tagen rutschte die Aktie ab und sank kurz vor dem Wochenende sogar zeitweise auf unter 400 Dollar, den tiefsten Wert seit Mai 2017.Die größte Präsenz hat BlackRock in Europa in Großbritannien, wo allein im Publikumsfondssegment rund die Hälfte der verwalteten Mittel von insgesamt 360 Mrd. Dollar liegt. Einschließlich des Geschäfts mit institutionellen Kunden und ETFs kommt BlackRock in Europa, dem Nahen Osten und Afrika sogar auf ungefähr 1,7 Bill. Dollar. Höchste Zeit, dass die Zahlen für Deutschland bald einmal sichtbar werden.