Politische Krise in Spanien

Spaniens Ministerpräsident geht in die Offensive

Spaniens Ministerpräsident Pedro Sánchez macht trotz der Kampagne gegen seine Frau weiter. Stabiler wird die linke Minderheitsregierung dadurch aber nicht.

Spaniens Ministerpräsident geht in die Offensive

Spaniens Ministerpräsident geht in die Offensive

Sánchez macht trotz der Kampagne gegen seine Frau weiter – Minderheitsregierung steht unter Druck

ths Madrid

Pedro Sánchez hat einmal mehr den Großteil seiner Landsleute, Freund wie Feind, verblüfft. Fünf Tage nachdem er sich wegen einer „Schmutzkampagne“ gegen seine Ehefrau eine Bedenkzeit für seine Zukunft genommen hatte, erklärte Spaniens Ministerpräsident am Montag, dass er trotz aller persönlichen Opfer weitermachen werde. Das ganze Wochenende wurde in Spanien eifrig über einen möglichen Rücktritt des Premiers spekuliert, und Tausende Menschen demonstrierten in Madrid für den Verbleib von Sánchez.

„Das ist kein ‚Weiter so‘, sondern ein Neubeginn“, erklärte Sánchez in einer institutionellen Ansprache. Er wolle die Gesellschaft wachrütteln, um eine „Regenerierung“ des stark vergifteten und polarisierten Klimas im Lande zu erreichen. In der Tat sind die Anschuldigungen gegen die Frau des Regierungschefs in rechten Medien fadenscheinig. Es wäre auch bei weitem nicht das erste Mal, dass die von einem Madrider Richter eingeleiteten Voruntersuchungen wegen vermeintlicher Korruption im Sande verlaufen. „Ich habe entschieden weiterzumachen, mit mehr Kraft, wenn das überhaupt geht“, beteuerte der Ministerpräsident. Doch scheint der Sozialist eher schwächer aus dieser außergewöhnlichen Aktion hervorzugehen. Selbst die Partner der Minderheitsregierung zeigten sich am Montag wenig begeistert bis zornig über die fünftägige Bedenkpause des Ministerpräsidenten. Der Oppositionsführer Alberto Núñez Feijóo unterstellte Sánchez, einen Regimewechsel anzustreben und die Demokratie aushöhlen zu wollen. Der Vorsitzende der konservativen Volkspartei forderte Neuwahlen, er schloss einen Misstrauensantrag jedoch aus.

Keine Vertrauensfrage

Anders als von vielen Analysten erwartet worden war, stellt Sánchez auch nicht die Vertrauensfrage, die er sehr wahrscheinlich mit den Stimmen der katalanischen und baskischen Nationalisten überstanden hätte. Der Ministerpräsident hat in den nächsten Tagen Gelegenheit, ein konkretes Zeichen für den von ihm angekündigten Neubeginn zu setzen. Die Ministerin für die Ökologische Transition, Teresa Ribera, eine von drei stellvertretenden Ministerpräsidentinnen, wird als Spitzenkandidatin der Sozialisten bei den Europawahlen antreten und ihr Amt verlassen. Sánchez könnte diese Personalie zu einem Kabinettsumbau nutzen.

Eine entscheidende Auswirkung auf die Stabilität der linken Minderheitsregierung in Madrid werden die vorgezogenen Regionalwahlen in Katalonien am 12. Mai haben. Die Sozialisten von Sánchez gehen als Favoriten ins Rennen. Sollten die bürgerlichen Separatisten von Junts ihr Ziel verfehlen, die neue Regierung anzuführen, könnte die Partei von Carles Puigdemont möglicherweise Sánchez die nötigen Stimmen ihrer sieben Abgeordneten im spanischen Parlament entziehen.

Keine Reformen

Die instabile politische Lage beunruhigt zunehmend die Wirtschaft im Lande. Das Szenario von erneuten Wahlen wurde am meisten gefürchtet. Für dieses Jahr kam kein Haushalt zustande und wichtige, mit Brüssel vereinbarte Reformen stehen aus. Das Justizsystem leidet unter der Blockade seitens der PP, die sich gegen eine Erneuerung des obersten Verwaltungsorgans der Richter sperrt. Wirtschaftsführer und andere im Lande dringen darauf, dass sich Sozialisten und Konservative bei den tragenden Problemen des Landes verständigen. Doch von einer Annäherung sind die beiden Parteien nach der zurückgezogenen Rücktrittsandrohung von Sánchez weiter entfernt als zuvor.

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