Unterschiedliche Welten
Im Falle einer Fusion droht Deutscher Bank und Commerzbank ein Kulturschock. Ihre Usancen der Entlohnung haben wenig miteinander gemein. Wie die Vergütungsberichte zeigen, verdiente 2018 der gesamte Commerzbank-Vorstand so viel wie Deutsche-Bank-Investment-Banking-Chef Garth Ritchie allein.Von Bernd Neubacher, FrankfurtAm Finanzplatz wird vor dem Hintergrund der zur Debatte stehenden Großbankenfusion in diesen Tagen viel darüber diskutiert, wie die Deutsche Bank und die Commerzbank zueinander passen – oder auch darüber, wie nicht. Diskrepanzen zwischen beiden Häusern treten kaum irgendwo sonst so deutlich zutage wie in der Vergütung, vor allem der variablen: Auf der einen Seite steht eine Investmentbank, die in den vergangenen Jahren ungeachtet hoher Belastungen aus Rechtsstreitigkeiten und auch Nettoverlusten in der Regel Boni im Milliardenumfang gezahlt hat, auf der anderen Seite ein auf Privat- und Firmenkunden ausgerichtetes Haus, das seine variablen Entgelte erst kürzlich eingeschränkt hat. Deutsche Bank und Commerzbank – das sind unterschiedliche Welten. Die Relevanz von Boni in den Häusern zeigt sich auch im Umfang der Vergütungsberichte: Im Geschäftsbericht der Commerzbank nimmt dieser 14 Seiten ein, im Dokument der Deutschen Bank 47 Seiten. Klares GefälleSchon die Bezüge des jeweiligen Vorstands verdeutlichen, wie weit die Usancen in der blauen und der gelben Bank voneinander entfernt sind: So hat der siebenköpfige Vorstand der Commerzbank mit Grundgehalt und Nebenleistungen 2018 rund 8,8 Mill. Euro verdient, wie der zur Wochenmitte publizierte Geschäftsbericht zeigt. Das ist in etwa so viel wie der Chef des Investment Banking der Deutschen Bank, Garth Ritchie, allein erhalten hat – er hat 2018 rund 8,6 Mill. Euro kassiert.Der Vorstand der Commerzbank bekam damit für 2018 insgesamt 24 % weniger als für 2017, obwohl sich das operative Ergebnis des Konzerns um knapp 100 Mill. auf 1,245 Mrd. Euro verbessert hat. Der neunköpfigen Führungsspitze der Deutschen Bank wurden unterdessen insgesamt 56 Mill. Euro bezahlt, knapp 90 % mehr als für 2017. Damals waren angesichts des dritten Nettojahresverlusts in Folge keine Boni für den Vorstand geflossen. Während ein Deutsche-Bank-Vorstandsmitglied für 2018 somit im Mittel 6,2 Mill. Euro kassierte, waren es bei der Commerzbank im Durchschnitt 1,25 Mill. Euro. Dieses Gefälle setzt sich in der Vergütung der Mitarbeiter fort. So sind bei der Deutschen Bank 2018 auf jede Vollzeitkraft samt Fixgehalt und Boni im Mittelwert rund 130 000 Euro an Vergütung entfallen, in der Commerzbank mit rund 69 000 Euro gerade einmal gut die Hälfte. Dabei hat der gelbe Fusionspartner in spe nicht schlechter gewirtschaftet als der blaue Riese. Im Gegenteil: Die Commerzbank holte 2018 mit nur etwa einem Drittel des Ertrags sowie der Bilanzsumme der Deutschen Bank vor Steuern nur gut 6 % weniger an Ergebnis herein als die Deutsche Bank. Zugleich erwirtschaftete sie fast die achtfache Eigenkapitalrendite ihres größeren Wettbewerbers. Warten auf den WandelDie Entgeltpolitik des größten deutschen Kreditinstituts sorgt bei Vergütungsberatern schon seit längerem für Verwunderung. “Der vor einigen Jahren öffentlichkeitswirksam propagierte Kulturwandel in der Vergütung lässt weiter auf sich warten”, monierte jüngst etwa Werner Klein, Inhaber und Managing Director von Compgovernance. Die Anteilseigner haben dabei in den vergangenen Jahren definitiv den Kürzeren gezogen. So hat die Deutsche Bank seit 2013 allein an Boni rund 13 Mrd. Euro ausgeschüttet. Mitsamt rund 18 Mrd. Euro, die das Institut seit 2008 an Geldbußen an Aufseher und Regulierer berappt hat, entspricht dies ungefähr der Summe von 30 Mrd. Euro, welche die Bank seit der Übernahme der Postbank im Jahr 2010 an Kapital aufgenommen hat. Spitze Zungen könnten behaupten, die Deutsche Bank sei eine Durchlaufstation gewesen: Was Aktionäre hineingaben, trugen vor allem US-Behörden und Investmentbanker hinaus, während der Aktienkurs verfiel und die Eigenkapitalrendite auf anämischen Niveaus verharrte.Für 2018 hat die Deutsche Bank, längst umweht von Fusionsspekulationen, 1,9 Mrd. Euro an Boni gezahlt, 14 % weniger als fürs Vorjahr, aber gut 12 % des momentanen Börsenwerts und rund 5,5-mal mehr, als nach Steuern an Gewinn konzernweit hängenblieb. Die Commerzbank dagegen hat ihr Bonussystem gerade erst im Oktober vergangenen Jahres umgestellt. Für die meisten Mitarbeiter im Inland ist die Zahlung eines individuell bemessenen Leistungsanreizes entfallen. In Zahlen bedeutete dies für die außertariflich Beschäftigten, sehr zu deren Unmut, im Vergleich zum Vorjahr einen Rückgang der Boni um mehr als ein Drittel auf insgesamt 145 Mill. Euro. Zweifel an KompatibilitätKönnen solche Häuser zu einem Ganzen verschmelzen, das mehr wert ist als die beiden getrennten Einheiten? Bei Headhuntern keimen Zweifel, was die Kompatibilität angeht: “Weiter voneinander entfernt können die Kulturen eigentlich kaum sein”, meint etwa Tim Zühlke, Partner Finance bei Fred Executive Search. “Eine solche Fusion würde die Mitarbeiter in den nächsten Jahren beschäftigen”, prognostiziert er. “Dies ist keine Motivation zur Outperformance.” Vielmehr steht seiner Einschätzung nach zu befürchten, dass eine Fusion wichtige Mitarbeiter vergrätzen könnte. Im Falle eines Zusammenschlusses dürften Beobachtern zufolge Zehntausende Stellen zur Disposition stehen. Schon jetzt hörten kompetente Mitarbeiter beider Banken “sehr genau hin, welche Möglichkeiten ihnen andernorts offenstehen”, sagt Zühlke.