Transaktionsversicherung als neuer Standard

M&A-Deals? Aber sicher!

Transaktionsversicherungen sind bei M&A-Deals unverzichtbar. Immer mehr Versicherer bieten günstige Prämien und umfassende Deckungskonzepte an.

M&A-Deals? Aber sicher!

Unverzichtbar für M&A-Deals

Transaktionsversicherungen sichern bei Geschäften ab 100 Mill. Euro Vertragsrisiken ab.

Von Thomas List, Frankfurt

Die Transaktionsversicherung sichert vertragliche Risiken bei Unternehmenskäufen (M&A-Transaktionen) ab. Sie ist aus der M&A-Welt nicht mehr wegzudenken. „Bei Deals ab 100 Mill. Euro Transaktionsvolumen ist die Transaktionsversicherung inzwischen Standard im deutschen Markt“, sagt Philipp Giessen, beim Broker Marsh Deutschland Leiter des Bereichs M&A und Financial Lines, im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. „Unter 100 Mill. Euro sind 60 bis 70% der Transaktionen so abgesichert, Tendenz steigend.“

Wettbewerb verstärkt sich

Immer mehr Versicherer haben den Markt für Transaktionsversicherungen für sich entdeckt. 2024 überstieg das Angebot die Nachfrage. Der Wettbewerb zwischen Versicherern wie u.a. AIG, Liberty, Tokyo Marine und Berkshire hat sich verschärft. „Daher sind die Prämien derzeit niedrig und die Deckungskonzepte breit“, stellt Giessen fest. Die Prämie entspreche ungefähr 1% der Deckungssumme bei W&I-Policen im deutschsprachigen Raum (DACH).

Der Markt wächst stark. 2024 hat Marsh weltweit mehr als 2.750 Policen mit einer Deckungssumme von 67,8 Mrd. Dollar abgeschlossen. Wie aus einem Bericht von Marsh weiter hervorgeht, ist der M&A-Markt 2024 zu 2023 um 8% auf 3,4 Bill. Dollar gestiegen. Dagegen haben bei dem Makler die Zahl der Policen um 33% und die Deckungssummen um 38% zugelegt. In Europa hat Marsh Transaktionsversicherungen für 461 Transaktionen mit einer Deckungssumme von insgesamt 17 Mrd. Dollar vermittelt, jeweils ca. 36% mehr als 2023 (Für Deutschland gibt es keine eigenen Zahlen). „Das zeigt, wie gängig das Produkt inzwischen ist.“ In Deutschland sei das Wachstum etwas geringer als in Europa, weil zum Beispiel Osteuropa viel stärker wachse. „Dort ist die Marktdurchdringung noch nicht so groß.“

Eine bestimmte Beschaffenheit der Kaufsache wird zugesichert

Beim Unternehmenskauf sichert der Verkäufer eine bestimmte Beschaffenheit der Kaufsache zu (Gewährleistung). So muss der Käufer zum Beispiel sicher sein, dass die Jahresabschlüsse des Zielobjekts korrekt sind. Denn er berechnet auf dieser Basis, genauer dem Ergebnis vor Steuern und Abschreibungen (Ebitda), den Unternehmenswert.

Gewährleistung gibt es zum Beispiel auch dafür, dass die Verträge mit den wesentlichen Kunden ungekündigt sind, keine Streitigkeiten bestehen, wichtige Markenrechte existieren und nicht bestritten werden. Sollte sich nach Übergabe der Kaufsache herausstellen, dass dies nicht der Fall ist, dann kann der Käufer einen daraus erwachsenen Schadenersatz geltend machen. Früher wendete sich dazu der Käufer direkt an den Verkäufer. Als Sicherheit hat der Käufer zum Beispiel 20% des Kaufpreises für zwei Jahre auf ein Treuhandkonto überwiesen. Gerade Finanzinvestoren wollen aber als Verkäufer möglichst schnell den vollen Kaufpreis an ihre Investoren ausschütten.

Ausweg gefunden

Als Ausweg bot sich die Warranty-and-Indemnity-Versicherung, kurz W&I-Versicherung, an. Wenn es ein Problem mit der Gewährleistung gibt, wendet sich der Käufer jetzt nicht mehr an den Verkäufer, sondern an den Versicherer. Früher hat der Verkäufer auch bei einer abgeschlossenen W&I-Deckung mit 1 bis 2% des Unternehmenswertes gehaftet. „Mittlerweile haftet der Verkäufer in der Regel nicht mehr.“ Er erteilt zwar noch die Gewährleistung. „Die Haftung wird jedoch ausgeschlossen, soweit das rechtlich möglich ist. Bei Vorsatz geht das rechtlich nicht.“ Die Gewährleistung bildet nur noch die Grundlage für die Police. „Für den Käufer ist die W&I-Versicherung eine sehr gute Möglichkeit, um Schadenersatz aus der Verletzung von Gewährleistungsrechten geltend zu machen.“

Folgerichtig befreit sich der Verkäufer auch zunehmend von Selbstbehalten. „Früher lagen sie am deutschen Markt bei 1 bis 2% des Unternehmenswertes. Heute sind wir bei 0,15 oder 0,2%. Das wird sich weiter fortsetzen, bis wir vermutlich irgendwann bei null sind.“

Ursprung bei Finanzinvestoren

Ursprünglich wurde die Transaktionsversicherung von Finanzinvestoren genutzt. „Strategische Investoren haben sich eher zurückgehalten. Das hat sich in den letzten Jahren grundlegend geändert. 2024 hat Marsh 55% der Policen für strategische Investoren und 45% für Finanzinvestoren platziert.“ Gerade in Deutschland werden große Unternehmen mit dem W&I-Produkt immer professioneller. Bei mittelgroßen und großen Transaktionen hat der strategische Verkäufer, also das Unternehmen, das ganze W&I-Paket mittlerweile schon vorbereitet.

Weitere Deckungen

Seit einigen Jahren haben sich weitere Risikoabdeckungen im Rahmen der Transaktionsversicherung entwickelt. Das prominenteste Beispiel sind Steuerrisiken. Ein Käufer will verhindern, dass das Finanzamt Forderungen für zurückliegende Jahre stellt, nachdem die Übernahme vollzogen ist. Früher wurde eine Freistellung vereinbart, d.h., der Verkäufer hat eine mögliche Steuerschuld übernommen. Inzwischen haben die Verkäufer erreicht, dass sich der Käufer auch über ein Versicherungsprodukt absichert. Gedeckt werden bekannte Steuerrisiken wie etwa konzerninterne Verrechnungspreise. 2024 hat Marsh in Europa 21% mehr Tax-Insurance-Policen platziert als 2023.

Etwa in 95% der deutschen M&A-Kaufverträge schließen die Verkäufer nach der Erfahrung von Marsh aus, dass ein Käufer bei einer Garantieverletzung den Schaden durch eine Neuberechnung des Unternehmenswerts ermitteln darf. „Das ist ein erhebliches Defizit im vertraglichen Gewährleistungssystem von Unternehmenskaufverträgen.“ Die W&I-Versicherung ermöglicht diese Neuberechnung durch den Käufer über eine erweiterte, sogenannte synthetische Deckung. „Das ist eine Innovation der vergangenen zwei Jahre. Sie führt aber zu umfangreicheren Forderungen. Das sehen wir auch in den Schadenfällen, die unsere Spezialisten betreuen.“ Makler wie Marsh helfen ihren Kunden, den Schaden geltend zu machen. 

Schadenzahlungen haben 2024 kräftig zugelegt

Allein 2024 haben Versicherer in Europa 71 Mill. Dollar an Kunden von Marsh ausgezahlt. 2023 waren es erst 10 Mill. Dollar. Gründe waren laut Bericht in etwas mehr als der Hälfte der Fälle Steuern und (fehlerhafte) Finanzberichte. „Auch in diesem Jahr sieht unser deutsches Team regelmäßig neue Schadenfälle. Das ist wichtig, denn damit zeigt sich, dass die Deckung funktioniert.“ Allerdings beklagten sich jetzt erste Versicherer, dass Anzahl und Umfang der Schäden im Verhältnis zum Prämienniveau nicht nachhaltig seien. „Bisher gab es aber noch keine größeren Marktaustritte. Sollte die Nachfrage wieder steigen, dürften auch die Prämien anziehen. Das halte ich für wahrscheinlich.“

Bei einer weiteren synthetischen Deckung geht es um die sogenannte Wesentlichkeitsqualifizierung. Oft schränkt der Verkäufer die Gewährleistungen mit derartigen Qualifizierungen ein. So versichert der Verkäufer dem Käufer, es habe „im Wesentlichen“ keine Rechtsverstöße des Targets gegeben, und schränkt damit die Garantie deutlich ein. Über die synthetische Deckung stellt der W&I-Versicherer eine Absicherung ohne diese Einschränkung bereit.

Neuer Trend

Als großen Trend bezeichnet Giessen die Abkoppelung der W&I-Versicherung vom Kaufvertrag. Vorreiter sind Immobiliendeals. „Bei ihnen gibt es inzwischen meist komplett synthetische Garantiekataloge.“ Der Verkäufer gebe keine Garantien mehr. Die gebe es nur noch über die Versicherungspolice. „Immer mehr unserer Kunden wollen das. Allerdings sind die Versicherer bei Transaktionen außerhalb von Immobiliendeals derzeit noch nicht bereit, solche Deckungen zu gewähren.“

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