US-Finanzmarkt

Stresstest offenbart Schwächen der US-Regionalbanken

Die 23 führenden US-Banken dürften laut den Ergebnissen des diesjährigen Fed-Stresstests auch bei einer schweren Rezession ausreichend kapitalisiert bleiben. Doch die Entwicklung unter regionalen Geldhäusern bereitet Marktteilnehmern noch immer Sorgen.

Stresstest offenbart Schwächen der US-Regionalbanken

Furcht um Finanzstabilität trotz Stresstest-Erfolg

Große US-Banken schneiden in Simulation der Federal Reserve besser ab als im Vorjahr – Anhaltende Sorge um regionale Geldhäuser

Nach dem soliden Abschneiden der großen US-Banken im Fed-Stresstest richtet sich der Blick der Marktteilnehmer auf die Ausschüttungs- und Aktienrückkaufpläne mehrerer Institute, die am Freitag erwartet werden. Sorge bereitet unterdessen erneut die Kapitalausstattung der Regionalinstitute.

Von Alex Wehnert, New York

Die 23 größten US-Banken trotzen den Sorgen um die Stabilität des Finanzsektors: Im Rahmen des diesjährigen Stresstests der Federal Reserve haben die Geldhäuser sich wetterfest gezeigt. Die Finanzinstitute würden im schwersten durchgespielten Rezessionsszenario zwar zusammengenommen Verluste von 541 Mrd. Dollar erleiden, ihre harte Kernkapitalquote (Common Equity Tier 1/CET 1) würde von aggregiert 12,4% im Schlussquartal 2022 auf 10,1% fallen. Damit blieben sie aber deutlich über der regulatorischen Mindestanforderung von 4,5%.

Überdies würde die harte Kernkapitalquote weniger stark zurückgehen als im Worst-Case-Szenario aus dem Vorjahr, als sie gemäß Fed-Simulation um 2,7 Prozentpunkte abgesackt wäre. Unter den Konditionen des vorherigen Tests hätten sich die summierten Verluste der führenden Banken zudem auf 612 Mrd. Dollar belaufen – obwohl die Parameter weniger schwierig angelegt waren als im laufenden Jahr.

Härtere Szenarien als im Vorjahr

So ging die Fed 2022 im Härtefall von einem Anstieg der Arbeitslosenquote um 5,75 Prozentpunkte aus, im laufenden Jahr lautete das Szenario aufgrund der Erholung des Arbeitsmarkts seit dem vergangenen Test auf 6,5 Prozentpunkte. Zudem mussten die Banken im Rahmen der Fed-Simulation 2022 lediglich einen Rückgang des realen Bruttoinlandsprodukts um 3,5% binnen zwölf Monaten verkraften, im laufenden Jahr wären es fast 8,75%.

Zusätzlich beinhaltet der Stresstest eine Reihe von Marktentwicklungen, zum Beispiel eine Ausweitung der Spreads zwischen Investment-Grade-Anleihen und zehnjährigen US-Treasuries um 5,75 Prozentpunkte innerhalb von drei Quartalen, einen Kurseinbruch um 45% an den Aktienmärkten, einen Anstieg des Volatilitätsindex Vix auf 75 Punkte und scharfe Rücksetzer der Gewerbeimmobilien- und Häuserpreise.

Nervosität nach Kollaps

Die diesjährige Ausgabe des Tests steht bei den Marktteilnehmern besonders im Fokus, nachdem sich seit Anfang März drei der vier größten Bankzusammenbrüche der US-Geschichte ereigneten. Die auf die Start-up-Finanzierung spezialisierte Silicon Valley Bank, der Gewerbeimmobilien-Lender und Krypto-Dienstleister Signature Bank und die bei äußerst vermögenden Privatkunden populäre First Republic Bank kollabierten, nachdem sie durch eine Flucht von Einlagenkunden in Liquiditätsnöte gerieten. Dies sandte Schockwellen durch den gesamten Sektor, insbesondere die hohen nicht realisierten Verluste in den Wertpapierportfolios vieler regionaler Geldhäuser bereiten Anlegern Sorge. Zuletzt hatte sich US-Finanzministerin Janet Yellen pessimistisch zur Profitabilität kleiner und mittelgroßer Institute geäußert. Die Demokratin rechnet noch im laufenden Jahr mit mehr Bankzusammenschlüssen.

Zwar sind kleinere Finanzinstitute nicht Teil des Fed-Stresstests, der nur die 23 größten US-Banken erfasst – darunter J.P. Morgan, Bank of America und Goldman Sachs, aber auch die US-Sparten von Barclays und der Deutschen Bank. Doch hat sich unter Marktteilnehmern die Furcht ausgebreitet, dass eine Krise im Segment der regionalen Kreditinstitute auch auf führende Adressen übergreifen könnte. Zudem traten die Großbanken den Stresstest im laufenden Jahr mit hohen nicht realisierten Verlusten in ihren Portfolios an. Diese reduzierten sich im Worst-Case-Szenario sogar, da die Fed-Simulation im Härtefall von sinkenden Zinsniveaus ausging. Geldhäuser mit einer hohen Präsenz im Hypothekengeschäft sowie im Gewerbeimmobilienmarkt hätten 2023 allerdings schärfere Rückgänge ihrer Eigenkapitalquoten verkraften müssen als im Vorjahr.

Kreditkarten als Risiko

Kreditverluste machten mit 424 Mrd. Dollar laut Fed 78% der projizierten Einbußen der 23 Institute aus, der Rest entfiel zu großen Teilen auf das Trading-Geschäft der an der Wall Street vertretenen Häuser. Kreditkarten stellten mit Verlusten von 119 Mrd. Dollar im Worst-Case-Szenario das problematischste Produkt dar. Noch härter als spezialisierte Kartenanbieter wie Capital One wäre im hypothetischen Abschwung Goldman Sachs betroffen. Die Bank startete 2016 einen bisher hoch verlustreichen Ausflug ins Privatkundengeschäft und unterhält Kreditkartenpartnerschaften mit dem Technologiekonzern Apple und dem Autobauer General Motors. Zuletzt stutzte Goldman die Consumer-Banking-Bemühungen wieder zurecht.

Insgesamt hielt sich das Geldhaus im Rahmen des Stresstests indes robust. Im Worst-Case-Szenario ginge die harte Kernkapitalquote von Goldman laut Fed von 14,4% auf 10,1% zurück und damit geringfügig stärker als bei der schärfsten Rivalin Morgan Stanley. Unter den sechs nach Bilanzsumme führenden US-Geldhäusern wäre Wells Fargo mit einer Common Equity Tier 1 Ratio von 8,2% im Härtefall weiter am schwächsten kapitalisiert.

Strengere Vorgaben voraus

Niedriger fielen die Quoten aber bei regionaler orientierten Häusern wie US Bancorp, Citizens Financial und Truist Financial aus. Dies könnte laut Analysten noch in den Blickpunkt rücken, wenn für die Finanzinstitute im Rahmen der Umsetzung des Bankenpakets Basel III in den USA härtere Kapitalvorgaben eingeführt werden. Zuletzt machten an der Wall Street Berichte über geplante Aufschläge von durchschnittlich 20% für größere Finanzinstitute die Runde.

Fed-Chef Jerome Powell sagte vor einem Senatsausschuss zuletzt aus, dass sich entsprechende Regeln noch in der Entwurfsphase befänden und wohl nicht für Institute mit einer Bilanzsumme von unter 100 Mrd. Dollar gelten würden. Bisher waren die härtesten Vorgaben aber für Banken mit Assets von mehr als 250 Mrd. Dollar reserviert. Der für Aufsicht zuständige Fed-Vize Michael Barr sprach sich zuletzt bereits für höhere Kapitalvorschriften aus. In einem Bericht zur Aufarbeitung der jüngsten Krise im Segment stellte Barr zudem in Aussicht, dass für eine breitere Masse an Instituten künftig nicht realisierte Gewinne und Verluste aus den Wertpapierportfolios in die Berechnung einfließen müssten, um die Eigenkapitalquoten besser mit den Risikopositionen in Einklang zu bringen.

Vorsichtiger Fed-Vize

„Das heutige Resultat bestätigt, dass das Bankensystem stark und widerstandsfähig bleibt“, teilte Barr bei Veröffentlichung der Stresstestergebnisse am Mittwoch mit, schob aber sogleich hinterher: „Wir sollten demütig bleiben.“ Stresstests müssten sich stetig weiterentwickeln, um eine zunehmend größere Spanne an Risiken im Finanzsystem abzudecken.

Unter dem Eindruck der diesjährigen Stresstestergebnisse richtet sich der Blick der Marktteilnehmer auf den Freitag. Dann dürften mehrere Finanzinstitute nach US-Börsenschluss Updates zu geplanten Aktienrückkäufen und Dividendenzahlungen geben. Analysten rechnen angesichts der jüngsten Krise im Segment mit vorsichtigeren Plänen.

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