Immobilienfinanzierer

US-Immobilienbeben erschüttert Pfandbriefbank

Das Immobilien-Beben trägt hierzulande einen Namen: Deutsche Pfandbriefbank. Die Investoren nehmen die Spezialbank für die Finanzierung von Gewerbeimmobilien unter Feuer, der Aktienkurs notiert so niedrig wie selten zuvor seit der Erstnotierung 2015. Der Anlass ist das hohe Kreditvolumen in den USA.

US-Immobilienbeben erschüttert Pfandbriefbank

US-Immobilienbeben erschüttert Pfandbriefbank

Immobilienfinanzierer steht inmitten eines Wechsels an der Vorstandsspitze unter starkem Druck – Turbulenzen an den Märkten für Aktien und Anleihen

Das Immobilienbeben trägt hierzulande einen Namen: Deutsche Pfandbriefbank. Die Investoren nehmen die Spezialbank für die Finanzierung von Gewerbeimmobilien unter Feuer, der Aktienkurs notiert so niedrig wie selten zuvor seit der Erstnotierung 2015. Der Anlass ist das hohe Kredit­volumen in den USA.

Von Michael Flämig, München

Der Aktienkurs der Deutschen Pfandbriefbank kennt dieser Tage meist nur eine Richtung: bergab. Am Dienstag betrug das Minus 1,7%. Mit 4,52 Euro liegt der Kurs nur leicht über dem Allzeittief von 4,49 Euro. Die Bewertung der Spezialbank für die Finanzierung von Gewerbeimmobilien, die seit Juli 2015 börsennotiert ist, ist damit seit Jahresbeginn um ein Viertel gesunken.

Turbulent geht es auch im Handel für Anleihen des Immobilienfinanzierers zu. Eine nachrangige 300-Mill.-Euro-Anleihe (ISIN XS1637926137), die Ende Januar noch über 73% notierte, rutschte am 9. Februar mit 46,5% auf den tiefsten Stand seit der Emission im Juni 2017. Ein weiterer nachrangiger 150-Mill.-Euro-Bond steht auf dem gleichen Niveau.

Mehrere Paukenschläge

Wie stark der Kapitalmarktdruck auf der Bank aus Garching bei München lastet, illustriert ihre Kommunikation in der vergangenen Woche. Am Mittwoch veröffentlichte die Deutsche Pfandbriefbank nicht nur überraschend, dass das vierte Quartal die Risikovorsorge 2023 auf 210 bis 215 Mill. Euro verdoppelt hat, im Vergleich zum Stand nach neun Monaten. Vielmehr wird die Situation auch als größte Immobilienkrise seit der Finanzkrise gekennzeichnet – angesichts der durchweg positiven Marktentwicklung von 2010 bis zum Beginn der aktuellen Krise eine eher alarmierende als informative Aussage.

Am Donnerstag folgt der nächste Paukenschlag: Die Bank legt ihre Liquiditätsausstattung per Ende Dezember offen, die erst zur Bilanzvorlage am 7. März berichtet werden sollte. Die Botschaft: Das Liquiditätspolster ermögliche es, für mehr als sechs Monate ohne neues Kapitalmarktfunding zu operieren. Wer derlei Signale sendet, mag sich mancher Anleger gedacht haben, der muss es nötig haben.

Leerverkäufer im Spiel

Vielerlei Interessen sind im Spiel. Die Short-Positionen von sechs Akteuren, die ihr Engagement im Bundesanzeiger veröffentlicht haben, addieren sich auf 7,5% des Pfandbriefbank-Kapitals. Am stärksten ist Caius Capital mit 3,4% aktiv, es folgen SIH Partners, Wellington Management, Kite Lake Capital, Qube Research & Technologies und Petrus Advisers.

Die Folgen sind keineswegs klar. Denn die Wucht der Short-Positionen könnte den Aktienkurs paradoxerweise nach oben drücken. Darauf zumindest weist die Citibank in ihrem Research hin. Wegen des geringen Handelsvolumens der Aktie könne es eine Knappheit geben (Short Squeeze), wenn die Aussagen zur Bilanzvorlage am 7. März überzeugten. Andererseits gilt: Vielleicht will der Vorstand dann auch die Bilanz besenrein machen.

Vielfältig ist die Lage am Anleihemarkt. So sorgte am 7. Februar die Bloomberg-Meldung für Aufregung, die Analysten von Morgan Stanley hätten ihren Kunden empfohlen, vorrangige Anleihen der Pfandbriefbank zu verkaufen, da diese im Gewerbeimmobilienmarkt in den USA engagiert sei. Was aber, wenn die Investmentbank ihren Kunden nur empfohlen hätte, andere Anleihen der Bank dafür zu kaufen? Morgan Stanley ließ eine Anfrage, welche Lesart richtig sei, unbeantwortet.

Lange Nachfolger-Suche

Klar allerdings ist: Die Pfandbriefbank steht zu Recht im Fokus. Erstens ist sie einer der wenigen lupenreinen deutschen Finanzierer von gewerblichen Immobilien, der zudem gut die Hälfte seiner Kredite an den kriselnden Bürogebäudesektor herausgegeben hat. Zweitens hat sich die Bank im US-Markt, der für hochgezogene Augenbrauen der Investoren sorgt, besonders ausgeprägt engagiert. Er ist die zweitgrößte Region der Bank.

Hinzu kommt, dass der Vorstand vor einem Umbruch steht. Andreas Arndt (65), der die Bank seit 2014 geleitet hat und bis Ende 2023 in Personalunion auch Finanzvorstand war, geht in den Ruhestand. Nach einer erstaunlich langen Nachfolgesuche unter den Argusaugen der EZB wurde im Oktober die Berufung von Kay Wolf verkündet, der zuletzt 2010 in der Branche der Immobilienfinanzierer gearbeitet hatte. Seit Anfang Februar ist er Vorstandsmitglied, im März soll er den Vorsitz übernehmen.

Im US-Markt hält die Bank Ende September ein Exposure von 4,9 Mrd. Euro. Dies sind 15% des gesamten Immobilienportfolios von 32,1 Mrd. Euro. Besonders hoch ist das Engagement im Markt für US-Büroimmobilien. 24% des Büro-Exposures von 16,5 Mrd. Euro liegen per Ende September in dieser Region – damit liefert diese Assetklasse 81% des US-Engagements. Der Anteil der US-Immobilienkredite am gesamten Neugeschäft wurde zuletzt reduziert. Nur 10% kommen in den ersten neun Monaten aus den USA, im gesamten Vorjahr betrug der Anteil 17%.

In den USA konzentriert sich die Bank auf New York (63% der Kredite), etwa mit einem 250-Mill.-Dollar-Kredit auf der Fifth Avenue. Chicago (13%) spielt ebenfalls eine Rolle. Washington (8%), San Francisco (5%), Los Angeles (4%), Seattle und Boston (gemeinsam 5%) sind zweitrangig.

691 Mill. Euro notleidend

Die Risikovorsorge in den USA ist im dritten Quartal 2023 nach oben geschnellt. Die gebuchten 83 Mill. Euro seien vor allem von US-Büro-Krediten getrieben, hatte Arndt im November erläutert. Homeoffice und ESG-Standards hätten die Nachfrage strukturell verändert. Die Pfandbriefbank habe zwar ihre Kredite nur an Projekte in A-Lagen vergeben, aber nun müssten 5 bis 10% dieser Engagements als B-Lage eingestuft werden.

Per Ende September addierten sich die notleidenden Kredite für elf Bürogebäude und einen Einzelhandel-Kredit in den USA auf 691 Mill. Euro, dies sind 14,1% des dortigen Engagements. Zum Vergleich: Die Quote notleidender Engagements für die gesamte Bank beträgt 2,7%. Die notleidenden US-Kredite hatten schon zuvor stark zugelegt: Während sie Ende 2021 noch vernachlässigbar waren, addierten sie sich Ende 2022 auf 301 Mill. Euro.

Auch jene Kredite, die weiterhin nicht notleidend sind, reagieren auf die Immobilienkrise. Der Preisverfall der Häuser führt zu einem höheren Verhältnis von Kreditsumme zum Wert der Immobilie. Die Pfandbriefbank meldet per Ende September für die USA mit 60% die höchste Relation aller Regionen. Neun Monate zuvor waren es noch 57%, im Schnitt der Bank beträgt die Quote 52%.

Ende der Marktkorrektur?

Die Marktwerte in den USA seien in den vergangenen zwölf Monaten um 24% für intakte und 41% für notleidende Kreditstandorte gesunken, rechnete Arndt im November vor. Er gehe davon aus, dass ein Großteil des Preisrutsches durchgestanden ist. Auch in Deutschland, mit 44% der ausgereichten Kreditsumme der größte Markt, rechnete er damals mit einer Bodenbildung 2024. Der Branchenverband VDP sieht mittlerweile eine Stabilisierung nicht vor Jahresende.

Die Pfandbriefbank baute seit 2016 das US-Geschäft auf, um höhere Margen als auf dem Heimatmarkt zu erzielen und den schrittweisen Rückzug aus dem als riskant eingeschätzten Markt Großbritannien zu kompensieren. Anfangs von Arndt als „vorsichtiges Engagement“ gekennzeichnet und mit Syndizierungen im Sekundärmarkt betrieben, folgte zwei Jahre später eine Repräsentanz in New York.

Ein Eigenkapitalproblem ist trotz der US-Belastungen nicht erkennbar, zumal 2023 ein Gewinn angepeilt wird: Es sollen 90 Mill. Euro vor Steuern sein. Die Kernkapitalquote betrug Ende September 15,2% und wird wegen der Umstellung auf ein standardisiertes Berechnungsmodell zeitweise auf 14% sinken. Die Bank bleibt damit komfortabel über dem aufsichtsrechtlichen Mindestniveau von 9,3%.

mic München