GastbeitragChristof Quiring, Fidelity

Verpflichtende Betriebsrente kann Vorsorgelücke verringern

Bei der betrieblichen Altersvorsorge lohnt ein Blick auf die Nachbarländer, schreibt Gastautor Christof Quiring von Fidelity International.

Verpflichtende Betriebsrente kann Vorsorgelücke verringern

Gastbeitrag

Verpflichtende Betriebsrente kann Vorsorgelücke verringern

Die CDU hat die Problematik, dass „die gesetzliche Rente alleine eine auskömmliche Alterssicherung in vielen Fällen nicht garantieren kann“ erkannt und will Verbesserungsvorschläge in ihr neues Grundsatzprogramm aufnehmen. Eine Idee ist, eine verpflichtende kapitalgedeckte Zusatzversicherung einzuführen, die Medienberichten zufolge über eine betriebliche Altersvorsorge (bAV) abgewickelt werden soll. Welche Erfolgsfaktoren es für die bAV gibt, zeigt ein Blick auf unsere Nachbarländer.

Anreize durch Zuschüsse

Ein gutes Beispiel für obligatorische Betriebsrenten findet man in Großbritannien. Berechtigte Arbeitnehmende zahlen hier seit 2012 automatisch einen Teil des Entgelts in eine betriebliche Altersvorsorge ein. Gleichzeitig haben sie aber eine Opt-out-Option und können der Entgeltumwandlung widersprechen. Trotz der Möglichkeit, sich aktiv gegen eine bAV auszusprechen, hat sich die Durchdringungsrate in Großbritannien seither deutlich erhöht und liegt heute bei 88% der Berechtigten. Zum Vergleich: Hierzulande nehmen lediglich zwischen 50 und 60 % der sozialversicherungspflichtigen Arbeitnehmenden an der betrieblichen Altersvorsorge teil.

In Deutschland haben zwar seit 2002 alle Arbeitnehmenden einen Anspruch, dass ihr Arbeitgeber eine bAV-Lösung anbietet, bei der sie Teile des Bruttolohns einzahlen können. In kleineren Betrieben gibt es aber oft kein entsprechendes Angebot. Folglich muss die Arbeitskraft dieses bei ihrem Arbeitgeber einfordern. Viele Betroffene gehen diesen Schritt nicht – sei es aufgrund von Unwissenheit oder der komplexen bAV-Landschaft in Deutschland. Eine automatische Teilnahme mit Opt-out-Option könnte die Verbreitung von betrieblicher Vorsorge in Deutschland also erheblich steigern und Privatpersonen im Berufsleben dabei helfen, einen zusätzlichen Kapitalstock für den Ruhestand anzusparen.

Wichtig ist aber, dass zusätzliche Anreize geschaffen werden. In Großbritannien werden die eingezahlten Beiträge beispielsweise mit 3% des Bruttolohns vom Arbeitgeber aufgestockt. Die Mitarbeitenden selbst müssen 5% des Bruttogehaltes zur Pension beitragen. Die Kofinanzierung durch Arbeitgeber und Arbeitnehmer – wie sie bespielweise auch in der chemischen Industrie in Deutschland tarifvertraglich vereinbart ist – ist ein weiterer Faktor für die hohe Teilnahmequote und substanzielle Vorsorgevermögen in Großbritannien.  

Portabilität verbessern

Weitere Zutaten für das Erfolgsrezept einer bAV sind eine einfache Handhabung und die Möglichkeit, Vorsorgekonten bei einem Arbeitgeberwechsel problemlos übertragen zu können. Da es in Deutschland fünf zugelassene bAV-Durchführungswege gibt, stehen Arbeitnehmende hierzulande vor der komplexen Aufgabe zu durchschauen, welchen ihr Arbeitgeber anbietet. Ebenso ist die Übertragung der Ansprüche bei einem Arbeitgeberwechsel vielschichtig und häufig nicht möglich. Zumal es allerdings nicht mehr State of the Art ist, das eigene Berufsleben nur bei einem Arbeitgeber zu verbringen, haben viele Deutsche Betriebsrenten aus verschiedenen Beschäftigungsverhältnissen. Hier müsste die Möglichkeit geschaffen werden, die Vermögenswerte spätestens zum Rentenbeginn in einem „individuellen Vorsorgekonto“ steuergeschützt bündeln zu können.

Garantien kosten Rendite

Für einen anderen Erfolgsfaktor der bAV wurden die Grundpfeiler hingegen 2018 im Zuge des Betriebsrentenstärkungsgesetzes gelegt. Mit diesem wurde das Sozialpartnermodell als zusätzliche Zusageform eingeführt, welche sich auf die Beitragszusage konzentriert – anstatt auf Leistungsgarantien. Dies markierte einen wichtigen Schritt, da Garantien bei langfristigen Ansparvorgängen zu einer Fehlallokation von Vermögenswerten führen und notwendige Investitionen in produktives Kapital verhindern. Leider steckt dieses Modell noch in den Kinderschuhen. In den vergangenen vier Jahren haben nur die Chemie und vor kurzem die Bankenbranche das Modell installiert. Um die Umsetzung des Sozialpartnermodells zu beschleunigen, sind weitere Reformen nötig, beispielsweise die Öffnung dieser Modelle für nichttariflich gebundene Unternehmen.

Ein ganzheitliches Konzept muss her

Die Argumente zeigen: Die Idee der CDU einer obligatorischen bAV ist zu begrüßen. Um das Konzept erfolgreich aufzustellen, sollten jedoch weitere Merkmale überdacht und berücksichtigt werden – so beispielsweise eine Kofinanzierung durch Arbeitgeber und Mitarbeitende. Außerdem sollten auch die anderen beiden Säulen der Altersvorsorge mit einbezogen werden.

Ein echter Aufbruch in der Rentenpolitik kann nur gelingen, wenn alle drei Standbeine zukunftsfähig aufgestellt werden. Wichtig ist nun, dass die Umsetzung Fahrt aufnimmt und Maßnahmen keinesfalls weiter verschoben werden, so wie es mit dem Generationenkapital passiert ist. Denn je länger wir die Rentenproblematik ignorieren, umso drastischer müssen die notwendigen Maßnahmen ausfallen.

Christof Quiring

Leiter Investment- und Pensionslösungen bei Fidelity International

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