Leitartikel:Mindestreserve und Einlagefazilität

"Verrückte" Debatte um Zinssubventionen

Höhere Mindestreservesätze für Banken und weniger Zinsen auf die Einlagefazilität? Überlegungen der EZB, die Zinssubventionen der Banken zurückzufahren, eröffnen eine politische Debatte.

"Verrückte" Debatte um Zinssubventionen

Mindestreservepflicht

Sind denn alle verrückt geworden?

Von Philipp Habdank

Die Einlagefazilität ist nicht als Zinsertragsmaschine gedacht, doch Banken haben offensichtlich keine besseren Investitionsideen.

Deutsche Banken haben es wirklich nicht leicht. Da verdienen sie nach der jahrzehntelangen Zinsdürrephase mit der Zinswende endlich mal wieder gutes Geld und können ihren Aktionären hohe Ausschüttungen in Aussicht zu stellen – und dann kommen Geldpolitiker der EZB mit der Idee um die Ecke, den Banken nicht nur die Verzinsung auf die Mindestreserve zu streichen, sondern den Mindestreservesatz gar noch zu erhöhen und damit ihre Gewinne zu beschneiden.

Dass diese Idee bei den Banken nicht gut ankommen würde, war klar. Die einschlägigen Lobbyverbände schlugen direkt Alarm und drohten, ähm, warnten davor, dass das die Kreditvergabemöglichkeiten der Banken einschränken könnte. Die Banken sehen ihre Felle davonschwimmen. Commerzbank-Finanzchefin Bettina Orlopp findet die Diskussion gar "verrückt". So deutlich hat es bislang öffentlich kein Bankmanager ausgedrückt. Ist das noch Sarkasmus oder schon Panik?

Banken nutzen in großem Stil Einlagefazilität

Hardliner im EZB-Rat haben in den Raum geworfen, den Mindestreservesatz von bisher 1% auf bis zu 10% anzuheben. Das wäre schon ziemlich verrückt, allein weil der Satz zuvor nie so hoch war. Seit dem 18. Januar 2012 lag er bei 1%. Zuvor galt seit dem 1. Januar 1999 ein Satz von 2%. Sollte die EZB den Satz auch nur um 1 Prozentpunkt anheben, würde das den Vorsteuergewinn der betroffenen Banken um rund 4% belasten, wie ein S&P-Analyst unlängst vorrechnete. Autsch! Und das vor dem Hintergrund, dass die EZB bereits im vergangenen Jahr beschlossen hatte, die über die Mindestreservepflicht hinausgehenden Guthaben nicht mehr zu verzinsen und im Juli die Verzinsung sogar komplett abgeschafft hat. Der Commerzbank entgehen allein dadurch laut Orlopp jährlich schon 100 Mill. Euro an Erträgen.

Was haben die Banken also gemacht? Sie haben im September 2022 ihre Guthaben bei der Zentralbank im großen Stil in die weiterhin verzinste Einlagefazilität umgeschichtet. Um 3,78 Bill. Euro sprang das Einlagefazilitätsvolumen im Eurosystem nach oben, davon lagen allein rund 1 Bill. bei der Bundesbank. Das ist alles Geld, das der Realwirtschaft nichts bringt, für das die Banken aber eine risikolose Verzinsung einstreichen. Spätestens hier wird die Diskussion politisch. In welchem Umfang darf und soll die Zentralbank Verzinsungsmechanismen einsetzen, um damit Banken zu subventionieren?

Einlagefazilität war anders konzipiert

An dieser Stelle muss erwähnt werden, dass die EZB von Banken zuvor jahrelang auch Strafzinsen von bis zu −0,50% verlangt hat. Aus diesem Blickwinkel wirkt eine Entschädigung für Banken nur fair. Zur Wahrheit gehört aber auch, dass den Banken in dieser Zeit von der EZB durch längerfristige Refinanzierungsgeschäfte auch geholfen wurde. Im aktuellen Monatsbericht der Bundesbank heißt es, dass deutschen Banken im Jahr 2021 durch die Negativverzinsung Zinsaufwendungen in Höhe von 4,8 Mrd. Euro entstanden sind. Demgegenüber standen aber auch Zinserträge aus Refinanzierungsgeschäften mit dem Eurosystem in Höhe von 4 Mrd. Euro. Im vergangenen Jahr entfielen rund 2,4% der gesamten Zinserträge der deutschen Kreditinstitute auf Zinserträge aus der Einlagenfazilität und aus Refinanzierungsgeschäften mit dem Eurosystem.

Dabei war die Einlagefazilität ursprünglich nicht als risikolose Zinsertragsmaschine für die Banken konzipiert. Sie war eigentlich mal dazu gedacht, dass Banken über Nacht kurzfristig überschüssige Liquidität bei der EZB parken können, sofern die Bank für das Geld keine bessere Investitionsmöglichkeiten sieht. Diese scheinen Banken offenkundig nicht zu haben, was die EZB in eine Zwickmühle bringt: Schließlich macht sie nicht nur Geldpolitik und hat Interesse daran, dass ihre Zinserhöhungen auch in der Realwirtschaft ankommen. Sie ist gleichzeitig auch für die Aufsicht der Banken zuständig und hat in dieser Funktion durchaus ein Interesse daran, dass es den Banken gut geht – und das tut es nun mal, wenn diese hohe Gewinne erzielen. Die EZB muss also abwägen, wie stark sie die Banken mit den risikolosen Zinserträgen weiterhin subventionieren möchte. Denn allein darauf zu setzen, dass Banken eigene kreative und innovative Wege finden, um mehr Geld zu verdienen – das wäre schon ziemlich verrückt.

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