Naturkatastrophen

Versicherer setzen beim Schließen der Versicherungslücke auf den Staat

Naturkatastrophen treten infolge des Klimawandels immer häufiger auf. Dabei seien zwei Drittel der globalen Schäden nicht versichert, hieß es beim Treffen der Versicherungsbranche in Monaco.

Versicherer setzen beim Schließen der Versicherungslücke auf den Staat

Versicherer setzen beim Schließen der Versicherungslücke auf den Staat

Ein Großteil der von Naturkatastrophen verursachten Schäden ist nicht versichert – Risiken werden zum Teil an den Kapitalmarkt transferiert

tl Monaco

Das Erdbeben in Marokko mit schweren Verwüstungen und Hunderten von Toten bewegte auch die Versicherungsmanager beim "Rendez-Vous de Septembre" in Monaco. Sowohl Scor-Chef Thierry Léger  am Sonntag als auch am Tag darauf Hannover-Re-CEO Jean-Jacques Henchoz drückten zu Anfang ihrer Statements bei den Pressegesprächen ihrer Unternehmen ihr Mitgefühl mit den Opfern aus. Gleichzeitig diente das Unglück aber auch als Beispiel für die große Deckungslücke, die beim Versicherungsschutz weltweit herrscht. Nach Angaben von Henchoz sind zwei Drittel der Schäden weltweit nicht versichert, in sich entwickelnden Ländern ist es deutlich mehr. Für ihn ist klar: Die Grenzen der Versicherbarkeit müssen verschoben werden in Richtung mehr Versicherbarkeit.

Urs Baertschi von Swiss Re bezifferte die Versicherungslücke in der weltweiten Schadenversicherung (P&C) für 2022 auf 368 Mrd. Dollar. "Diese Lücke hat sich in den vergangenen Jahren in etwa analog zum Wachstum des Bruttoinlandsprodukts vergrößert. Die Versicherungsindustrie spielt eine zentrale Rolle beim Schließen dieser Lücke", sagte er in Monaco. Entscheidend seien dabei Leistbarkeit, Verfügbarkeit und Zugänglichkeit der entsprechenden, möglichst einfachen Produkte. "Dabei spielt die öffentliche Hand eine wichtige Rolle."

Staat beteiligt sich

Hannover-Re-Vorstandsmitglied Michael Pickel verwies auf sogenannte parametrische Lösungen, bei denen sofort beim Eintritt eines bestimmten, vorher definierten Ereignisses ausgezahlt wird. Dabei handelt es sich häufig um Fondslösungen, an denen neben Versicherern auch der Staat beteiligt ist. Eine solche Lösung gibt es auch in Marokko. Hannover Re arbeitet auch mit der KfW zusammen, wenn diese zum Beispiel in Lateinamerika Versicherungsexpertise benötigt.

Barrieren abbauen

Henchoz warnte die Staaten davor, weitere Handels- und Regulierungshemmnisse aufzubauen. "Unser Geschäftsmodell basiert auf dem freien Handel." Tatsächlich sei aber immer mehr Fragmentierung zu sehen. Dadurch würden die Rückversicherer in ihrer Arbeit behindert. Grundsätzlich zeigte er sich allerdings optimistisch zu den Geschäftsaussichten der Hannover Re. „Wir haben in den Erneuerungsrunden des laufenden Jahres deutlich adäquatere Preise und Konditionen erzielt. Allerdings reichen diese Verbesserungen in Anbetracht der nach wie vor anspruchsvollen Risikolage nicht aus.“ Als Risiken nannte er vor allem den Klimawandel und dabei insbesondere die sogenannten Secondary Perils, die in Form von Überschwemmungen, Stürmen und Dürre-Folgen eben nicht mehr zweit- oder nachrangig sind, sondern inzwischen, so Henchoz, zu den Top-Risiken gehören.

Beim Thema Inflation empfiehlt die Hannover Re in den Gesprächen den Erstversicherern, die Preissteigerungen an ihre Endkunden weiterzugeben. So hielt Pickel schon beim Rendez-Vous 2022 im deutschen Kfz-Geschäft eine zehnprozentige Prämiensteigerung für angemessen. Tatsächlich hätten sich aber am Markt nur 3% durchsetzen lassen, sagte er jetzt in Monaco. Um dies aufzuholen, aber auch neue Preissteigerungen zu berücksichtigen, sieht er nun ein Plus von 20% als angemessen an. Aber: "In einem Schritt wird das nicht möglich sein." Die Erstversicherer müssten Schritt für Schritt vorgehen.

Ähnlich wie die großen Wettbewerber Munich Re und Scor zeigte auch Hannover Re im Cybergeschäft Risikoappetit. Man sei bestrebt, zusätzliche Kapazitäten anzubieten. Allerdings seien aufgrund zunehmender Schäden und eines größeren Risikobewusstseins nach wie vor Kapazitätsengpässe zu beobachten. Zugleich haben Erst- und Rückversicherer ihre Limite reduziert, bis zu denen sie bereit waren, Risiken abzudecken. Außerdem konnten sie ihre Preise und Konditionen aus Sicht der Rückversicherer "deutlich verbessern". Vorstandsmitglied Sven Althoff zeigte sich bereit, im Cybergeschäft auch außerhalb von Nordamerika und Europa zu wachsen.

Transfer zum Kapitalmarkt

Hilfreich ist dabei auch, dass Hannover Re Risiken nicht nur auf die eigene Bilanz nimmt, sondern auch an den Kapitalmarkt abgibt. Für Cyberrisiken hat das der Rückversicherer erstmals Anfang dieses Jahres getan. Tradition haben Insurance-Linked Securities (ILS) schon für die Deckung von Katastrophenrisiken. Daneben platzieren die Hannoveraner aber auch schon seit Jahren Schaden- und Personenrückversicherungsrisiken und gehören damit zu den großen Playern auf dem ILS-Markt. Über Katastrophenanleihen weitergegeben werden aber nicht nur eigene Risiken, sondern auch solche von Kunden.

Häufiger und größer

Umfang und Häufigkeit von Naturkatastrophen nehmen weiter zu. Deshalb haben die Preise für Risikodeckungen in diesem Jahr auch deutlich zugelegt. Eine wichtige Rolle spielen dabei nicht zuletzt die inflationsbedingt gestiegenen Schadenkosten. Das bei Hannover Re für das Geschäft zuständige Vorstandsmitglied Silke Sehm betonte zwar einerseits die unveränderte Zeichnungsdisziplin. Die nahmen allerdings die meisten in Monaco anwesenden Marktteilnehmer für sich in Anspruch, was von den Ratingagenturen grundsätzlich bestätigt wurde. Andererseits habe man aber das Geschäft in diesem Jahr schon um 30% ausgeweitet, wobei absolute Zahlen nicht veröffentlicht werden.

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