CEO Hubert Spechtenhauser

Volldampf statt Ausklang bei Procredit

Hubert Spechtenhauser wollte eigentlich sein Berufsleben mit einigen Aufsichtsratsposten ausklingen lassen. Doch dann entwickelte sich bei der Bankengruppe Procredit alles anders, weil Russland die Ukraine angegriffen hat.

Volldampf statt Ausklang bei Procredit

Abrupte Rückkehr in den Volldampf-Modus

Wie Hubert Spechtenhauser statt Aufsichtsrat bei den Töchtern Chef der Bankengruppe Procredit wurde

Von Thomas List, Frankfurt
Von Thomas List, Frankfurt

Der erfahrene Bankmanager Hubert Spechtenhauser wollte eigentlich sein Berufsleben mit einigen Aufsichtsratsposten ausklingen lassen. Doch dann entwickelte sich durch Russlands Angriff auf die Ukraine bei der auf KMU-Kredite in Südosteuropa spezialisierten Bankengruppe Procredit alles anders.

Geplant waren einige wenige Aufsichtsratsmandate zum Ausklang einer langen, erfolgreichen Karriere in der Finanzdienstleistungsszene. Doch für Hubert Spechtenhauser (60) kam es ganz anders. Heute ist er Chef der in erster Linie in Südosteuropa aktiven Procredit-Bankengruppe. Dabei gelang der Start wunschgemäß. Nachdem er im Februar 2021 als Co-CEO einer Leasinggesellschaft ausgeschieden war, wurde er in die Aufsichtsräte der Procredit-Tochtergesellschaften in Bulgarien und Serbien berufen.

Kurz darauf sprach Spechtenhauser der damalige Aufsichtsratschef der Procredit Holding an und bot ihm den Posten des Risikovorstands der Holding an. Nach kurzer Bedenkzeit sagte Spechtenhauser zu. Aus einer Nebentätigkeit mit vier oder fünf Sitzungen pro Bank im Jahr war nun wieder ein Fulltime-Job geworden – „nicht gerade zur Freude meiner Familie“, wie der Manager im Gespräch mit der Börsen-Zeitung sagte.

Ukraine-Krieg bricht aus

Das galt umso mehr, als wenige Tage vor dem für 1. März 2022 geplanten Amtsantritt der Ukraine-Krieg ausbrach. „Das war eine große Belastung für die Gruppe. Denn die Tochter in der Ukraine war damals nach Bulgarien/Griechenland und Serbien die größte der Gruppe und steuerte auch einen bedeutenden Anteil des Gewinns bei.“ Die meisten der etwas über 300 Mitarbeiter brachten sich in der Ukraine oder im Ausland in Sicherheit, das unternehmenseigene Schulungszentrum im Odenwald wurde zur Notunterkunft.

Dank der weitgehenden Digitalisierung konnte der Geschäftsbetrieb aber aufrechterhalten werden. „Wir waren auch unmittelbar nach Beginn des Überfalls am 24. Februar 2022 durchgehend für unsere Kunden da“, berichtet Spechtenhauser. „Unser Betrieb war an keinem Tag unterbrochen.“ Inzwischen sind praktisch alle Mitarbeiter wieder in ihre Heimat und an ihren Arbeitsplatz zurückgekehrt.

Krieg hinterlässt Spuren

Trotzdem hinterließ der Krieg deutliche Spuren. Das Kreditportfolio in der Ukraine reduzierte sich um 27% auf 549 Mill. Euro per Ende Juni 2023, wobei der Rückgang in etwa zur Hälfte auf der Abwertung der ukrainischen Währung und zur anderen Hälfte auf Rückzahlungen beruhte, wie Spechtenhauser betonte. Damit entfallen nur 8,9% des gruppenweiten Kreditbestandes von 6,2 Mrd. Euro auf die Ukraine. Immerhin konnte die Tochter im ersten Halbjahr 2023 einen Gewinn von 12,4 Mill. Euro erwirtschaften.

Große Chancen rechnet sich Spechtenhauser beim Wiederaufbau des Landes nach Ende der Kampfhandlungen aus. „Wir sind die einzige deutsche Bank, die in der Ukraine vor Ort Geschäft betreibt.“ Filialen gibt es in Kiew, Odessa, Dnipro und Lwiw. Die Filiale in der monatelang von russischen Truppen besetzten Millionenstadt Charkiw wurde an den Hauptsitz in Kiew verlegt.

Der Krieg gefährdete aber auch die Passivseite der Procredit-Bilanz, wie Spechtenhauser schnell erfahren musste. Durch eine (durchaus übliche) Kriegsklausel hätten Refinanzierungen durch institutionelle Investoren sofort fällig gestellt werden können – nicht nur der Tochter vor Ort, sondern der ganzen Gruppe. „Dieses eher technische Risiko konnten wir aber schnell abwenden. Außerdem konnten wir Fitch überzeugen, unser Investment-Grade-Rating von ‚BBB (stable)‘ beizubehalten.“

Vor allem Kurzläufer

Die Gruppe refinanziert sich im Wesentlichen über bis zu einem Jahr laufende Einlagen von Privat- und Geschäftskunden. Geplant ist die Ausweitung des Privatkundengeschäfts. Da kurzlaufende Einlagen für die Bank vergleichsweise günstig sind und auch der überwiegende Teil der von der Gruppe ausgereichten Kredite variabel verzinst wird, will Spechtenhauser daran nichts ändern.

Nachdem im Laufe des vergangenen Jahres die größten (kriegsbedingten) Hürden aus dem Weg geräumt waren, ernannte der Holding-Aufsichtsrat Spechtenhauser zum Vorstandsvorsitzenden, eine Position, die es zuvor nicht gab. Sein Vertrag läuft bis Februar 2025.

Die anderen elf Märkte, in denen Procredit tätig ist, waren und sind weniger turbulent als die Ukraine. Volatil sind sie aber durchaus, wenn auch eher politisch wie Ecuador, das einzige Land, das von dem großen Geschäftsstellennetz in Südamerika noch übrigblieb und das immer stärker unter dem Drogenhandel leidet. Politisch turbulent geht es auch in Bosnien-Herzegowina, dem Kosovo und Serbien zu. „Unser Geschäft tangiert das eigentlich so gut wie gar nicht“, sagt Spechtenhauser dazu.

Auf allen Märkten – dazu kommen noch Bulgarien (mit einer Niederlassung in Griechenland), Nord-Mazedonien, Rumänien, Albanien, Georgien und Moldau – vergeben die Procredit-Töchter Betriebsmittel- und Investitionskredite an kleine und mittelgroße Unternehmen (KMU) vor allem in Handel, Landwirtschaft und Produktion.

Mikrokredite als Ursprung

„Die Gruppe kommt ursprünglich aus der Entwicklungszusammenarbeit und hat anfangs Mikrokredite vergeben. Schnell erkannten die Gründer aber, dass das keine Wachstumsstory ist und dass kleine und mittlere Unternehmen besser geeignet sind, um die wirtschaftliche, soziale und ökologische Entwicklung von Volkswirtschaften zu fördern. Deshalb ist man auf KMU-Kredite gegangen.“ In den vergangenen Jahren wurde das Geschäft digitalisiert und zentralisiert, wodurch die Zahl der Niederlassungen innerhalb von zehn Jahren von 645 auf 42 und die der Mitarbeiter von 11.500 auf 3.625 reduziert werden konnte. Außerdem zog sich Procredit aus Afrika und fast allen südamerikanischen Ländern zurück.

Für Spechtenhauser trägt das Geschäftsmodell auch für die Zukunft. „Unsere Eigenkapitalrendite lag im ersten Halbjahr bei 14,2%, nachdem sie im gesamten Vorjahr kriegsbedingt nur 1,9% erreichte. Mittelfristig liegt unsere Zielgröße bei etwa 12%.“

Altbewährte Dividendenpolitik

Für das Geschäftsjahr 2023 plant die Procredit Holding, zu ihrer langjährigen Dividendenpolitik zurückzukehren und der für Juni 2024 geplanten Hauptversammlung die Zahlung einer Dividende in Höhe von einem Drittel des Konzernergebnisses nach Steuern vorzuschlagen.

Die enge Beziehung zu den Kunden (Hausbank-Prinzip) und die in eigenen Akademien ausgebildeten Mitarbeiter ermöglichen eine hohe Portfolioqualität. Das zeigen nicht zuletzt die niedrigen Kreditausfallraten, die deutlich unter dem jeweiligen Landesschnitt liegen. „Wir sehen in allen Märkten, in denen wir jetzt vertreten sind, noch ein großes Wachstumspotenzial. Den Anteil grüner Kredite wollen wir auf 25% erhöhen.“ Pläne, in weitere Märkte zu gehen, gebe es nicht.

Die jetzt vollzogene Änderung der Rechtsform der Holding von einer Kommanditgesellschaft auf Aktien in eine Aktiengesellschaft erklärt Spechtenhauser mit der leichteren Vermittelbarkeit insbesondere bei ausländischen Investoren. „Die KGaA ist eine deutsche Spezialität, die ausländischen Investoren intransparent erscheint und immer erst mühsam erklärt werden muss.“ An der Eigentümerstruktur mit fünf Großaktionären, die über 61,3% der Anteile verfügen, wird sich durch den Rechtsformwechsel nichts ändern.

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