"Volumen kommt aus Asset-Tokenisierung"
Das Interesse institutioneller Investoren an Kryptowährungen ist geweckt. Einer Umfrage von Fidelity zufolge, haben schon gut 20 % der Investment-Profis in den USA erste Erfahrungen mit digitalen Assets gesammelt. Was es dafür braucht, sind Verwahrstellen, die den speziellen Anforderungen der Token-Ökonomie gerecht werden. Im deutschsprachigen Raum will das Start-up Finoa diesen entstehenden Bedarf bedienen und hat dafür die Infrastruktur einer “Crypto Custody” entwickelt. Finoa-Mitgründer Henrik Gebbing erwartet “ein signifikantes Marktwachstum aus der Tokenisierung von Vermögenswerten.” Herr Gebbing, mit Finoa entwickeln Sie eine digitale Verwahrstelle für tokenisierte Assets. Gibt es schon einen Markt für eine solche spezielle Dienstleistung?Den Markt gibt es schon – und dort, bei der Verwahrung digitaler Assets, befindet sich aktuell der größte Schmerzpunkt der Branche. Hintergrund ist, dass über die Jahre viele Krypto-Investmentfonds für digitale Assets entstanden sind, die schon Token-Investments vornehmen. Diese haben alle das Problem der Sicherungsverwahrung, also einen Custodian Partner in dem Bereich zu finden. Das wurde anfangs über eine Eigenverwahrung, also Self-Custody der Private Keys gelöst – dieser private Schlüssel wird für den sicheren Zugang zu einer Kryptowährung benötigt. Mit steigendem Investoreninteresse wurde angesichts gehackter Kryptobörsen von institutioneller Seite allerdings immer stärker hinterfragt, wo diese Private Keys tatsächlich liegen. Deshalb werden jetzt viele der Portfoliomanager vorsichtiger und suchen nach Anbietern wie Finoa. Wir registrieren auch immer mehr Interesse von traditionellen Finanzinstituten. Diese beschäftigen sich mit dem Thema, haben aber oft nicht die technischen Möglichkeiten. Denn deren Bankentechnologie kann Krypto-Assets nicht abbilden. Wie sieht es mit den rechtlichen Voraussetzungen aus? Zur Jahresmitte will die Bundesregierung ja ihre Blockchain-Strategie vorstellen – und vorab ist zu hören, dass es im Finanzmarkt zu einer grundsätzlichen Veränderung kommen soll: Für per Blockchain emittierte Wertpapiere soll die Pflicht zur zentralen Wertpapierverwahrung entfallen. Ist das ein Trigger für Finoa?Absolut. Wir wollten das von Anfang an langfristig als voll regulierter Dienstleister anbieten. Der “Wilde Westen” mit dem ICO- und Bitcoin-Hype 2017 konnte niemals nachhaltig sein. Wir waren immer der Ansicht, dass die Regulatorik hier nachziehen wird und muss. Wir sind auch selber aktiv im Austausch mit der BaFin. Die heutige Private-Key-Technologie wird von bestehenden Gesetzestexten noch nicht abgebildet. Die reine Sicherheitsverwahrung von Private Keys, ganz unabhängig vom Asset dahinter, ist ersten Indikationen von Rechtsberatern und der BaFin zufolge kein genehmigungspflichtiger Tatbestand. Im Rahmen der Konsultation zur Blockchain-Strategie erwarten wir, dass hier weiter Bewegung entsteht, um Klarheit für die regulatorische Behandlung zu schaffen. Finoa ist so positioniert, proaktiv reguliert zu sein. Ab wann ist die Auslagerung an einen spezialisierten Verwahrer Pflicht?Das kommt für traditionelle Assetklassen auf die Jurisdiktion und Fondsstruktur an. Grundsätzlich müssen alle Kapitalverwaltungsgesellschaften mit Verwahrstellen unterschiedlicher Güte zusammenarbeiten – das können auch zertifizierte Treuhänder sein. Das dürfte dann in der Kryptowelt ähnlich gehandhabt werden, ist unsere Prämisse. In etwa zwei Jahren dürfte es eine signifikante Kundennachfrage geben, weil man das als Asset- oder Portfoliomanager aufgrund der Regulatorik einfach tun muss. Heute rangieren viele der Kryptofonds noch zwischen 20 und 50 Mill. Euro AuM, was sich häufig noch unterhalb der Schwellwerte für spezifische Regulatorik befindet. Sie streben eine BaFin-Lizenz an. Bis wann sollte die vorliegen?Eine Lizenz streben wir an – aber ein genaues Datum lässt sich nicht beziffern. Unser Planungshorizont ist, dass es 2020/2021 so weit ist. Wir prüfen gerade, ob wir vorübergehend unter den Schirm eines regulierten Finanzinstituts schlüpfen können, als sogenanntes Haftungsdach. Damit könnten wir die Frist überbrücken, bis wir eine Lizenz haben. Außerdem haben wir bis heute noch keine belastbare Aussage von der Aufsicht, was für eine Lizenz anzustreben wäre. Kernstück Ihres technologischen Angebotes ist das blockchainadaptierte Kernbankensystem. Ist das nur ein Modul, das auf dem System einer Bank aufsetzt, oder ist das ein eigenes Kernbankensystem?Das ist ein eigenes Kernbankensystem, das wir dann als Institut mit eigener Lizenz betreiben möchten. Es stellt von daher einen interessanten Ansatzpunkt dar, da ein heutiges Kernbankensystem digitale Assets gar nicht abbilden kann. Das fängt an mit den Nachkommastellen, was in heutigen Systemen auf sechs Nachkommastellen begrenzt ist – und Bitcoin arbeitet mit acht Nachkommastellen, andere digitale Assets mit wesentlich mehr. Zwar sieht man, dass sich bei den klassischen Kernbankensystem-Anbietern wie Avaloq langsam etwas tut. Kernlösung wird jedoch etwas sein, wie es Finoa anbietet: eine Kombination von Hardware-Security-Modulen (HSM) mit einer mobilen Applikation. Heutige Verwahrungslösungen sind meist sehr undigital – da geht der Private Key auf Papier oder einen USB-Stick in eine Offline-Umgebung. Es dauert dann bis zu 24 Stunden, um ein Asset wieder liquide und handelbar zu machen. Das kann nicht die Zukunft der digitalen Assets sein. In unserer IT-Umgebung stehen die Assets in 60 bis 120 Sekunden wieder zur Verfügung. Wie viel wurde für die Finoa-Infrastruktur bislang investiert?Dass wir heute schon operativ tätig sein können mit dem Onboarding erster Kunden, ist eine Kombination aus dem, was wir inklusive kleinerer Angels bislang investiert haben plus das, was uns dank der Historie von Mitgründer Matthias Albrecht zur Verfügung steht. Das Kernbankensystem zum Beispiel stammt aus seiner Feder, was er auf Blockchain umgeschrieben hat. Das hätte uns im externen Markt sicher 1,5 Mill. Euro gekostet. Darüber hinaus sind wir aktuell in einer Finanzierungsrunde, die unser Wachstum weiter beschleunigen soll. Hier hoffen wir, bald ebenfalls Vollzug zu melden. Beim Pricing setzt Finoa auf eine reine Gebühr für verwahrte Assets under Management. Das heißt, Sie sind sehr optimistisch, dass das Volumen tokenisierter Assets stark anziehen wird?Ja, wir erwarten signifikantes Marktwachstum aus der Tokenisierung von Vermögenswerten. Mit unserem Pricing lehnen wir uns am klassischen Preismodell der Verwahrer an, wo es einfach um Basispunkte auf die Assets under Custody geht. Die Preisstrukturen sind natürlich andere, was daran liegt, dass die Verwahrlösung digitaler Assets eine höhere technische Expertise verlangt. Noch vor sechs Monaten wurden im Markt 120 Basispunkte auf Jahressicht veranschlagt, was aber nicht nachhaltig ist. Wir unternehmen einiges, um die Private Keys unter allen Umständen geschützt zu halten. Das ist das Ziel unserer Architektur. Bei einer physisch vorhandenen Globalurkunde, die elektronisch repliziert wird, besteht ein anderes Risiko als bei nativen digitalen Assets – und das ist anders zu bepreisen. Sind Sie auch Dienstleister für klassische Verwahrer, die per Schnittstelle mit Finoa verbunden sind?Heute ist das noch nicht so. Klassische Kunden sind Kryptoasset-Manager sowie STO-Plattformen. Das sind Emittenten von Security Token Offerings (STOs), die ihren Investoren zu den Token eine Sicherheiten-Verwahrung anbieten. Denn für viele neue Investoren kommt ein eigenes Management der Private Keys nicht in Frage. Von den klassischen Verwahrern haben wir auch schon Anfragen bekommen, ob wir das als sogenannter Sub-Custodian anbieten. Das könnten wir, denn es wäre eine reine Schnittstellen-Integration. Aber aktuell ist der Kryptomarkt noch nicht groß genug für Adressen wie BNP Paribas und State Street, was Unternehmen wie dem unseren Entfaltungsmöglichkeiten bietet. Wir gehen davon aus, dass sich für uns das Wachstum zunächst aus dem Bereich STO ergeben wird. Außerdem dürfte Volumen aus der Tokenisierung von klassischen Assets kommen. Das wären dann KMU-Anteile, Real-Estate-Anteile oder VC-Anteile. Finoa ist komplett agnostisch, über welches Protokoll oder welche Blockchain das läuft. Wir wollen Finoa so aufbauen, dass klassische Finanzinstitute, Assetmanager, aber auch Industrieunternehmen mit Exposure zu digitalen Assets unsere Plattform nutzen können – so wie zum Beispiel Bosch mit Nutzung des Internets der Dinge, wo die Kryptowährung Iota für das Bezahlen von Maschine-zu-Maschine getestet wurde. Deutsche Börse und Swisscom bauen ein Ökosystem für digitale Assets auf. Wie sehen Sie diese Partnerschaft, und wie beurteilen Sie den Schweizer Markt?Den Schweizer Markt kennen wir gut, denn Finoa wurde in der Schweiz gegründet, mit Sitz in Zug. Mittlerweile haben wir mit der GmbH den Umzug nach Deutschland vollzogen, was verschiedene Gründe hat. Zum einen hatten wir erwartet, dass sich die Schweizer Regulierung mit der Finma wesentlich schneller bewegen würde als die BaFin – was sich aus unserer Sicht nicht bewahrheitet hat. Seit Anfang 2019 sehen wir sehr positive Bewegungen in Deutschland, auch aus Kundensicht. Deshalb fiel der Entschluss, das aus einer BaFin-Regulierung heraus aufzubauen. Trotzdem ist der Schweizer Markt natürlich weiter interessant für uns – und der Schritt der Deutschen Börse dorthin sicher eine gute Entwicklung für das ganze Ökosystem digitaler Assets. Wir schauen darauf, wie schnell es Deutsche Börse und Swisscom zusammen schaffen, in dem Bereich Dienstleistungen anzubieten. Dass sich die Deutsche Börse einem Schweizer Konglomerat anschließt, spricht natürlich nicht unbedingt für den deutschen Markt – auch wenn es jetzt aus unserer Sicht in die richtige Richtung geht. Das Interview führte Björn Godenrath.