"Vom Mobile-Payment-Boom kann noch keine Rede sein"
Der deutsche E-Payment-Markt mit Zahlungsverkehrsdienstleistungen wie dem Bezahlen im Internet, Geldtransaktionen über mobile Endgeräte und Point-of-Sale-Transaktionen ist ein vielversprechender Milliardenmarkt. Welche Anteile sich Anbieter sichern werden, ist noch offen. Der Markt steckt in Teilen noch in den Anfängen: Die Bekanntheit von mobilen und kontaktlosen Bezahlverfahren etwa nimmt zwar zu, doch durchgesetzt haben sich die Verfahren bislang nicht. Seit 2013 bietet das Start-up Yapital des Hamburger Handelskonzerns Otto mobile Bezahllösungen. An ausreichend Kunden mangelt es noch.- Herr Berg, Yapital ist als ein Startup-Unternehmen des Handelskonzerns Otto Group 2011 gestartet. Was ist und was macht Yapital?Die Yapital Financial AG als Tochtergesellschaft der Otto Group ist ein in Luxemburg lizenziertes E-Geld-Institut mit rund 120 Mitarbeitern. Die Gesellschaft betreibt das erste europäische Cross-Channel-Payment, ein bargeldloses Bezahlsystem über alle Kanäle hinweg. Kunden können mit Yapital stationär bezahlen, aber auch mobil, online und per Rechnung. Zudem können Kunden sich kostenlos Geld einfach per E-Mail senden und empfangen – in Echtzeit.- Mit wem lässt sich Yapital am ehesten vergleichen, wer sind Ihre Wettbewerber?Als kanalübergreifendes Bezahlsystem überschneidet sich Yapital mit anderen Diensten nur in Teilen – auch mit Paypal. Wir verfolgen einen Multikanalsansatz, während Paypal auf E-Commerce, auf klassische Online-Transaktionen, fokussiert ist.- Die Otto-Gruppe hat Yapital als bargeldloses Bezahlsystem gestartet, von dem es hieß, es könne eine deutsche Antwort auf Paypal werden. Warum ist Yapital bislang kaum sichtbar?Es war beim Start von Yapital nicht das Ziel, einen deutschen Paypal-Konkurrenten zu etablieren. Vielmehr sollte für die Kunden der Konzerngesellschaften ein eigenes bargeldloses Bezahlsystem geschaffen werden. Nach Gesprächen mit Händlern ergab sich die Anforderung, das Bezahlsystem auch für den Offline-Betrieb bereitzustellen. Daraufhin haben wir ein Multikanalkonzept für Yapital entwickelt. Inzwischen ist es ein für alle Händler offenes System.- Inzwischen wird aber auch geunkt, Yapital sei ein Flop und werde bald aufgegeben.Von einem Flop kann keine Rede sein. Wir haben auf Händlerseite große Schritte gemacht und waren erfolgreich. Richtig ist aber, dass wir mit den Nutzerzahlen nicht da sind, wo wir hinwollen.- Warum?Wir konnten über die Otto-Konzerngesellschaften nicht so viele Kunden gewinnen wie zunächst erwartet. Zudem entwickelt sich das mobile Bezahlen langsamer als gedacht. Von einem Mobile-Payment-Boom kann bislang noch keine Rede sein. Ich bin aber überzeugt davon, dass wir am Beginn einer starken Wachstumsphase stehen.- Ist Yapital denn in der Lage, dieses Wachstum für sich zu nutzen?Yapital hat alle Voraussetzungen, um am Wachstum des Marktes zu partizipieren. Bei den Verbindungen zum Handel sind wir bereits weit vorangekommen, wie die stetig wachsende Yapital-Partnerliste zeigt. Und wir verfügen über die technischen Voraussetzungen, diese Händlerreichweite schnell auszubauen.- Sie werben damit, dass Nutzer nach Anmeldung bei Yapital und nach dem Scan eines QR(Quick-Response)-Codes mit der Yapital-App sowie einem Bestätigungs-Klick bestimmte Produkte sofort in der Hand halten. Sehen Sie den QR-Code-basierten Ansatz als zukunftsfähig an? Oder muss sich Yapital nicht der NFC(Near Field Communication)-Technologie öffnen, weil diese sich durchsetzt und QR im Zahlungsverkehr zu umständlich ist?Die QR-Code-Technologie bietet den großen Vorteil, dass sie auf allen Vertriebskanälen einsetzbar ist – ob nun im Stationärhandel, online oder beim Kauf auf Rechnung. Der Bezahlvorgang bleibt immer der gleiche. Das gilt auch für unser Feature Scan2Order, das dem Handel einen neuen, rund um die Uhr zugänglichen, zusätzlichen Vertriebsweg und damit neue Umsatzpotenziale eröffnet. Yapital ist aber grundsätzlich so aufgesetzt, dass wir auch kurzfristig neue Technologien adaptieren können. Sollte sich NFC am Markt durchsetzen, was im Moment der Fall zu sein scheint, werden wir entsprechend reagieren und prüfen dies bereits.- Studien besagen, dass es derzeit in Deutschland rund 200 000 Menschen gibt, die mobil bezahlen.Ja, das ist noch keine große Zahl. Wir haben den Markt und die Entwicklungsgeschwindigkeit überschätzt. Aber Yapital befindet sich in einer starken Start-Position.- Wie viele private Nutzer hat Yapital derzeit?Wir nähern uns der Marke von 100 000.- Wie viele private Nutzer benötigen Sie, damit Yapital ein Erfolg wird?Wir gehen davon aus, dass ein mobiles Bezahlsystem relevant ist, wenn es 3,5 bis 5 Millionen Nutzer hat.- Wie wollen Sie auf diese Zahl kommen?Wir führen derzeit Gespräche mit möglichen strategischen Partnern. Wenn wir vor einer Boomphase stehen, muss man schnell skalieren können. Am besten geht das mit einem Partner, der schon über eine große Kundenreichweite verfügt.- Mit wem verhandeln Sie?Dazu kann ich mich nicht äußern.- Kritiker sagen, Yapital biete als alternative Payment-Lösung im E-Commerce keinen Mehrwert, da sie allein auf das Bezahlen ausgerichtet sei, was Konsumenten aber nicht reiche. Was sagen Sie dazu?Dem kann ich nur entschieden widersprechen. Zunächst einmal möchte der Kunde einfach, schnell, sicher und bequem bezahlen – und das bestenfalls auf allen Einkaufskanälen mit ein und derselben Methode. Das bietet Yapital – und das allein ist schon ein relevanter Mehrwert. Hinzu kommt, dass wir unseren Nutzern schon jetzt eine sekundengenaue Transaktionsübersicht bieten. Wir ermöglichen kostenfrei das Senden von Geld an andere Yapital-Nutzer, aus der Yapital App oder dem Yapital Account heraus und in Echtzeit. Wir haben außerdem einen nützlichen Shopfinder integriert. Es gibt also schon jetzt diverse Zusatznutzen. Gleichzeitig geht es aber immer wieder und ganz entscheidend um die User Experience, um das Kundenerlebnis. Dazu mag es mittelfristig auch gehören, Couponing- oder Loyalty-Programme einzubinden. Das prüfen wir natürlich. Wichtig ist aber auch, die App nicht zu überfrachten und den Nutzer damit zu überfordern.- Kritiker monieren auch, Yapital fehle der Zugang zum Warenkorb der Kunden, auf den es jedoch Händlern mit Blick auf gezielte Angebote ankomme.Wir haben immer gesagt, dass die Daten des Händlers allein ihm gehören. Wir verdienen an der Transaktion. Punkt. Diese Strategie wird auf Handelsseite übrigens sehr positiv aufgenommen, von vielen sogar für eine Zusammenarbeit explizit vorausgesetzt. Sollte sich diese Haltung im Handel ändern, ist unsere Plattform technisch in der Lage, auch Warenkorbinformationen in der Transaktion aufzunehmen und zu verarbeiten. Wir richten uns da ganz nach den Wünschen der Händler.- Wie könnte sich das mobile Bezahlen denn schneller verbreiten und durchsetzen?Es bedarf der Aufklärung. Es geht darum, ein Bewusstsein für die Möglichkeiten von Mobile Payment, Aufmerksamkeit auf Konsumentenseite zu schaffen. Dabei helfen natürlich auch Medienberichte über die Pläne von Apple mit Apple Pay.- Sprechen die Zahlungsgewohnheiten in Deutschland nicht eher gegen ein schnelles Wachstum des mobilen Bezahlens?Es ist richtig: Die Deutschen sind bargeldorientiert. Der Anteil der Bezahlvorgänge mit Bargeld liegt hierzulande immer noch bei über 50 %. Wir glauben aber, dass dieser Anteil in den nächsten fünf bis zehn Jahren rapide fallen wird. Neben dem elektronischen ist auch das mobile Bezahlen auf dem Vormarsch.- Was macht Sie da so zuversichtlich? Bestimmte Verfahren wie das Bezahlen mit Kreditkarten, die in anderen Ländern gebräuchlich sind, haben sich in Deutschland bislang nicht durchgesetzt.Die Deutschen wollen nicht auf Pump leben, sondern möglichst schuldenfrei. Beim mobilen Bezahlen geht es wie beim Bezahlen mit der Debitkarte in der Regel nicht um Transaktionen mit hohen Beträgen. Es geht also vor allem darum, dass die Möglichkeiten, im Handel und im täglichen Leben mobil zu bezahlen, zunehmen, und darum, dass der Bezahlvorgang möglichst einfach ist. Wer die Schwelle zum mobilen Bezahlen erst einmal überschritten hat, wird bald merken, wie bequem und sicher diese Form des Bezahlens ist. Durch die Digitalisierung des Bezahlvorgangs wird das Kauferlebnis verbessert. Dies wird dazu führen, dass der Bargeldverkehr im Handel abnimmt.- Das konservative Bezahlverhalten in Deutschland beruht aber doch immer noch auf weit verbreiteten Sicherheitsbedenken. Ist die Erwartung nicht zu optimistisch, dass sich der Bargeldanteil im Zahlungsverkehr schon in fünf bis zehn Jahren deutlich verringern wird?Es gibt zu diesem Thema unterschiedliche Studien. Eine Untersuchung, die wir 2014 in Auftrag gegeben haben, kommt zu dem Ergebnis, dass es in Deutschland eine Bereitschaft von 30 % für das mobile Bezahlen gibt. In jüngeren Studien aus diesem Jahr liegt diese Aufgeschlossenheit bereits bei bis zu 70 %. Noch einmal: Mein Eindruck ist, dass das persönliche Erlebnis des mobilen Bezahlens eine wichtige Rolle spielt. Ich würde höchstens von einer gefühlten Unsicherheit sprechen, die das Bezahlen mit Smartphone bislang beschränkt.- Ist das System des mobilen Bezahlens denn sicher?Ja. Yapital ist wie Paypal ein lizenziertes E-Geld-Institut. Das heißt, unser Angebot unterliegt einer Regulierung und muss Sicherheitsstandards erfüllen. Wer das Angebot nutzt, wird schnell merken, dass das Bezahlen mit dem Smartphone nicht nur bequem und schnell, sondern auch sicher ist. Im Übrigen läuft man mit Bargeld immer auch Gefahr, sein Portemonnaie zu verlieren.- Anbieter wie die Ebay-Tochter Paypal haben sich als internationale Anbieter im digitalen Zahlungsverkehr schon positioniert. Ist der Zug für Europa, für Deutschland, schon abgefahren, einen relevanten Wettbewerber zu etablieren?Paypal ist auf Online-Transaktionen ausgerichtet. Der Markt für Anbieter mobiler Bezahlsysteme steckt noch in den Anfängen. Dass aus Europa oder Deutschland Anbieter mit globaler Relevanz kommen werden, halte ich eher für unwahrscheinlich. Allerdings ist Europa ein heterogener Markt mit verschiedenen Gesetzgebungen und Sprachen, der für viele internationale Player nicht einfach zu erschließen ist. Das verschafft Anbietern aus Europa einen gewissen Raum, sich zu etablieren.- Wer wird beim mobilen Bezahlen den größten Teil vom Kuchen ergattern: die traditionelle Kreditwirtschaft, die großen amerikanischen Kartendienstleister oder neue Anbieter?Als E-Commerce vor 15 Jahren seinen Anfang nahm, haben viele Kataloghändler dies als Bedrohung wahrgenommen für ihr Kerngeschäft. Die Otto Group hat dagegen stark auf die neue Technologie gesetzt. Ähnlich wie damals die Konkurrenten verhält sich heute noch die Kreditwirtschaft. Die Erkenntnis, im Bereich des Online- und des mobilen Bezahlens zu handeln, ist vorhanden. Allerdings lautet die Devise offenbar, dem Kerngeschäft möglichst wenig Schaden zuzufügen. Die Banken scheinen vor allem Profitpools verteidigen und neues Marktpotenzial eben nicht bestmöglich ausschöpfen zu wollen. Hier werden aus meiner Sicht nicht alle Möglichkeiten aktiv ausgeschöpft.- Wie wird der Markt der Anbieter von mobilen Bezahlsystemen in zehn Jahren aussehen?Wir gehen davon aus, dass es langfristig vier bis fünf global agierende Anbieter für mobiles Bezahlen geben wird, ergänzt um jeweils zwei bis drei in einzelnen Kernregionen wie Europa, Nordamerika und Asien. Hinzu kommen noch lokale Anbieter, die sich auf lokale Anforderungen spezialisieren, die aber nicht über die notwendige Größe für internationales Geschäft verfügen.- Welche Rolle wird die deutsche Kreditwirtschaft spielen, die – bislang zumindest – noch keine eigene, gemeinsame Lösung für das mobile Bezahlen etabliert hat?Die Kreditinstitute haben dafür gute Voraussetzungen, weil sie über einen sehr großen Kundenstamm verfügen, für die Zahlungsverkehr ein tägliches Thema ist. Sie müssen sich aber auf die speziellen Anforderungen einer digitalisierten Ökonomie einlassen, etwa mit passenden Entscheidungsgeschwindigkeiten und Produktinnovationen. Die inzwischen erreichte Übereinkunft aller drei Institutsgruppen zur Zusammenarbeit im Mobile-Payment-Geschäft ist dabei sicherlich hilfreich.- Warum haben sich Initiativen wie Girosolution bislang nicht durchgesetzt?Es hat an Convenience gefehlt. Es war einfacher, mit E-Mail-Adresse und Passwort zu bezahlen als über eine Extra-Hardware. Kunden wollen Sicherheit beim Bezahlen – dies werden alle Anbieter bieten müssen. Aber sie wollen auch bequem und schnell zahlen können. Und das Bezahlen muss zu ihnen passen. Das heißt, es muss auch cool sein, wie man bezahlt. Banken haben sich bislang von Technik und Sicherheit leiten lassen. Kunden benötigen aber nicht unbedingt maximale Sicherheit. Es reicht ihnen zu wissen, dass Zahlungen sicher genug sind.- Ist die Kreditwirtschaft nicht im Vorteil, weil ihre Verfahren mehr Sicherheit versprechen?Wenn die Banken nur mit Sicherheit für sich werben können, dann sind sie meines Erachtens nicht im Vorteil.- Sehen Sie Potenzial für Yapital, bei der Kundenzahl zu Paypal aufzuschließen, die in Deutschland etwa 12 Millionen Kunden hat?Das ist nicht unser vorrangiges Ziel. Yapital soll mindestens das dritt- oder viertstärkste Medium im Point-of-Sale-Bereich, also im Stationärhandel, werden. So kommen wir auf ein Ziel von 3,5 bis 5 Millionen Nutzer. Wenn es mehr werden sollten, würden wir uns nicht dagegen wehren. Wir suchen einen strategischen Partner, der ein Potenzial von deutlich über 3,5 Millionen Kunden mitbringt.- Wann erwarten Sie eine Entscheidung, wie es mit Yapital weitergeht?Eine Entscheidung in sechs bis zwölf Monaten halte ich für realistisch. Wichtiger als der Zeitpunkt der Entscheidung ist für uns aber, den richtigen Partner zu finden. Eine solche Vereinbarung trifft man nur einmal. Da muss der Partner passen.- Wie viel Anteile würde der Otto-Konzern an Yapital denn abgeben?Das hängt davon ab, wer Partner wird. Ein Partner, bei dem Yapital Teil eines zentralen Geschäftsbereichs würde, wäre mit einer 20-Prozent-Beteiligung sicherlich nicht zufrieden. Für einen Partner, der Yapital als Eintritt in den deutschen Markt nutzen will, wäre der stufenweise Aufbau einer Beteiligung möglicherweise sinnvoll.- Ist es denkbar, dass die Otto-Gruppe Yapital vollständig verkauft?Denkbar ist das, es deutet aber nichts darauf hin.- Wenn Sie in zwölf Monaten keinen Partner finden, wird das Yapital-Projekt dann beerdigt?Aufgrund des Interesses, das uns im Markt entgegengebracht wird, halte ich ein Aus für Yapital für unwahrscheinlich.—-Das Interview führte Carsten Steevens.