Vom Tourismus sollen alle profitieren
Die Freude am Reisen ist ungebrochen. 2018 verreisten 1,4 Milliarden Menschen. Bis 2030 wächst die Zahl nach Schätzungen der UN-Tourismusorganisation UNWTO auf rund 1,8 Milliarden. Damit ist und bleibt der Tourismus eine der am stärksten wachsenden Branchen weltweit. Im neunten Jahr in Folge übertrifft die Reisebranche das Weltwirtschaftswachstum – 2018 sogar um 50 %. Für die Niedersachsen gehören übrigens Spanien, die Türkei und Griechenland zu den beliebtesten Reisezielen in diesem Sommer.Die volkswirtschaftlichen Effekte für die einzelnen Reisegebiete sind erheblich – und werden oftmals unterschätzt. Wer weiß schon, dass in Deutschland rund 10 % der Arbeitsplätze vom Tourismus ab-hängen und die Branche insgesamt etwa 7 % zur Bruttowertschöpfung beiträgt? Noch höhere Werte finden sich in den südlichen EU-Staaten. In Portugal, Spanien, Italien und Griechenland liegen die Beschäftigungseffekte der Reisewirtschaft zwischen 15 und 25 % aller Arbeitsplätze. Ähnliches gilt auch für den Beitrag zum Bruttoinlandsprodukt (BIP). Herausfordernder MarktDoch wirtschaftlicher Erfolg ist für Reiseunternehmen kein Selbstläufer. Der Markt ist herausfordernd – gerade für klassische Veranstalter und Airlines. Dafür gibt es im Wesentlichen zwei Gründe. Erstens ist und bleibt die Tourismusbranche ein zyklisches Geschäft. So führt ein heißer mitteleuropäischer Sommer dazu, dass weniger Menschen in den Süden reisen. Zweitens drängen neue Wettbewerber wie Online-Buchungsplattformen oder globale Tech-Giganten auf den Markt und stellen etablierte Geschäftsmodelle infrage.Der neue Wettbewerb macht es Veranstaltern alter Schule – die als Händler auf dem Reisemarkt auftreten – schwer, auskömmliche Margen zu erzielen. Die TUI Group hat frühzeitig begonnen, ihr Geschäftsmodell zu transformieren. Mit der strategischen Neuausrichtung seit Ende 2014 bauen wir das Hotel-, Kreuzfahrt- und Zielgebietsgeschäft systematisch aus. Wir entwickeln, investieren und betreiben. Heute sind wir der größte Anbieter von Urlaubserlebnissen entlang der kompletten Wertschöpfungskette: 27 Millionen Kunden vertrauen der Marke TUI von der Beratung über den Flug und Transfers bis zu unseren Hotels und Kreuzfahrtschiffen. Auch bei Ausflügen vor Ort buchen unsere Gäste unsere Qualität. Bereits 70 % unseres Geschäftsergebnisses stammen aus solchen Urlaubserlebnissen – auf das eingangs erwähnte klassische Veranstalter- und Airline-Geschäft entfallen nur noch 30 %. Vorreiter bei DigitalisierungAuch beim Thema Digitalisierung zählen wir zu den Vorreitern: Blockchain-Technologie kommt bei uns bereits standardmäßig zum Einsatz, um Hotelbettenkontingente effizient dort zu vermarkten, wo die größte Nachfrage ist und bessere Margen erzielt werden können. Big Data und Künstliche Intelligenz (KI) erleichtern es uns, die Wünsche unserer Gäste noch besser zu antizipieren und schon bei der Urlaubsplanung am heimischen iPad personalisierte Vorschläge zu unterbreiten.Auch bei unseren Zukäufen sind wir auf Digitalisierung ausgerichtet. So steigt die TUI Group mit der Übernahme des italienischen Technologie-Start-ups Musement zu einem der größten Anbieter im Wachstumsmarkt der Urlaubsaktivitäten auf. Im Stile der Plattformökonomie arbeiten wir auch mit qualitätsgeprüften Drittanbietern vor Ort zusammen, die Urlaubsgästen online Ausflüge und Aktivitäten anbieten. Unsere Plattform ist der Marktplatz für Kunden und Anbieter.Unser Kerngeschäft mit eigenen Hotels, eigenen Kreuzfahrtschiffen und Aktivitäten am Urlaubsort ist hochprofitabel und auf Wachstum ausgerichtet. Die Bilanz ist stark, der ROIC (Return on Invested Capital) lag zuletzt bei 23 % und damit weit über den Kapitalkosten. Wir sind strategisch und wirtschaftlich hervorragend aufgestellt und investieren weiter: Allein in dieser Sommersaison eröffnen in elf Ländern 20 neue Hotels unserer internationalen Marken. In den Destinationen arbeitet natürlich auch der Großteil unserer rund 70 000 Mitarbeiter, da wir vor Ort “produzieren”. Gut für die BevölkerungDamit gehen Chancen einher, die weit über das eigene Unternehmen hinausreichen. Wo Reisekonzerne wie die TUI Group investieren, werden zugleich Einkommen, Bildung, Infrastruktur, medizinische Versorgung und vieles mehr angestoßen. Davon profitiert die Bevölkerung vor Ort. Gerade in Schwellen- und Entwicklungsländern erlebe ich immer wieder, welche Perspektiven der Tourismus den Menschen vor Ort eröffnet. Siehe Afrika: Der Tourismus bietet dort heute bereits 10 Millionen direkte Arbeitsplätze. Inklusive aller Effekte auf andere Branchen wie Bauindustrie, Landwirtschaft, Telekommunikation und vieles mehr sind es gar 25 Millionen Jobs, die den Menschen Perspektiven auf sicheres Einkommen und bescheidenen Wohlstand bieten.Die 67 Millionen Urlauber, die den Kontinent 2018 besucht haben, gaben dort rund 40 Mrd. Dollar aus – das entspricht fast der gesamten Entwicklungshilfe der Staatengemeinschaft für Afrika. Tourismus birgt damit auch eine entwicklungs- und außenpolitische Dimension. Das wird mehr denn je wahrgenommen, wie auch die jüngst von der Bundesregierung vorgelegten Eckpunkte für eine Tourismusstrategie zeigen: Eines von drei Kernzielen lautet, durch die Tourismuswirtschaft zur internationalen Stabilität beizutragen.Die Wachstumsperspektiven für den Tourismus freuen also nicht nur uns als Konzern, sondern bergen erhebliche Chancen für die Reiseregionen in aller Welt. Zwingende Voraussetzung ist allerdings, dass das Wachstum nachhaltig erfolgt, denn: Unsere Kunden wollen eine unversehrte Natur erleben, an sauberen Stränden baden und in den Reisezielen als Gäste willkommen sein. Wie sind wir hier aufgestellt? Es zahlt sich ausFür den Schutz von Umwelt und Klima investieren wir viele Millionen Euro in neueste Technologien. Das zahlt sich aus. Vier Beispiele: Unsere britische und unsere deutsche Fluggesellschaft stehen im renommierten atmosfair Airline Index weltweit auf Platz 1 und 4 – von insgesamt 125 Airlines. Im Hotelbereich zählen wir bei erneuerbaren Energien zu den Vorreitern. So produziert die Solaranlage des süditalienischen Robinson Clubs Apulia seit Sommer 2018 rund 1 400 Megawattstunden Strom pro Jahr – und ist damit eine der größten Hotelsolaranlagen europaweit.Auf hoher See betreiben wir eine der modernsten Flotten und konnten beispielsweise die CO2-Emissionen pro Kreuzfahrtpassagier und Übernachtung von 2015 bis 2018 um rund 12 % verringern. Und die TUI-Tochter Hapag-Lloyd Cruises nutzt für ihren jüngsten Neubau Hanseatic nature in besonders schützenswerten Gebieten schadstoffarmes Marine-Gasöl als Treibstoff – ab Juli 2020 wird dies auf allen Routen der Expeditionsflotte gelten. Menschen vor Ort einbindenUnsere Bemühungen für mehr Nachhaltigkeit sind aber nur dann erfolgreich, wenn es uns gelingt, unsere Kunden dafür zu begeistern und die Menschen vor Ort einzubinden. Die TUI Care Foundation forciert die positive Gestaltungskraft des Tourismus in über 30 Projekten weltweit in besonderer Weise. Zwei Beispiele, die mich begeistern: Im vietnamesischen Hue hat die TUI Care Foundation 2018 ein Bildungsprojekt ins Leben gerufen, das 350 benachteiligten jungen Menschen eine Berufsausbildung und Praktika bietet. Zugleich werden ihre Familien bei ihrer Finanzplanung unterstützt und ermutigt, jüngere Kinder weiterhin zur Schule zu schicken.Und auf Kreta unterstützt die Stiftung rund 200 Kleinbauern dabei, den Übergang zu einem nachhaltigen Anbau von Weintrauben und Oliven zu meistern. Zudem vernetzt die Stiftung die Bauern direkt mit dem Tourismussektor – damit Hotelküchen lokales Olivenöl verwenden, Restaurants lokale Weine servieren, Geschäfte diese lokalen Produkte vertreiben und Ausflugsprogramme diese Angebote Besuchern präsentieren.Die Gestaltungskraft des Tourismus reicht also viel weiter, als Menschen die schönste Zeit des Jahres zu ermöglichen. Unser Ziel ist es, dass alle vom Tourismus profitieren – die Urlauber ebenso wie die Mitarbeiter von Hotels, Einzelhändler, Gaststättenbetreiber und Landwirte in den Reisegebieten und damit breite Bevölkerungsschichten. Je besser uns das gemeinsam mit den Behörden und der Politik vor Ort gelingt, desto besser sind unsere Angebote und desto mehr Urlauber verreisen mit uns – was wiederum gut für unsere Anteilseigner und Hannover als Sitz unseres Unternehmens ist. Birgit Conix, Chief Financial Officer der TUI Group