Vontobel gibt das Brokerage auf

Die Zürcher Bank sieht für ihren ältesten Geschäftszweig keine Zukunft mehr

Vontobel gibt das Brokerage auf

dz Zürich – Vontobel sieht ihre Zukunft als “reines Buy-Side-Investmenthaus”. Für das Kapitalmarktgeschäft, mit dem die 95-jährige Bank groß geworden war, gibt es in dieser Strategie keinen Platz mehr. Die Ankündigung kommt zunächst überraschend. Die Sell-Side-Analysen des Zürcher Wertpapiermaklers genießen bei den Investoren einen guten Ruf. Neunmal in Folge holte sich Vontobel den Extel-Thomson-Preis als bestes Schweizer Aktienhaus, und die vergleichsweise kleine Familienbank ist im Schweizer Kapitalmarkt hochaktiv. 2018 begleitete sie 23 Unternehmen bei Kapitalmarkt- oder M&A-Transaktionen. An fünf Börsengängen an der Six Swiss Exchange war sie im vergangenen Jahr maßgeblich beteiligt. Der Name Vontobel stand auch bei mehreren Kapitalerhöhungen als Underwriter auf den Emissionsprospekten. Wenn sich die Bank Vontobel in ihrem Jahresbericht selbst als eine führende Akteurin im Schweizer Aktienkapitalmarkt beschreibt, dann ist das keine Übertreibung.Doch im Wertschriftenhandel, der sich durch transaktionsbasierte Provisionen finanzieren muss, sind die Perspektiven selbst für solche Adressen wenig rosig. Der Druck auf die Margen nimmt seit Jahren zu und hat nun offensichtlich einen Punkt erreicht, an dem auch Vontobel das Handtuch wirft. Zwar betonte ein Sprecher auf Anfrage, Mifid II sei für den Entscheid nicht ausschlaggebend gewesen. Doch indirekt hat die europäische Finanzmarktdirektive zweifellos auch hier ihre Wirkung gezeigt. Die getrennte Abrechnung von Transaktionen und Beratung (Research) haben den Druck auf Preise und Margen im Kapitalmarktgeschäft weiter erhöht und die Kunden zu einem noch selektiveren Nachfrageverhalten motiviert. Wichtiger als die Regulierung ist aber der Trend zum passiven Anlegen. Die Kauf- und Verkaufsaufträge von Indexfonds werden von Maschinen und Algorithmen gegen minimalste Gebühren erledigt, und Research ist bei diesem Anlagekonzept ohnehin obsolet.Unmittelbar bedeuten die Veränderungen, dass Vontobel das in London angesiedelte Aktien-Brokerage mit seinen sechs Mitarbeitern veräußern wird. Als Kaufinteressentin steht die Zürcher Kantonalbank bereit. Über die wesentlichen Eckpunkte des Geschäfts besteht gemäß Vontobel bereits Einigkeit. Die Transaktion könnte bis Ende 2020 über die Bühne gehen. Die etwa 20 Schweizer Aktienanalysten in Zürich sollen derweil bei Vontobel verbleiben. Für deren Weiterbeschäftigung suche man intern nach Lösungen. Über die Klinge springen muss mit Roger Studer ein Veteran des Vontobel-Brokerage. Der Manager war mitunter für den Vorstoß Vontobels zu einem führenden Anbieter im Schweizer Geschäft mit strukturierten Produkten verantwortlich.Zudem stellt sich die Bank auch organisatorisch neu auf. Die bisherigen Divisionen oder Sparten heißen fortan “Client Units”. Mit “Asset Management”, “Wealth Management”, “Digital Investing” und “Plattforms & Services” heißen diese zwar teilweise immer noch wie vorher. Doch die Client Units werden mit den rückwärtigen Bereichen neu verzahnt, damit sie gemeinsam die besten Lösungen für die Kunden finden sollen. Das Konzept hört sich vorerst noch reichlich theoretisch an. Es wird sich in der Praxis unter CEO Zeno Staub noch bewähren müssen.