Weißer Umschlag, Umzugskiste und Büropflanze
Von Stefan Paravicini, New YorkWeiße Umschläge mit Details zu den Abfindungspaketen, die eine oder andere Umzugskiste mit persönlichen Gegenständen und hier und da eine lieb gewonnene Büropflanze. Das waren die Utensilien, mit denen sich viele Mitarbeiter der Deutschen Bank unter anderem in Hongkong, London und New York gestern lange vor dem üblichen Ende ihres Arbeitstages nach Hause verabschiedeten. Für die meisten von ihnen war es der letzte Arbeitstag bei dem deutschen Spitzeninstitut, das am Wochenende die Kürzung von mehr als 18 000 Stellen weltweit ankündigte. Besonders betroffen sind die Finanzzentren in London und New York, wo die Sparte Investment Banking stark präsent ist. Ihre Aktivitäten werden im Zuge des angekündigten Umbaus kräftig zusammengestrichen.Die ersten Entlassungen wurden gestern indessen in Asien ausgesprochen, wo die Deutsche Bank von Sydney bis Mumbai ihr Personal im Aktienhandel stutzt. Konzernchef Christian Sewing hielt sich in London auf, wo allein 7 000 Mitarbeiter der Deutschen Bank beschäftigt sind. Hier teilte die Personalabteilung den Betroffenen nach Angaben von Bloomberg am frühen Morgen per E-Mail mit, dass sie ab 11 Uhr keinen Zugang mehr zu den Bürogebäuden der Bank an der London Wall haben würden. Wenig später füllte sich das nahe gelegene Restaurant “Balls Brothers” laut Agenturberichten mit nunmehr ehemaligen Mitarbeitern der Deutschen Bank, die sich wahlweise an einem Glas Prosecco oder an einer “Pint” Bier festhielten. Keine Szenen wie bei LehmanIn New York, wo die Deutsche Bank fast 10 000 Mitarbeiter beschäftigt, sah man ähnliche Bilder. Vor dem Bürogebäude an der Wall Street, aus dem die Bank bis Ende 2022 nach Midtown umzieht, wurden zahlreiche Angestellte mit weißen Umschlägen, dem einen oder anderen Umzugskarton oder auch einer Büropflanze gesichtet. “Lehman-artige Szenen”, die manche Beobachter in Erinnerung an den Kollaps der Investmentbank Lehman Brothers vor etwas mehr als zehn Jahren nach der Ankündigung des Kahlschlags im Investment Banking der Deutschen Bank in Aussicht stellten, spielten sich aber nicht ab. Das lag wohl auch daran, dass sich die Mitarbeiter der Bank in den USA seit Wochen und Monaten auf Hiobsbotschaften aus Frankfurt eingestellt haben. Wie Bloomberg berichtete, stapelten sich in den Büros von Führungskräften am Firmensitz der US-Tochter der Deutschen Bank in New York seit Tagen braune Umzugskisten, während in den Handelsräumen des Instituts an der Wall Street viele Bildschirme schwarz blieben und sich einige Händler bereits am frühen Nachmittag im “Full Shilling Pub” einfanden oder bei “Cipriani on Wall Street” mit einem der berühmten Bellini-Cocktails der Nobeladresse auf die guten alten Zeiten anstießen. ——Der Konzernumbau der Deutschen Bank erzeugt von Hongkong bis New York ähnliche Bilder.——