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Wie Tidjane Thiam die Credit Suisse umbaut

Von Daniel Zulauf, Zürich Börsen-Zeitung, 15.10.2015 Wie bringt man einen Investor dazu, einen Haufen Geld in ein Unternehmen zu stecken, wenn er mit diesem eben erst Geld verloren hat? Credit-Suisse-Chef Tidjane Thiam wird seinen Aktionären am 21....

Wie Tidjane Thiam die Credit Suisse umbaut

Von Daniel Zulauf, ZürichWie bringt man einen Investor dazu, einen Haufen Geld in ein Unternehmen zu stecken, wenn er mit diesem eben erst Geld verloren hat? Credit-Suisse-Chef Tidjane Thiam wird seinen Aktionären am 21. Oktober eine gute Antwort liefern müssen, denn eines war klar, lange bevor der CEO überhaupt an Bord der Großbank kam: Die Credit Suisse (CS) wird frisches Kapital benötigen. In welcher Form und in welcher Menge das Geld beschafft werden soll, wird man zwar erst wissen, wenn Thiam die Ergebnisse seiner “strategischen Überprüfung” publik gemacht hat. Dass ein Kapitalbedarf aber existiert, bezweifelt niemand. Die Leverage Ratio steigtAllzu lange schon bewegen sich die relevanten Kapitalkennziffern der Bank nur unwesentlich oberhalb jener Mindestgrößen, wie sie von der Eidgenössischen Finanzmarktaufsicht und vom internationalen Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht gesetzt, eingefordert und überwacht werden. Und die Anforderungen werden mindestens in der Schweiz demnächst weiter steigen. Im Zuge der geplanten Anpassungen der Too-big-to-fail-Gesetzgebung wird der Bundesrat dem Parlament noch vor Ende des Jahres eine deutlich höhere Quote für ungewichtetes Eigenkapital (Leverage Ratio) vorschlagen.Im Markt wird inzwischen eine Kapitalerhöhung im Umfang von 5 Mrd. bis 6 Mrd. sfr erwartet. Um 6 Mrd. an Eigenkapital aufzunehmen, müsste Credit Suisse rund 300 Millionen neue Aktien ausgeben, womit sich die Anzahl der Aktien um 20 % erhöhen würde.Die Anleger scheinen eine Aktienemission schon seit geraumer Zeit zu erwarten. Dies würde jedenfalls erklären, weshalb die Credit-Suisse-Aktien in den vergangenen sechs Monaten rund 13 % an Wert verloren haben, während die UBS-Titel in der gleichen Zeit leicht zulegen konnten.Zwar ist nicht auszuschließen, dass Thiam Wege findet, um den Kapitalbedarf des Konzerns noch etwas einzugrenzen – diesbezüglich ist oft von einem weiteren Rückbau der Investmentbank die Rede. Doch solche Umwege brauchen Zeit, und gerade die Credit Suisse musste in den vergangenen Jahren die Erfahrung machen, dass eine Bank nicht mit der Geduld des Marktes rechnen kann, wenn es darum geht, die gesetzlichen Kapitalanforderungen zu erfüllen. Auch ein Dividendenverzicht wäre eine Möglichkeit, die Kapitalbasis zu verstärken, doch mit einem solchen Schnitt könnte die Bank kurzfristig bloß 1 Mrd. sfr einsparen. Sie würde das Kapitalproblem nicht lösen und stattdessen viele Aktionäre frustrieren.Vernünftigerweise wird Thiam am kommenden Investorentag alles tun, damit ihn das Publikum voll und ganz auf seiner Reise in die Zukunft begleitet. Eine erfolgversprechende und glaubwürdige Strategie ist nötig. Sie muss die Investoren motivieren, bei der Kapitalerhöhung mitzuziehen und diese quasi als letzten Akt der Altlastenbereinigung ohne Reue hinter sich zu bringen.Deshalb wird sich Thiam Mitte kommender Woche vor allem mit seinen “Ausführungen zu den Geschäftsplänen und zur Organisation” an seine Aktionäre wenden. Die Erwartungen sind hoch, aber vielfach auch diffus, was dem Protagonisten nur recht sein kann. Er wird nicht zwingend den Verkauf ganzer Unternehmensteile verkünden müssen, um sein Publikum nicht zu enttäuschen. Gewichte verschieben sichVermutlich wird Thiam durchblicken lassen, dass Desinvestitionen und Rückbau als Instrumente griffbereit in seinem Werkzeugkasten liegen. Herausstreichen wird er aber die subtileren Maßnahmen, die über eine Veränderungen der Organisation die Umsetzung der neuen Geschäftspläne erlauben sollen.Es ist ein offenes Geheimnis, dass Thiam die Gewichte des Konzerns viel stärker in die Region Asien verschieben will. Dort hat das Institut im ersten Halbjahr den Vorsteuergewinn verdoppelt und den Anteil am Konzernergebnis auf mehr als ein Viertel gesteigert. Die Vermutung liegt auf der Hand, dass Thiam die Region in der Konzernorganisation aufwerten wird. CS-Veteran Helman Sitohang, der das Gebiet seit vielen Jahren erfolgreich beackert und 2014 zum regionalen CEO ernannt wurde, könnte den Aufstieg in die Konzernleitung schaffen.Der Indonesier mit slowakischen Wurzeln hat in lokalen Medien bereits hinreichend klargemacht, dass die Credit Suisse ihre schon jetzt starke Stellung als Nummer 3 der Region hinter UBS und Citigroup nötigenfalls mit Akquisitionen weiter zu stärken gedenkt. Thiam weiß, dass seine Aktionäre genau das hören wollen.Möglicherweise wird die Bank in Asien noch konsequenter als bisher als integrierter Konzern auftreten – als sogenannte Unternehmerbank, die ihren vermögenden und oft unternehmerisch tätigen Kunden die ganze Palette an Dienstleistungen von der Unternehmensfinanzierung bis zur Vermögensverwaltung aus einer Hand anbietet.Eine Entscheidung zugunsten einer stärkeren Regionalisierung des Konzerns wäre auch vor dem Hintergrund der aktuellen regulatorischen Entwicklungen plausibel. Immer stärker wird deutlich, dass sich die Bankenaufseher in den größten Finanzplätzen nicht mehr mit den ursprünglichen Bail-in-Konzepten begnügen, gemäß denen im Notfall die Rettung der systemrelevanten Teile von Großbanken von einer Behörde orchestriert wird und die Überlebensfähigkeit der anderen Konzernteile hauptsächlich von deren Entscheidungen abhängt. In Singapur zum Beispiel, wo die Credit Suisse ihren Asien-Hub betreibt, fordern die Behörden inzwischen lokale Notfallpläne, unter denen auch dort die Banken im Krisenfall weiterexistieren könnten. Regionale IntegrationDas alles spricht für eine stärkere regionale Integration, wie sie die Credit Suisse auch im Schweizer Heimatmarkt anstreben müsste. Unter diesem Titel könnte sich Thiam auch dort für klare Zuständigkeiten in der regionalen Leitung entscheiden. Derzeit teilen sich der US-Amerikaner Robert Shafir und der Schweizer Hans-Ulrich Meister die Verantwortung für das weltweite Privatkunden- und Vermögensverwaltungsgeschäft, wobei Meister zusätzlich den Titel eines CEO Schweiz trägt und Shafir jenen des CEO Americas. Wenn Thiam die Wachstumsakzente in Zukunft mehr nach Regionen ausrichten will, wird er diese undeutliche Mischung zwischen regionalen und funktionalen Verantwortlichkeiten schärfen müssen.Was mit der Investmentbank geschehen soll, bleibt abzuwarten. Mit dem wachsenden Gewicht von Asien dürfte diese in der Konzernleitung an Gewicht verlieren, was die Investoren wohl nicht ungern sähen. Möglicherweise wird eine regionalisiertere Credit Suisse künftig auch weniger globale Konzernfunktionen benötigen.