GesprächFlorian Rentsch, Sonderbeauftragter für den Finanzplatz

„Wir haben in Frankfurt noch ein bisschen Platz“

Frankfurt will im Ausland um Finanzhäuser und Startups werben, sagt Florian Rentsch, Sonderbeauftragter der hessischen Landesregierung für den Finanzplatz Frankfurt. Dreh- und Angelpunkt der Bemühungen soll die Finanzplatzinitiative Frankfurt Main Finance werden, die eine Aufwertung erfahre.

„Wir haben in Frankfurt noch ein bisschen Platz“

Im Gespräch: Florian Rentsch

„Wir haben in Frankfurt noch ein bisschen Platz“

Finanzplatz will im Ausland um Finanzhäuser und Startups werben, sagt der Sonderbeauftragte der hessischen Landesregierung

Von Tobias Fischer, Frankfurt

Frankfurt will im Ausland um Finanzhäuser und Startups werben, sagt Florian Rentsch, Sonderbeauftragter der hessischen Landesregierung für den Finanzplatz Frankfurt. Dreh- und Angelpunkt der Bemühungen soll die Finanzplatzinitiative Frankfurt Main Finance werden, die eine Aufwertung erfahre.

Der Finanzplatz Frankfurt will im europäischen Ausland für sich werben und so weitere Akteure an den Main ziehen. „Wir möchten mehr ausländisches Geschäft nach Frankfurt holen“, sagt Florian Rentsch, Sonderbeauftragter der hessischen Landesregierung für den Finanzplatz Frankfurt, im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. „Wir haben in Frankfurt noch ein bisschen Platz.“

Er denkt dahingehend insbesondere an Finanzunternehmen aus Branchen, die bislang vergleichsweise weniger stark vertreten seien, so etwa Assetmanager und Venture-Capital-Gesellschaften, aber auch Startups. In Frankfurt fänden sie ein ausgeprägtes Ökosystem vor, das sie mit ihrem Zuzug bereichern würden.

Finanzplatzkabinett hat Strategie beschlossen

„Das Zusammenspiel verschiedenster Akteure ist wichtig für einen Finanzplatz, der einen universellen Anspruch hat und breit aufgestellt sein will. Etablierte Bankenstrukturen mit vielen Platzhirschen haben wir jedenfalls.“ Ausbaufähig sei etwa ein für Startups attraktives Innovationsumfeld. Das hat das Finanzplatzkabinett dieser Tage in seiner Finanzplatzstrategie als einen der sechs Schwerpunkte seiner Arbeit definiert. Ihm gehören zahlreiche Vertreter von Politik und Finanzwirtschaft an, so etwa der hessische Ministerpräsident Boris Rhein und die Vorstandschefs von unter anderem Deutscher Bank, Commerzbank, DZ Bank, KfW und Helaba. Gemeinsames Ziel ist es, den Finanzstandort zu stärken.

Standort als Sprungbrett

„Wir überlegen schon, in europäischen Städten mit vielen guten Finanzmarktakteuren und Startups auf Frankfurt hinzuweisen." Schließlich ergäbe es für sie Sinn, sich mit dem Finanzplatz zu beschäftigen, der für die größte Volkswirtschaft in der Eurozone steht. "Deswegen können wir voller Selbstbewusstsein sagen: Wer diesen Markt erobern will, ist in Frankfurt gut aufgehoben“, führt Rentsch aus. Die Stadt müsse die Ambition haben, sich europäisch zu messen. Auf dem Kontinent steht sie im Wettbewerb mit Finanzplätzen wie Paris, Amsterdam, Mailand, Zürich oder Luxemburg.

Wir wollen in Europa Zeichen setzen.

"Den nationalen Standorten wollen wir nicht das Geschäft abgraben, ganz im Gegenteil“, bekundet Rentsch. Deshalb soll der Fokus auch des Standortmarketings aufs Ausland gerichtet werden. „Wir wollen in Europa Zeichen setzen“, so der Sonderbeauftragte.

Zentrale Koordinationsstelle

Um das zu bewerkstelligen, soll der Finanzplatzinitiative Frankfurt Main Finance eine wichtigere Rolle zugedacht werden. Sie erfährt nach dem Willen des Finanzplatzkabinetts künftig eine Aufwertung. So ist in der nun verabschiedeten Strategie die Rede davon, dass Frankfurt „seine Präsenz und Visibilität auf der globalen Bühne“ unter der Marke Frankfurt Main Finance ausweitet. Sie soll möglichst als eine zentrale Koordinationsstelle fungieren und als Plattform, die Themen und Ideen aufnimmt und vorantreibt.

Frankfurt Main Finance bekommt neue Struktur

Die Mitglieder des Vereins müssten jetzt festlegen, wie dies umzusetzen sei. In den nächsten Wochen werde erörtert, wie sich Frankfurt Main Finance aufstellen soll und dann das weitere Vorgehen festgelegt wird, gibt Rentsch einen Ausblick. „Das wird nun diskutiert, und wir werden bis Ende des Jahres sicherlich eine geeignete Struktur finden.“

Veranstaltungen unter einem Dach

Eine weitere Überlegung sei, die Vielzahl der von unterschiedlichen Akteuren ausgerichteten, den Finanzplatz betreffenden Veranstaltungen bei Frankfurt Main Finance zu bündeln, sagt Rentsch. „Die Idee ist, gemeinschaftlich darüber nachzudenken, ob es nicht Sinn ergibt, ein gemeinsames Dach zu schaffen, unter dem jeder seine Aktivitäten vorstellen kann.“

Wir müssen uns um weitere Banken und europäische Institutionen bemühen und die bestehenden weiterhin gut behandeln. Sie sollen hier ein gutes Zuhause haben.

Nach dem Brexit sei bereits einiges passiert, um den Standort und seine Vorzüge noch bekannter zu machen. Stadt, Land und Bund hätten gut für Frankfurt geworben. "Aber das lässt sich noch forcieren“, sagt Rentsch, dem unter anderem als ehemaliger hessischer Wirtschaftsminister und als Vorstandsvorsitzender des Verbandes der Sparda-Banken sowohl der Politikbetrieb als auch die Finanzwirtschaft vertraut sind. Dass Frankfurt Platz eins unter den Finanzplätzen Kontinentaleuropas einnehme, sei nicht in Stein gemeißelt und müsse immer neu erarbeitet werden, warnt er. „Wir müssen uns um weitere Banken und europäische Institutionen bemühen und die bestehenden weiterhin gut behandeln. Sie sollen hier ein gutes Zuhause haben.“

Brexit-Effekt und AMLA kommen Standort zugute

Nachdem Anfang 2020 Großbritannien aus der EU ausgetreten war, haben etliche Auslandsbanken in Frankfurt Jobs und mitunter ihr Europa-Hauptquartier – so etwa J.P. Morgan – von London an den Main verlagert. Früheren Schätzungen der Helaba zufolge beläuft sich der gesamte Brexit-Effekt zugunsten Frankfurts auf etwa 3.500 Stellen. Als Erfolg ist auch zu verbuchen, dass sich der grüne Standardsetzer ISSB und die Anti-Geldwäsche-Behörde AMLA in Frankfurt niedergelassen haben.

Dass Frankfurt im jüngsten Ranking weltweiter Finanzplätze, das der Londoner Thinktank Z/Yen Group erstellt hat, weiter von Platz 11 auf Rang 12 abgerutscht ist, betrachtet Rentsch als Ansporn. „Es zeigt, dass auch die Wettbewerber nicht schlafen. Für uns ist das eine Warnung, nicht stehenzubleiben. Aber trotzdem schauen wir auch immer, wer die Studie in Auftrag gegeben hat", bemerkt er augenzwinkernd. Bedeckt hält sich Rentsch, wenn es um einen möglichen Dämpfer für den Finanzplatz geht, die potenzielle Übernahme der Commerzbank durch Unicredit. Das müsse der Markt entscheiden, sagt er.

Hoffen auf KI-Gigafabrik

Um den Standort weiter voranzubringen, will das Finanzplatzkabinett nicht nur ausländische Finanzmarktakteure und Fachkräfte anlocken, sondern auch die Rahmenbedingungen für die Ansiedlung von Schlüsseltechnologien schaffen. So beabsichtigt es beispielsweise, sich für den Aufbau der Infrastruktur für Quantentechnologie und für eine europäische KI-Gigafabrik einzusetzen, heißt es in dem nun veröffentlichten Strategiepapier. Dabei handelt es sich um KI-Rechenzentren, die für Entwicklung, Training und Einsatz von KI-Modellen konzipiert sind. Die Europäische Union hat den Bau von fünf solcher milliardenschweren Anlagen in Aussicht gestellt, der Andrang der Standort-Bewerber in Europa ist groß. Darüber hinaus bekundet das Finanzplatzkabinett, die Ansiedlung der europäischen Anti-Geldwäsche-Behörde AMLA zum Anlass für den Aufbau eines KI-Ökosystems zu nehmen, das der Bekämpfung von Finanzkriminalität förderlich ist.

Ansprechpartner in Berlin

Als weiteren Schritt, um den Standort stärker zu positionieren, sei angedacht, den Kanal nach Berlin zu forcieren. „Wir sind mit der Bundespolitik im Gespräch, um jemanden zu finden, der für die Finanzplatzthemen als Ansprechpartner fungiert“, sagt Rentsch. Bislang nehme Ministerpräsident Rhein eine zentrale Verbindungsrolle nach Berlin ein, zumal ihm ein guter Draht zu Bundeskanzler Friedrich Merz nachgesagt wird.


Zur Person

Florian Rentsch steht seit Juli 2017 dem Vorstand des Verbandes der Sparda-Banken vor. Zuvor war er lange Jahre in der Politik aktiv, so von 2012 bis 2014 als hessischer Wirtschaftsminister und von 2009 bis 2012 sowie von 2014 bis 2017 als Vorsitzender der FDP-Fraktion im Landtag. Rentsch wurde 1975 in Kassel geboren und studierte Rechtswissenschaften in Frankfurt und Mainz. Im November 2024 wurde er zum Sonderbeauftragten der hessischen Landesregierung für den Finanzplatz Frankfurt ernannt.