"Wir haben zu viele Banken in Italien"
Von Thesy Kness-Bastaroli, MailandCorrado Passera, ehemaliger Chef von Banca Intesa Sanpaolo und späterer Industrieminister der Regierung Monti (2011/12), hat keine Zweifel: Das heutige Kreditsystem steht vor einer Revolution. Denn die “neuen technologischen und digitalen Rahmenbedingungen stellen das traditionelle Kreditsystem in Frage”, unterstreicht er im Gespräch mit der Börsen-Zeitung. Im verschärften Wettbewerb mit anderen Playern, etwa den großen Technologiekonzernen, die zunehmend ins Bankgeschäft einsteigen, werde das Überleben für kleinere Banken immer schwieriger. “Wir haben zu viele Banken in Italien, aber auch Frankreich und Deutschland haben dasselbe Problem.” Er erwartet im laufenden Jahr eine weitere Konsolidierungsphase. Trends vorhergesehen”Die Zukunft gehört neuen kleinen Spezialbanken”, so der Banker. In Italien gebe es bereits ein Dutzend dieser Banken, wie etwa die auf den Erwerb und Verkauf von Non Performing Loans spezialisierte Ifis Banca (Mestre) oder aber Farmafactoring. In Großbritannien seien bereits 60 dieser Spezialbanken auf den Markt. Passera ist der Ansicht, dass er in seiner langjährigen Karriere, etwa als Unternehmenschef bei Olivetti (Einführung des Mobilfunks) oder als Postchef (Diversifizierung auf das Finanzwesen), immer die Trends vorhergesehen hat. Der Trend im Kreditwesen gehe derzeit zur Spezialisierung.Seine neu gegründete Illimity Bank konzentriere sich auf die Finanzierung und Unterstützung von Start-ups. Allerdings sei deren Tätigkeit klar abgegrenzt, er fokussiere sich nur auf bestimmte Bereiche, etwa den Nahrungsmittelsektor, das Bauwesen, die Maschinenbranche. Auch beim Kauf und Verkauf von Non Performing Loans sieht Passera für seine Bank, die inzwischen 600 Mill. Euro eingesammelt hat, Zukunftschancen. “Wir wollen bis 2023 eine Bilanzsumme von 7 Mrd. bis 8 Mrd. Euro und 2020 bereits einen Gewinn von 200 Mill. bis 300 Mill. Euro erreichen.”Passera erwartet 2019 zahlreiche Fusionen im italienischen Kreditwesen. Die Bankkrise sieht er als beendet an. “Wir befinden uns heute in einer wesentlich besseren Situation als vergleichsweise 2011/2012.” Denn Italien stecke weiterhin in einer Wachstumsphase. Er befürchte keine Rezession. “In den vergangenen Jahren haben Italiens Unternehmen kräftig investiert und sich restrukturiert. Sie stehen heute besser da als noch vor wenigen Jahren.”Die Banken hätten einen Großteil ihrer faulen Kredite abgegeben. Die Ersparnisse der privaten Haushalte seien weiterhin hoch. Doch hätten die Regierungen der vergangenen Jahre einen großen Fehler gemacht, weil sie die Niedrigzinsen nicht nutzten, um zu investieren. “Eine verpasste Gelegenheit für das Land.” Italien sei das einzige Land im Euroraum, welches die Niedrigzinsphase nicht für Investitionen nutzte. Auch die im Herbst erfolgte, rasante Zunahme der Zinsdifferenz zwischen italienischen und deutschen Staatsanleihen (Spread), hätte seiner Meinung nach vermieden werden können. Der Spread habe dem Land laut Berechnung von Experten 300 Mrd. Euro gekostet.Auf die Auswirkungen der Zwangsverwaltung bei der Sparkasse von Genua (Carige) befragt, zeigte sich der Banker gelassen. “Ich sehe von der Zwangsverwaltung keinerlei negativen Auswirkungen auf das gesamte italienische Bankensystem.” Auch die Zwangsverwaltung hätte vermieden werden können. Die Aktionäre von Carige hätten bereits – infolge der wenig effizienten Governance – eine hohe Rechnung bezahlt. Unterdessen wird der Staat Carige unterstützen (siehe Bericht auf dieser Seite). GrenzüberschreitendPassera erwartet 2019 nicht nur Fusionen von mittelständischen Banken. Früher oder später werde es auch zu grenzüberschreitenden Transaktionen im Bankwesen kommen. Allerdings müssten dafür noch die Regeln seitens der EZB definiert werden. Passera zeigte sich im Gespräch als überzeugter Europäer, als Verteidiger des Euro. “Der Euro ist und bleibt unsere Stärke”, betonte er.