IM INTERVIEW: MICHAEL STOLLARZ

"Wir werden zum Innovationstreiber"

Der Chef des Deutschen Sparkassenverlags zum Joint Venture Payone und zur Fortentwicklung von Paydirekt

"Wir werden zum Innovationstreiber"

Neue Wettbewerber, aber auch die Digitalisierung zwingen den Deutschen Sparkassenverlag (DSV) stärker in die unternehmerische Verantwortung. Paydirekt könnte mit bestehenden Zahlungsverkehrsplattformen verknüpft werden. Herr Stollarz, ist die Digitalisierung für die DSV-Gruppe eher Fluch oder Segen?Wenn man wie wir als Dienstleister der Sparkassen-Finanzgruppe die Digitalisierung als Chance begreift, ist sie eher ein Segen. Wenn man den Markteintritt von Unternehmen wie Google oder Apple in Geschäftsfelder der Kreditwirtschaft als Herausforderung versteht, muss sie kein Fluch sein. In dieser verschärften Wettbewerbssituation sind wir sicher in der Lage, den Sparkassen bei der Digitalisierung effektiv unter die Arme zu greifen. Die DSV-Gruppe hat zu Ihrer Premiere 2018 ein Rekordjahr verzeichnet. Der Gruppen-Umsatz lag bei 941 Mill. Euro, der Jahresüberschuss des DSV bei 46 Mill. Euro. Zugespitzt gefragt – dürfen Sie denn als gruppeneigener Dienstleister der Sparkassen und Landesbanken überhaupt so viel verdienen?In der Tat bewegen wir uns stets in einem systemimmanenten Spannungsfeld zwischen Profit- und Costcenter. Als Verbunddienstleister ist unsere oberste Prämisse nicht die Gewinnmaximierung, sondern unternehmerisches, auskömmliches Wirtschaften. Was die Sparkassen insbesondere aufgrund der herrschenden Niedrigzinsphase umtreibt, ist ein ausgesprochenes Kostenbewusstsein, natürlich auch im Geschäft mit dem DSV. Daher wird es immer Bereiche geben, in denen eine Marge für uns erwirtschaftet werden muss, und solche, die wir 1:1 an die Sparkassen durchreichen. Gilt dies auch für Ihr Joint Venture Payone mit der französischen Ingenico?Nein, Payone tickt anders als unsere klassischen Bereiche, was ja das Interessante daran ist. Zunächst haben wir zum Jahresbeginn 2019 unsere BS Payone für Zahlungslösungen mit der Ingenico Payment Services, einem Tochterunternehmen der international tätigen Ingenico Group, in eine gemeinsame Gesellschaft eingebracht, die den Namen Payone trägt. Daran halten wir 48 % und die börsennotierte Ingenico 52 %. Damit haben wir eines der modernsten digital getriebenen Unternehmen Europas im Rücken, das mit seinen Zahlungslösungen sowohl die Sparkassen, deren Händlerkunden und internationale Key Accounts entscheidend unterstützen kann. Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang auch das Rekordergebnis 2018 des DSV einordnen: Über 40 Mill. Euro positiven Ergebniseffekt haben wir mit der Gründung des Joint Ventures erzielt. Warum haben Sie die Mehrheit abgegeben?Ingenico ist deutlich größer als wir. Und in einem international geprägten Geschäft, in dem Player wie Wirecard oder Adyen unterwegs sind, wäre unser Part auf Dauer zu klein gewesen, um Skaleneffekte über Größe erzielen zu können. Daher hätten wir uns als Stand-alone-Lösung gewaltig zur Decke strecken müssen. Das Schöne an dem Joint Venture ist, dass wir neben Zahlungslösungen für Sparkassen und Händlerkunden aus der Liaison mit der börsennotierten Ingenico ein nachhaltiges Beteiligungsergebnis in spürbarer Größenordnung erzielen wollen, das auch als finanzielle Unterstützung unseres weiteren Geschäfts zugunsten der Sparkassen dient. Das ist eine wesentliche Logik aus diesem Joint Venture. Welche Konsequenz ziehen Sie als Dienstleister der Sparkassen-Gruppe angesichts des völlig veränderten Wettbewerbs?Ganz klar, die neuen Wettbewerber gehen aggressiv auf unsere Kunden los. N26 oder Wirecard Bank bieten kostenlose Girokonten inklusive Karten an und sorgen damit für erhebliche Bewegung am Markt. Getriggert durch die Digitalisierung nimmt das Innovationstempo in allen Branchen zu. Deshalb kann es für uns nur eine Konsequenz geben: Wir müssen schneller werden, wenn es darum geht, Ideen in marktfähige Produkte umzuwandeln, und gleichzeitig aktiv unsere Regionalität nutzen. Wie ändert sich im Zuge der Umbrüche am Markt die Rolle des DSV?Wir werden in der Gruppe stärker als Unternehmer wahrgenommen. Herausgefordert durch die Digitalisierung und die genannten Umwälzungen spielen wir einen aktiven Part, indem wir Entwicklungen in der Gruppe stärker als bisher vorantreiben. Klar, dabei übernehmen wir auch unternehmerische Verantwortung. Es ist durchaus meine Absicht, den DSV zum Innovationstreiber und Umsetzer mit unternehmerischer Verantwortung unserer Sparkassen-Finanzgruppe zu machen. Die Zögerlichkeit, mit der Paydirekt eingeführt wurde, können Sie da nicht gutheißen.Zugegeben, Paydirekt ist spät gestartet. Aber die Idee dahinter ist dennoch richtig. Es gibt eine Klientel, die auf eine deutsche Cloud, die dahintersteckt, und die damit verbundene Verlässlichkeit Wert legt. Wir haben unser Geschäftsmodell inzwischen auch mit den Händlern angepasst. Paydirekt ist besser und schneller geworden, aber trotz deutlich mehr als 10 000 Händlern eben noch nicht überall in der Fläche präsent. Vor diesem Hintergrund geben wir Paydirekt auch nicht auf, sondern überlegen eher, es gegebenenfalls mit anderen Bezahlfunktionalitäten zu verzahnen. Und das kann wie aussehen?Es ist vorstellbar, dass Paydirekt im Rahmen des Projekts, das derzeit unter #DK für die Deutsche Kreditwirtschaft die Runde macht, einen neuen Platz findet. Es ist die Idee der deutschen Sparkassen und Banken, ihre bestehenden Plattformen im Zahlungsverkehr miteinander zu verknüpfen – und das am besten mit einer europäischen Perspektive. Hemmt sich die Sparkassen-Organisation nicht selbst, wenn es um schnelles Umsetzen geht?Es herrscht in unserem Verbund ein lebhaftes Zusammenspiel von Produktideen und Themen. Dabei kommen einerseits Impulse von den Fachausschüssen oder vom DSGV-Gesamtvorstand. Andererseits entwickeln und forcieren wir sowie andere Verbunddienstleister innovative Themen. Der Umstand, dass der Wettbewerb ungleich schneller als früher ist, hat auch bei uns zu einer anderen Sicht auf den Markt gesorgt. Und am Ende entscheiden ohnehin immer die Sparkassen selbst, welche Produkte sie von uns übernehmen. Ist es für Sie denkbar, dass der Zahlungsverkehr für Banken und Sparkassen verloren geht?Okay, Wirecard oder PayPal fordern uns mit ihren verschiedenen Angeboten im Giro- und Kreditkartenbereich heraus. Eine unserer Stärken aber ist, dass wir Zahlungsverkehr sicher, verbindlich und bequem organisieren können. Darauf müssen wir uns besinnen. Daher bin ich sicher, dass Payment auch in Zukunft für die deutsche Kreditwirtschaft eine zentrale Rolle spielen wird. Dabei gilt es auch, das Wissen über unser wichtigstes Asset, 45 Millionen Sparkassenkunden, besser auszuspielen. Wie soll das geschehen?Mit Hilfe von Data Analytics können wir unseren Kunden zielgenaue Lösungen anbieten. Aus diesem Wissen gilt es, Mehrwert in bestimmten Lebenssituationen zu kreieren. Auf solche Bedürfnisse könnte man beispielsweise die Funktion einer Filiale mit ausrichten. Warum sollte diese etwa nicht als Abholstelle für Pakete oder Medikamente dienen, wie es beispielsweise die Haspa schon vormacht? Dadurch können wir eine neue Relevanz in den Stadtteilen entwickeln. Dazu kann auch die Unterstützung von Kommunen beitragen, digitale Services für die Bürger einzuführen. Was in einem Dutzend Kommunen schon angelaufen ist . . .Ja, mit unserem Tochterunternehmen Girosolution unterstützen wir Kommunen bei der Digitalisierung ihrer Verwaltungsprozesse. Wer, wenn nicht die Sparkasse mit ihrer ausgeprägten Nähe zu den Kommunen, wäre dafür besser geeignet! Uns ist klar, dass wir hier dicke Bretter bohren müssen. Aber ich setze darauf, dass der Prozess in den kommenden drei bis fünf Jahren eine starke Eigendynamik entfalten wird. Wenn es also tatsächlich gelingt, die Kommunen hier in der Fläche abzuholen, hat dieses Geschäft neben unseren bisherigen Bereichen “Payment”, “Mediales Angebot” und “Geschäftsbetrieb” das Potenzial eines vierten Geschäftsbereichs für die DSV-Gruppe. Mit welchem Ergebnis rechnen Sie für das laufende Jahr?An das Rekordjahr 2018, das wesentlich auch durch die zuvor genannten Effekte beeinflusst war, kommen wir nicht ran – auch weil wir für die Sparkassen-Finanzgruppe hohe Investments in der Größenordnung eines zweistelligen Millionenbetrags unter anderem in Funktionalitäten wie etwa den Start von Mobile Payment via Android-Geräte oder die Entwicklung von Apple Pay getätigt haben, was zulasten des Gewinns geht. Dennoch werden wir für das laufende Jahr ein auskömmliches Ergebnis präsentieren. Das Interview führte Thomas Spengler.