IM INTERVIEW: INGO WIEDEMEIER

"Wir wollen mehr Provisionsgeschäft"

Der neue Vorstandschef der Frankfurter Sparkasse über Ertragspläne im Nullzinsumfeld und das Filialnetz

"Wir wollen mehr Provisionsgeschäft"

Seit gut drei Monaten steht Ingo Wiedemeier der Frankfurter Sparkasse vor. Der langjährige Chef der Hanauer Sparkasse will das mit einer Bilanzsumme von annähernd 20 Mrd. Euro vier mal so große Institut durch die Nullzins-Zeit steuern, indem er Provisionen ankurbelt, weiter spart und dabei auch das Filialnetz auf den Prüfstand stellt. Herr Dr. Wiedemeier, Sie sind seit September Vorstandschef der Frankfurter Sparkasse. Wie verlief Ihr Einstieg in Coronazeiten?Als ich hier im Haus durch die Abteilungen gegangen bin, habe ich coronabedingt viele freie Räume gesehen. Die persönlichen Kontakte haben nur virtuell stattgefunden und müssen zu gegebener Zeit nachgeholt werden. Es ist ein bisschen wie bei “Drei Engel für Charlie”: Viele hören mich am Telefon und meinen wahrscheinlich, mich gibt es gar nicht. Aber das ist zunächst nicht zu ändern. Seit September haben wir die Hygiene- und Sicherheitsbedingungen nochmals verschärft. Was waren Ihre ersten Amtshandlungen?Zunächst einmal ging es darum zu sehen, welche Themen am dringlichsten anstehen. Wir waren mit den Planungen für 2021 beschäftigt, haben sie aufgesetzt und diese mit der Helaba abgestimmt. Wie lautet Ihre erste Bestandsaufnahme? Mit welchen Herausforderungen sehen Sie sich konfrontiert?Wir haben angefangen, das Wertpapiergeschäft mit Ausblick auf weiter niedrige Zinsen in den nächsten Jahren noch stärker in die Fläche zu tragen. Weil es auf absehbare Zeit keine Zinsen gibt, beraten wir unsere Kunden zur Geldvermögensbildung, um diese trotzdem zum Sparen anzuleiten. Wertpapiersparen ist für sie die einzige Chance, noch eine vernünftige Rendite zu erzielen. Dort sehe ich durchaus weiteres Potenzial, an dem wir arbeiten wollen. Sie wollen also die Provisionsüberschüsse ausbauen?Ganz genau. Das ist etwas, das auch die Helaba schon für sich in Anspruch genommen hat. Von unseren Genen her sind wir ein Einlagen- und Kreditinstitut, also zinsabhängig. Da uns aber der Zins geraubt wurde, ist es so, als würde man aus einem Fußball die Luft lassen und sagen: “Spielt mal schön Fußball.” Wir wachsen immer noch auf der Einlagenseite, aber wenn der Kunde eine Rendite erzielen will, führt kein Weg am Depot vorbei. Und das wollen wir über unser Kompetenzcenter Private Banking und über die Finanzcenter mit unseren qualifizierten Kundenberatern noch deutlich stärker in die Fläche tragen. Der Vorstandsvorsitzende Ihres Mutterkonzerns Helaba, Thomas Groß, hegt ja die Absicht, den Anteil der Zinserträge an den Gesamterträgen herunterzufahren, indem er das Provisionsgeschäft steigert. Das ist also auch Ihr Plan?Ganz klar. Wir wollen mehr Provisionsgeschäft, das heißt aber nicht, dass wir die Kernaktivitäten zurückfahren. Ganz im Gegenteil. Wir haben es natürlich etwas schwerer, den Anteil zu erhöhen. Dennoch wollen wir natürlich unseren Beitrag leisten. Thomas Groß hat ein Provisionsziel von 500 Mill. Euro für die Helaba ausgegeben. Unser Ziel ist, relativ kurzfristig mindestens 20 % davon beisteuern zu können. Wie hoch ist der Anteil im Moment?Wir haben 2019 ein Provisionsergebnis in Höhe von 85 Mill. Euro erzielt. Ich glaube schon, dass wir es in zwei Jahren schaffen sollten, die 100 Mill. Euro zu erreichen. Was kommt für Provisionseinnahmen noch in Frage? Wie sieht es beispielsweise im Zahlungsverkehr aus?Zahlungsverkehr findet viel häufiger digital statt, als es noch vor Jahren der Fall war. Wir haben mittlerweile über 68 % unserer Girokonten im Online-Banking. Die Transaktionsgebühren sind für den Kunden marginal. Aufgrund unserer Größenordnung sind die Beträge rund ums Girokonto für uns eine wichtige Erlösposition. Sie haben den Provisionsüberschuss in den vergangenen Jahren zwar gesteigert, doch hat das nicht gereicht, um die schrumpfenden Zinsüberschüsse zu kompensieren. Was waren bisher die Treiber auf Provisionsseite?Im Wesentlichen die Steigerung des Wertpapiergeschäfts. Die Grundlage fürs Provisionsgeschäft bilden die marktgerechten Girokonto-Preise. Und mit unserer Tochtergesellschaft VFS, die sich um das Versicherungsgeschäft kümmert, wollen wir unter Einbindung der Filialen deutlich stärker das Versicherungsangebot platzieren. Diese Zielsetzung werden wir in den nächsten Monaten weiter verfolgen. Auch im Bauspargeschäft sehen wir weiteres Potenzial, denn gerade für Eigenheimnutzer stellt der Bausparvertrag ein wichtiges Instrument zur Zinssicherung der Finanzierung über die Gesamtlaufzeit dar. Daher hat der Bausparvertrag seine Berechtigung. Die Zinseinnahmen schrumpfen seit Jahren, zuletzt auf gut 250 Mill. Euro. Sinkende Margen konnte die Sparkasse durch eine stete Steigerung des Kreditvolumens zum Teil kompensieren. Was tun Sie, wenn die Kreditnachfrage wieder abflaut?Wenn man sich die Entwicklung nicht nur in der Frankfurter City, sondern in unserem Geschäftsgebiet außerhalb Frankfurts ansieht, sieht man kaum eine Kommune, in der keine Baukräne stehen. Sie finden auch unterschiedliche Preisgefüge – zwischen dem Osten, in Hanau, und dem Taunus liegen bisweilen erhebliche Preisspannen. Dass das Geschäft mit Wohnimmobilien völlig zum Erliegen kommt, ist unwahrscheinlich. Dafür ist der Bedarf einfach zu groß, zumal die aktuelle Zahl der Baugenehmigungen viel zu gering ausgefallen ist und den Bedarf gar nicht decken kann. Wenn es Korrekturen gibt, wird es diese sicherlich nicht überall in gleicher Form geben. Sie gehen also davon aus, dass die Kreditvergabe weiterhin steigen wird, im gewerblichen Sektor und in der Baufinanzierung?Genau. Wir erwarten, dass wir weiterhin moderate Wachstumsraten erzielen werden. Klar ist auch, dass die Erbringung des Kapitaldienstes für einzelne Kreditnehmer in der aktuellen Phase schwieriger ist und die Institute jetzt noch genauer hinschauen müssen. Lassen sich die Corona-Effekte in den Geschäftszahlen ablesen?Wir spüren keine Geschäftseinflüsse in dem Sinne, dass Geschäftszweige extreme Einbrüche erleiden. Sicher ist der Dienstleistungssektor mit Schwerpunkt Gastronomie und Reise/Tourismus besonders hart getroffen. Was wir noch genauer betrachten müssen, sind die wirtschaftlichen Entwicklungen und ob sich daraus Wertberichtigungen ergeben, weil Kunden dauerhaft in finanzielle Schwierigkeiten geraten. Sie können davon ausgehen, dass wir in zahlreichen Gesprächen sind, um individuelle Lösungen zu besprechen. Darüber hinaus haben Institute ja auch die Möglichkeit gehabt, den Unternehmen über Moratorien Liquidität zu verschaffen. Insbesondere nach der zweiten Lockdown-Phase werden sich sicherlich die Effekte zeigen. Was glauben Sie, wann sie einschlagen?Wenn der Schnee schmilzt, kommt die eigentliche Struktur zum Vorschein. Das wird sich sicher parallel für die Robustheit vieler gewerblicher Kunden zeigen. Glücklicherweise haben viele Unternehmen in den zurückliegenden Jahren ihre Eigenkapitalquoten erhöht und ihre Substanz gestärkt. Im Moment liegen die Wertberichtigungen nahe null, oder?Nahe null ist nicht richtig, aber wir liegen aktuell auf einem Niveau, welches wir in der Planung einkalkuliert haben. Einzelwertberichtigungen haben Sie aber noch nicht vorgenommen, Sie setzen vorerst auf Pauschalwertberichtigungen?Als vorsichtige Kaufleute sehen wir frühzeitig die Bildung einer entsprechenden Risikovorsorge vor. In der Regel ist es eine Mischung beider Ansätze. Wie ist Ihr Kreditportfolio zusammengesetzt?Das Kreditportfolio der Frankfurter Sparkasse differenziert Unternehmenskunden, Firmenkunden, Gewerbekunden und kleinere Geschäftskunden. Die Qualität dieser Segmente lässt sich an der Ratingeinstufung ablesen. Unsere Kunden befinden sich überwiegend in guten Bonitätsklassen. Blicken wir auf die Kostenseite: Ist nach den Sparrunden der vergangenen Jahre, zuvorderst dem sogenannten Fitnessprogramm der Sparkasse, mit weiteren Kostensenkungsprogrammen zu rechnen?Wir werden die Kosten natürlich weiterhin im Blick haben. Das “Fitnessprogramm” ist nicht abgeschlossen, es wird uns auch die nächsten Jahre begleiten. Sowohl die Sachkosten als auch die Personalkosten werden durch veränderte Prozessabläufe und Nutzung digitaler Anwendungen mehr denn je beeinflusst. Werden Sie nach den Erfahrungen in der Coronakrise an den Filialen festhalten?Corona lässt uns die Filialen mit einem ganz anderen Blick betrachten, da sich dadurch die Selbständigkeit unserer Kunden deutlich erhöht hat. Wir haben erlebt, dass über das Mobiltelefon noch mehr Servicetransaktionen abgewickelt wurden als über das klassische Online-Banking. Die mobilen Anwendungen werden noch deutlich nutzerfreundlicher, so dass dies Auswirkungen auf die Frequenz in unseren Filialen hat. Wir werden in den nächsten Monaten weiter erleben, dass es zu rückläufigen Frequenzen und Besuchen kommt. Im Schnitt betritt ein Kunde einmal im Jahr die Filiale. Wer häufiger kommt, nutzt in der Regel den Geldautomaten im Foyer. Es ist also von einem weiteren Abbau auszugehen?Wir brauchen, um eine Filiale wirtschaftlich betreiben zu können, eine große Kundenanzahl. Wir verfügen über größere Finanzcenter, die eine sehr gute Frequenz haben und bei denen es sich lohnt, den Service aufrechtzuerhalten. An diese Stellen sind teilweise kleinere Filialen angebunden. In den kleineren Standorten hat die Frequenz abgenommen, und durch Corona wird dieser Trend extrem beschleunigt. Die Finanzcenter stehen sicherlich nicht zur Disposition, da neben dem klassischen Kerngeschäft auch Vermögensberatung, gewerbliche Beratung und Spezialberatung regelmäßig vor Ort erfolgt. Das Kundenverhalten hat sich noch schneller als erwartet geändert. Gesetzt den Fall, es kommt zu einer Fusion zwischen Helaba und DekaBank. Wäre in der neuen Bank Platz für die Frankfurter Sparkasse? Im Sparkassenlager sind ja gewisse Vorbehalte gegen eine Retailbank in einem solchen Zentralinstitut zu vernehmen.Wir sind nur Teil des Gebildes. Das können nur die Träger entscheiden. Wir sind zwar auch mit 15 % am Sparkassenverband SGVHT beteiligt, aber es wird sich zeigen, wann die Gespräche hierzu fortgesetzt werden. Aktuell können wir mit der Situation unter dem Konzerndach der Helaba sehr gut umgehen. Es gab mal die Idee einer Kommunalisierung. Was halten Sie davon?Die Mehrheit der Sparkassen ist in kommunaler Trägerschaft. Die Frankfurter Sparkasse hatte in der Vergangenheit sowohl kommunale als auch private Träger, zu denen wir immer noch gute Beziehungen pflegen. Eine konstruktive Zusammenarbeit muss nicht zwingend mit der Trägerschaft verbunden sein. Der Bankberuf hat an Attraktivität eingebüßt. Finden Sie noch genügend qualifizierte Bewerber?Während andere Institute sich sehr um die Gewinnung von Auszubildenden bemühen, genießt die Frankfurter Sparkasse offensichtlich einen guten Ruf. Wir erhalten jedes Jahr ausreichende Bewerbungen, aus denen wir rund 40 jungen Personen einen Berufseinstieg ermöglichen. Die Anforderungen an den Beruf gestalten sich mittlerweile anders: So ist der persönliche Kontakt zu Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern unverändert wichtig, allerdings sind die Talente im Umgang mit digitalen Medien deutlich mehr gefragt. Dies macht den Job noch attraktiver. Das Interview führte Tobias Fischer.