SERIE: NACHHALTIGKEIT IM FINANZSEKTOR (38) – DER FINANZSEKTOR WIRD GRÜNER

"Wir ziehen positive Anreize vor"

SocGen-CEO Oudéa über den Streit um grüne Kapitalrabatte und die Rolle der Bank in der Energiewende

"Wir ziehen positive Anreize vor"

Im Gespräch mit der Börsen-Zeitung erklärt Société-Générale-Chef Frédéric Oudéa, warum und wie sich die französische Großbank für die Energiewende engagiert. Zudem argumentiert er für die in Deutschland so verpönte Einführung eines Kapitalrabatts für grüne Anlagen.Von Bernd Neubacher, FrankfurtDie französische Großbank Société Générale (SocGen) kann die in Deutschland grassierende Aufregung um die geplante Einführung eines Eigenkapitalrabatts für grüne Anlagen nicht nachvollziehen. Dies hat Chief Executive Officer Frédéric Oudéa im Gespräch mit der Börsen-Zeitung am Rande einer Investoren- und Kundenkonferenz der Bank zu Green Finance in Frankfurt am Donnerstag deutlich gemacht. “Wenn wir uns die Bilanzsummen der Banken einmal pragmatisch anschauen, dann stellen wir fest, dass es um einen relativ kleinen Anteil geht”, argumentiert er mit Blick auf das Volumen der Aktiva, für welche nach einer solchen Neuerung Erleichterung in der Eigenkapitalunterlegung gelten würden. Sollten die dank eines grünen Unterstützungsfaktors in nachhaltige Assets investierten Summen aber in absehbarer Zeit ein Ausmaß erreichen, das mit den Anlagen am US-Subprime-Hypothekenmarkt vor zehn Jahren vergleichbar sei, würde dies nur bedeuten, dass die Transformation des Finanzsektors durchschlagenden Erfolg gehabt hätte. Eine solche Prognose zu stellen wäre freilich übertrieben optimistisch, wie er sagt. Front der AblehnungHintergrund: Frankreich dringt darauf, im Zuge der anstehenden Überarbeitung der EU-Eigenkapitalrichtlinie Erleichterungen bei den Vorgaben für die Eigenkapitalunterlegung von Risiken grüner Finanzierungen einzubauen, um diese damit zu fördern. Diesem Plan steht in Deutschland eine einheitliche Front der Ablehnung von Aufsehern, aber auch Bankern gegenüber. Vorschlägen für einen “Green Supporting Factor”, die zulasten der Risikoorientierung gingen, könne er “nichts abgewinnen”, hat etwa vor wenigen Tagen Bundesbankvorstandsmitglied Andreas Dombret erklärt. In der Branche wird argumentiert, der in die Finanzkrise führende Subprime-Hypotheken-Boom in den USA habe vor zehn Jahren gezeigt, wohin es führe, sollten politische Ziele, in diesem Fall die Förderung von Wohneigentum, mit regulatorischen Mitteln verfolgt werden.”Grundsätzlich verfolgen wir alle dasselbe Ziel”, gibt sich Oudéa versöhnlich. “Es gibt aber verschiedene Wege, um Bedingungen und Anreize für den Übergang zu einem grünen Finanzsystem zu schaffen. Manche würden eine Pönalisierung besonders ressourcenintensiver Assets bevorzugen. Wir ziehen positive Anreize negativen Sanktionen vor.” Über die Formalien und darüber, ob eine solche Behandlung befristet oder dauerhaft sein solle, könne man offen debattieren. An Dynamik gewonnen”In den zurückliegenden zwei bis drei Jahren hat das Thema Nachhaltigkeit definitiv an Dynamik gewonnen”, stellt er fest. Um selbst zur grünen Transformation beizutragen, hat sich SocGen Oudéa zufolge schon 2016 vorgenommen, bis 2020 grüne Finanzierungen im Volumen von 100 Mrd. Euro auszureichen oder zu vermitteln. 15 Mrd. von diesem Betrag sollen dabei aus dem Beratungsgeschäft oder aus Finanzierungsarrangements stammen, welche über die Bilanz der Bank laufen, der Rest aus der Emission grüner Anleihen. Zudem hat das Institut Oudéa zufolge Finanzierungen von Schiefergasprojekten, Ölsandvorhaben in der Arktis sowie von kohlenstoffintensiven Projekten abgeschworen. Umweltziele flössen seither auch in die Vergütung der oberen 60 Top-Manager ein, berichtet er. Auch habe die Bank messbare Ziele für die Reduktion des Kohlenstoffausstoßes durch die Belegschaft definiert. Regulatorisch gibt es DruckDer grüne Schwenk passt laut Oudéa zum Institut, gerade weil es sich zu den weltweit führenden Finanzierern im Energiesektor zählt. Diese Strategie motiviere vor allem die Jüngeren unter den Mitarbeitern der Bank. Nicht zuletzt nehme aber auch der regulatorische Druck zu, erklärt er und verweist etwa auf den Vorstoß des globalen Finanzstabilitätsrates, die Umweltrisiken als neue Dimension in die Steuerung von Banken einzubringen. Es dürfte seiner Einschätzung zufolge noch zwei bis drei Jahre dauern, bis daraus handfeste Vorgaben der Aufseher werden. Druck von der Aufsicht in Frankreich bzw. vom Staat, Green Finance zu forcieren, verspüre er nicht, sagt Oudéa. “Es gibt keinen Druck. Wir haben uns dieser Evolution verpflichtet. Wenn wir darüber hinaus einen Anreiz bekommen, hilft das zusätzlich. Aber unabhängig davon, was das Ergebnis dieser Debatte um Green Finance sein wird – es wird uns nicht davon abhalten, uns entlang der gesamten Wertschöpfungskette dieser neuen Form der Finanzierung zu widmen, um Wert für alle Stakeholder zu schaffen, die sich daran beteiligen wollen, und eine aktive Rolle in der Energiewende zu spielen.” Der französische Präsident Emmanuel Macron und sein Umweltminister Nicolas Hulot haben sich zum Ziel gesetzt, Paris zur Welthauptstadt der grünen Finanzwirtschaft zu machen. Bedarf, umweltverträglicher zu handeln, macht Oudeá freilich nicht nur in der Bank, sondern auch bei ihren Kunden aus. “Ich denke, wir können Unternehmen eine Menge Mehrwert bieten, was den Übergang auf eine nachhaltige Wirtschaft angeht”, sagt er auch mit Blick auf den Energiesektor in Emerging Markets. Früher sei die zur Erzeugung erneuerbarer Energie verwendete Technik teuer und unzuverlässig gewesen, zudem habe sie öffentliche Subventionen erfordert. Inzwischen habe es enorme Fortschritte gegeben, und es eröffneten sich neue Möglichkeiten, um diese Technik rentabel einzusetzen. 1 500 Stakeholder befragtBevor SocGen im Januar 2016 ihre Ziele für 2020 formulierte, konsultierte die Bank Oudéa zufolge 1 500 Stakeholder, von Aktionären bis hin zu Nichtregierungsorganisationen, hinsichtlich ihrer Erwartungen an das Institut. Die Befragten drangen demnach unter anderem darauf, dass die Bank sich für die Energiewende engagiere, aber auch dass sie in der Lage sei, Start-ups zu finanzieren. Kundenzufriedenheit, Diversität und das Verhalten von Managern waren weitere Punkte. Aus eigenem Antrieb fügte das Management Oudéa zufolge Engagement in Afrika hinzu. Afrika sei der einzige Kontinent, der in den kommenden Jahrzehnten Einwohnerwachstum verzeichnen dürfte, führt er aus, und es stelle sich die Frage, wie er dieses Wachstum bewältige und verhindere, dass seine Einwohner vermehrt beschlossen, ihn zu verlassen.SocGen, die Oudéa zufolge 11 000 Leute in Afrika beschäftigt und dort in 19 Ländern präsent ist, sieht Oudéa dazu prädestiniert, dort nicht nur Groß-, sondern auch Mikroprojekte zu finanzieren. Chancen ortet er etwa im Aufbau eines dezentralen Energiesektors. Zudem könne die Bank elektronische Wallets anbieten, mit deren Hilfe Leute ohne Zugang zu einem Konto Geld einzahlen und etwa Versorgerrechnungen begleichen können. Es ist noch ein weiter WegZugleich räumt Oudéa ein, dass SocGen selbst noch einen weiten Weg zu gehen hat, um eine grüne Bank zu werden. Einen Hebel bietet dabei etwa die 2017 an die Börse gebrachte Auto-Leasing-Tochter ALD mit ihren rund fünf Millionen Fahrzeugen. Künftig dürften die Leute Autos anders nutzen, gibt Oudéa zu bedenken und verweist auch auf den Trend hin zu Elektroautos. “2020 werden wir einen neuen strategischen Plan mit neuen Zielen veröffentlichen”, kündigt er an. Ein Punkt könnten dabei das Retail-Geschäft und die Finanzierung energieeffizienten Wohneigentums sein, wie er durchblicken lässt. Bereits in der Entwicklung befänden sich Leasing-Angebote der bisher auf Firmenflotten kaprizierten Tochter ALD für Private.Nachhaltigkeit betrifft nicht zuletzt Reputationsfragen, und vor wenigen Tagen hat die Bank mit der Nachricht aufhorchen lassen, dass Vize-CEO Didier Valet ohne Abfindung abgetreten ist, “um die Interessen der Bank zu schützen”. Hintergrund sind offenbar Meinungsverschiedenheiten über den Umgang mit einem Verfahren wegen Zinssatzmanipulationen gewesen. Oudéa äußert sich dazu nicht. Allgemein sei festzustellen, dass Rechtsrisiken die Reputation einer Bank beeinträchtigen könnten. Sie zu schützen müsse der Bank am Herzen liegen. Zugleich sehe er es als CEO auch als seine Aufgabe an, dafür zu sorgen, dass die Mitarbeiter nicht nur komplexe Regeln zu befolgen wissen, sondern auf der anderen Seite auch ein Klima erhalten bleibe, in welchem etwa mit Blick auf die Digitalisierung Experimente möglich seien. —-Zuletzt erschienen:- Green Finance ist ein Geschäftsfeld der Zukunft (23. März)- DVFA-Kodex für Nachhaltigkeit im Anlageprozess (21. März)- Governance war immer entscheidend (17. März)