Wirecard-Aktionäre reagieren cool
War da was? Die Razzia und die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft gegen Wirecard beunruhigten die Aktionäre am Montag offenbar nur in den ersten Handelsstunden. Der Vorstand beteuerte, auf das Geschäft hätten die Rechtsangelegenheiten rund um Kommunikation und Bilanzen keinen Einfluss. Das operative Ergebnis werde in diesem Jahr wie geplant kräftig steigen. jh München – Die Aktionäre von Wirecard haben am Montag gelassen auf die Razzia der Staatsanwaltschaft München reagiert. Der Aktienkurs des Zahlungsdienstleisters lag am Montag zum Handelsschluss mit 97,48 Euro sogar 1,7 % im Plus. Zu Beginn war der Wert um 5,7 % abgerutscht, am Freitag nachbörslich sogar um 7,5 %.Die Ermittler hatten am Freitag die Unternehmenszentrale in Aschheim bei München durchsucht (vgl. BZ vom 6. Juni). Es besteht der Verdacht, dass zwei Ad-hoc-Mitteilungen des Konzerns vom März und April im Zusammenhang mit einer Sonderprüfung der Bilanzen “irreführende Signale” für den Börsenkurs gaben. Die deutsche Finanzaufsicht BaFin hatte zuvor eine Strafanzeige gegen den Vorstand gestellt.In einer am Sonntagabend veröffentlichten Mitteilung berichtete Wirecard, den Behörden alle angeforderten Daten kurzfristig bereitgestellt zu haben. “Vorstand und Gesellschaft respektieren die Ermittlungen und kooperieren mit den Behörden”, heißt es darin weiter. Wie schon am Freitag betonte das Unternehmen, die Ermittlungen richteten sich gegen die vier Vorstandsmitglieder. Der Zusatz “nicht gegen die Gesellschaft” fehlte nun allerdings.Auf das operative Geschäft wirke sich die Untersuchung nicht aus, teilt das Unternehmen mit. Es bestätigte deshalb die Prognose für dieses Jahr: Der Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen (Ebitda) soll in einer Spanne von 1 Mrd. Euro bis 1,12 Mrd. Euro liegen. Im vergangenen Jahr stieg das Ebitda nach vorläufigen Zahlen um 40 % auf 785 Mill. Euro. Die Vorlage des Konzernabschlusses hat Wirecard mehrmals verschoben, zuletzt auf den 18. Juni.Die Investmentbank Oddo BHF stuft die Strafanzeige und die Ermittlungen als “sicher negativ” für die Aktie ein. Sie brächten aber fundamental keine neuen Hintergründe zum Unternehmen mit sich. Es sei zu früh, um festzustellen, ob die Wirecard-Aktie im Vergleich mit den Konkurrenten Adyen, Worldline und Nexi preiswert sei oder ob der Kurs mögliche Unregelmäßigkeiten in der Bilanz angemessen widerspiegele. Das Anlageurteil von Oddo BHF lautet “neutral” mit einem Kursziel von 105 Euro. “Jahrelanger Streit”Der Aktionär Deka, die Fondsgesellschaft der Sparkassen, befürchtet eine langwierige Aufarbeitung der Manipulationsvorwürfe gegen Wirecard. “Die Gefahr ist, dass Wirecard jahrelange Rechtsstreitigkeiten bevorstehen”, sagte Ingo Speich, der Leiter der Deka-Abteilung Nachhaltigkeit und Corporate Governance, der Nachrichtenagentur Reuters. “Wenn sich auf strafrechtlicher Seite etwas manifestiert, dann öffnet das zusätzlich das Fenster für zivilrechtliche Klagen.”Die Deka hatte schon vor einem Monat den Rücktritt des Vorstandsvorsitzenden Markus Braun gefordert. Braun habe das Unternehmen in eine Situation manövriert, in der es nur noch aus der Defensive agieren könne, sagte Speich nun. Mit der Strafanzeige der Finanzaufsicht gerate der Konzernchef noch weiter unter Druck.Die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) verlangt trotz des Sondergutachtens von KPMG, das der Aufsichtsrat von Wirecard in Auftrag gegeben hatte, eine unabhängige Sonderprüfung des Unternehmens. “Das wäre der richtige Schritt, um Vertrauen wiederherzustellen”, sagte DSW-Vizepräsident Klaus Nieding.Wirecard muss sich wegen der umstrittenen Kapitalmarktkommunikation auf Zivilklagen einstellen. Wie berichtet, hat die Anwaltskanzlei Tilp eine Klage eingereicht und einen Antrag auf Einleitung eines Musterverfahrens gestellt. Der Hedgefonds TCI von Christopher Hohn, der wie die Deka den Rücktritt von Vorstandschef Braun verlangt, reichte beim Landgericht München I bereits Strafanzeige gegen das Management ein. – Wertberichtigt Seite 8