Wirecard-Chef Braun hat noch Lust auf den Job
Von Joachim Herr, AschheimPressekonferenzen sind nicht sein Element. Für die Fotografenschar stellt sich Markus Braun in dunklem Anzug und weißem Hemd aufs Podium und zwingt sich zu einem Lächeln. Wenige Minuten später beginnt der Vorstandsvorsitzende von Wirecard mit seinem Vortrag und gesteht vorneweg: “Ich muss mich an diese mediale Aufmerksamkeit erst gewöhnen.”Das Interesse ist groß, zahlreiche Journalisten sind in den schmucklosen Hotelsaal gekommen. Schließlich ist viel passiert im und mit dem Unternehmen in Aschheim östlich von München: vor sieben Monaten der Aufstieg in den Dax, Ende Januar der erste Zeitungsbericht über angebliche Bilanzmanipulationen in einer Tochterfirma in Singapur, Attacken von Leerverkäufern, Kurssturz. Seitdem geht es an der Börse mit Wirecard auf und ab.Braun bemüht sich, die ganze Aufregung um den Zahlungsdienstleister einzufangen: “Ich habe in den letzten zwei Monaten nicht die Lust an meinem Job verloren”, behauptet er, fügt dann aber doch hinzu: “Es gab herausfordernde Tage, das muss ich auch sagen.”Der 49 Jahre alte Österreicher mit der hohen Stirn zeigt sich entschlossen: “Man muss sich dem Markt stellen.” Näher geht er auf die Frage gar nicht ein, ob er sich von der deutschen Finanzaufsicht BaFin eine Verlängerung des Leerverkaufsverbots gewünscht hätte.Auch zur rechtlichen Auseinandersetzung mit der “Financial Times”, die das Thema “falsche Buchungen” aufbrachte, äußert sich Braun nur kurz. Es sei einfach die Pflicht eines Unternehmens, möglichen Schadenersatzansprüchen nachzugehen.Braun will sich weder mit Kämpfen noch mit Leerverkäufern mehr als notwendig auseinandersetzen, wie er beteuert. Er richtet seinen Blick auf das Geschäft: “Davon lassen wir uns nicht abhalten.” Und erinnert an neue Partnerschaften, zuletzt mit dem japanischen Konzern Softbank. Sich ganz aufs Operative zu konzentrieren, lautet sein Credo: “Damit schaffen wir den stärksten Wert für unsere Investoren.”Der promovierte Ökonom und Wirtschaftsinformatiker, der in 17 Jahren Wirecard groß gemacht hat, verfolgt ambitionierte Ziele. Kurz nach dem Aufstieg in den Dax sprach er vom Potenzial, den Börsenwert des Unternehmens in den nächsten Jahren auf 100 Mrd. Euro zu katapultieren. Aktuell wird in der deutschen Topliga nur SAP über dieser Schwelle bewertet. Wirecard kommt auf knapp 16 Mrd. Euro.Brauns Wachstumsziele basieren auf einer Plattformidee: Wirecard will Zahlungs- und Bankdienstleistungen verknüpfen. Vieles klingt dabei abstrakt und wird mit Anglizismen garniert, doch immerhin ein anschauliches Beispiel nennt Braun in der Pressekonferenz: den Kauf einer teuren Handtasche in Echtzeit gleich finanzieren lassen.Und welche Lehren zieht er nun aus den turbulenten Wochen und falschen Buchungen? “Wir sind ein Wachstumsunternehmen”, betont Braun. “Wir machen jeden Tag Fehler, auch ich.” Diese Einsicht hält er für wichtig. Denn: “Wir sind sehr stark darin, Dinge zu akzeptieren und daraus Positives zu machen, um noch besser zu werden.” Braun lacht.Am Ende der Pressekonferenz nach eineinhalb Stunden schaut er kurz auf sein Smartphone und verlässt den Saal auf direktem Weg. Das Geschäft macht keine Pause.