Wirecard-Prozess

Wirecard-Prozess zeigt Zweifel am Drittpartnergeschäft auf

Nach einer Sommerpause im August setzt sich der Wirecard-Betrugsprozess vor dem Landgericht München fort. Eine Zeugin erhärtete den Vorwurf der Staatsanwaltschaft, dass das angebliche Drittpartnergeschäft ein Luftschloss war.

Wirecard-Prozess zeigt Zweifel am Drittpartnergeschäft auf

"Ich hätte gerne alle Verträge dazu gesehen"

Im Wirecard-Prozess bekräftigt eine Zeugin die Undurchsichtigkeit des Drittpartnergeschäfts

sck München

Im Strafprozess um den Betrug bei Wirecard hat eine Zeugin vor dem Landgericht München vorherige Aussagen bestätigt, dass das Drittpartnergeschäft (TPA) auch konzernintern undurchschaubar gewesen sei. "Ich hätte gerne alle Verträge dazu gesehen", sagte Nikolina Lazic vor der 4. Strafkammer unter Vorsitz des Richters Markus Födisch während ihrer Befragung. Einblicke in die Verträge hatte sie aber nach eigener Auskunft nicht gehabt. Lazic arbeitete vor dem vor drei Jahren aufgeflogenen Skandal beim Zahlungsabwickler in der Konzernbuchhaltung. Ihren Aussagen zufolge wurden die Zahlen zum TPA-Bereich regelmäßig "zu spät" geliefert. Sie bezog sich dabei auf den "Flurfunk" im Unternehmen. Lazic selbst war seinerzeit mit einem Gutachten über die Konsolidierung der Wirecard-Aktivitäten im TPA-Bereich beschäftigt. Die Daten habe sie im Austausch mit ihrer damaligen Vorgesetzten und mit Chefbuchhalter Stephan von Erffa erhalten, berichtete sie.

Der Ex-Bereichsmanager von Erffa sitzt wie der frühere Vorstandsvorsitzende Markus Braun und der ehemalige Konzernstatthalter in Dubai, Oliver Bellenhaus, auf der Anklagebank. Bellenhaus ist der Kronzeuge der Staatsanwaltschaft. Er legte bereits ein umfangreiches Geständnis ab. Bellenhaus hat nach eigener Aussage die TPA-Aktivitäten vorgetäuscht und gefälschtes Datenmaterial an die Konzernzentrale geliefert. Die Strafermittler werfen dem Trio gewerbsmäßigen Bandenbetrug, Bilanzfälschung und Marktmanipulation vor. Den Schaden für die Gläubiger bezifferte die Justizbehörde auf 3,3 Mrd. Euro. Braun bestreitet die Vorwürfe. Er hält sich für unschuldig. Seine Verteidiger streben an, dass Braun aus der Untersuchungshaft entlassen wird. Seit Juli 2020 sitzt er in der Strafjustizanstalt München-Stadelheim, ebenso Bellenhaus.

Frei erfunden

Das einstige Dax-Mitglied Wirecard brach im Juni 2020 nach einem aufgedeckten Bilanzloch von 1,9 Mrd. Euro unter der Last hoher Verbindlichkeiten zusammen. Die Summe diente nach Angaben der Wirecard-Führung zur Deckung des Drittpartnergeschäfts. Der Staatsanwaltschaft zufolge hat dieses Geld auf Treuhandkonten in Manila nie existiert. Auch das TPA-Geschäft sei eine Erfindung gewesen. Es habe ebenfalls nur auf dem Papier bestanden.

Die Vorwürfe der Strafermittler decken sich mit den bisherigen Zeugenaussagen vor Gericht. Belege über die Existenz des TPA-Geschäfts wurden bislang nicht vorgebracht. Das TPA-Geschäft machte einen Großteil des Umsatzes und des Ergebnisses von Wirecard aus. Der Wirecard-Insolvenzverwalter Michael Jaffé fand ebenfalls keine Beweise für die Existenz des Drittpartnergeschäfts. Er geht auch davon aus, dass diese Aktivitäten frei erfunden waren, um die wahre Lage des Unternehmens zu verschleiern.

Nach einer dreiwöchigen Sommerpause setzte die Strafkammer den Prozess am Mittwoch fort. Das Mammutverfahren vor Gericht begann Anfang Dezember vergangenen Jahres. Födisch setzte zwar bislang 100 Verhandlungstage bis Ende 2023 an, geht aber davon aus, dass der Prozess sich weit ins Jahr 2024 hinziehen wird. Kurz vor der Sommerpause wurde bekannt, dass am 22. Februar 2024 im Fall Wirecard vor dem Landgericht München auch ein Organhaftungsverfahren gegen die früheren Vorstände und Aufsichtsratsmitglieder des Unternehmens beginnt. Jaffé fordert von diesen Schadenersatz.

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