Im Gespräch:Stefan Behr, CEO J.P. Morgan SE

Wo J.P. Morgan in Europa stärker wachsen will

Fintechs, Payments, Commercial Banking und mehr: J.P. Morgan will in Europa stärker wachsen. Europachef Stefan Behr über die gestiegenen Ambitionen der US-Bank.

Wo J.P. Morgan in Europa stärker wachsen will

IM GESPRÄCH: Stefan Behr

„Wir suchen jetzt auch Wachstumsunternehmen“

Der J.P.-Morgan-Europachef über höhere Ambitionen im Commercial Banking und Zahlungsverkehr – Gerüchte um ein deutsches Retail Banking

Von Philipp Habdank, Frankfurt

In Europa hat die US-Großbank J.P. Morgan ihre Geschäfte nun unter einem Dach gebündelt. Im Gespräch mit der Börsen-Zeitung erklärt Europachef Stefan Behr, weshalb ihn das Bankenbeben ziemlich kalt gelassen hat und wo die Bank stärker angreifen will: Fintechs und Firmenkunden stehen stärker im Fokus.

Die großen US-Banken machen in Deutschland Ernst. Goldman Sachs Bank Europe SE erhielt zuletzt 6 Mrd. Euro frisches Kapital und hat die Kapitalbasis damit gegenüber Ende 2021 glatt verdoppelt, wie aus dem Geschäftsbericht 2022 hervorgeht. Gemessen an der Bilanzsumme von 240 Mrd. Euro haben die Goldmänner in Deutschland bei den Auslandsbanken nur noch die Unicredit (318 Mrd. Euro) und J.P. Morgan (436 Mrd. Euro) vor sich. Letztere hat ihre drei europäischen Altgesellschaften unter dem Dach der J.P. Morgan SE zusammengefasst, die ihre Erträge im vergangenen Geschäftsjahr auf 4,8 Mrd. Euro mehr als verdoppelt hat und stärker wachsen will, wie Europachef Stefan Behr im Gespräch mit der Börsen-Zeitung bekräftigte.

Die jüngsten Turbulenzen bei US-Regionalbanken und der Credit Suisse hatten laut Behr nahezu keine Auswirkungen auf seine Bank. „Als Legal Entity hatten wir sehr wenig unmittelbares Exposure.“ Auch die kontroverse Debatte um die AT1-Anleihen brachte Behr nicht aus der Ruhe, da J.P. Morgan in Europa keine dieser Anleihen emittiert habe. Und auch mit Blick auf den Einlagenschwund im Bankensektor zeigte sich Behr relativ entspannt. J.P. Morgan generiere in Europa zwar im Zahlungsverkehrsgeschäft, Depotbank- und Verwahrgeschäft sowie im Private Banking und Commercial Banking Einlagen von Kunden. „Einen Einlagenabfluss haben wir jedoch nicht gesehen“, sagt Behr. Die Bank soll bei den Einlagen seit Jahresbeginn sogar leicht zugelegt haben, wie zu hören ist.

Russland-Sanktionen belasten

Was die Bank in Europa zu spüren bekam, war der russische Überfall auf die Ukraine. Wie aus dem Geschäftsbericht hervorgeht, beeinflusste das Ausscheiden russischer Kunden das Abwicklungsvolumen im Zahlungsverkehr. Zudem waren als Folge der EU-Sanktionen gegenüber Russland die erwarteten Kreditverluste Ende 2022 höher als geplant, was hauptsächlich auf zusätzlich zu bildende Rückstellungen im Kreditgeschäft zurückzuführen sei, insbesondere im Segment Private Bank. Details nennt die Bank nicht, Russland zählte jedoch nie zu den Top-20-Länderrisiken der Bank.

„Wir haben in zwei Bereichen geschäftliche Beziehungen zu russischen Kunden unterhalten“, sagt Behr. Dies betreffe zum einen das Korrespondenzbankengeschäft mit russischen Banken, für die J.P. Morgen das Euro-Clearing übernommen hat. Zum anderen betreffe dies besonders vermögende russische Kunden innerhalb der Private Bank, sogenannte Ultra-High-Net-Worth-Kunden. „Wir haben unser Geschäft in Russland unter Einhaltung der Sanktionen aktiv abgewickelt und verfolgen kein neues Geschäft im Land“, sagt Behr. „Wir haben uns darauf konzentriert, unsere Kunden bei der Bewältigung der Krise und Regierungen bei der Durchsetzung von Sanktionen zu unterstützen.“

Im Zahlungsverkehr habe es zwei gegenläufige Effekte gegeben. Den Ertragsrückgängen aus Geschäften mit russischen Kunden habe ein Ertragswachstum mit Fintech-Kunden gegenübergestanden. „Ertragsseitig haben sich die beiden Effekte in etwa die Waage gehalten“, so Behr.

Payments zahlen sich aus

Fintechs sind für die Bank eine wachsende Kundengruppe, da viele Fintechs Zugang zu Clearing-Systemen bräuchten. „Wir waren schon immer stark im Dollar-Clearing, wachsen aber auch im Euro-Clearing.“ Zusammen mit Citigroup und Deutsche Bank ist J.P. Morgan einer der drei großen Anbieter. Ein wichtiger Schritt für die Bank war es, die drei europäischen Altgesellschaften unter dem Dach der J.P. Morgan SE zu bündeln.

Das Wachstum im Zahlungsverkehr rühre aber nicht allein von den Fintechs her. Behr zufolge wachse die Bank auch sukzessive mit Unternehmenskunden. Große Firmen verfolgen unterschiedliche Strategien, wenn es um den Standort ihrer Treasury-Zentren geht. Beispielsweise hätten Technologieunternehmen wie Google und Ebay ihre europäischen Treasury-Zentren in Dublin, Multinational-Unternehmen oftmals in Amsterdam. „Unter dem Dach der J.P. Morgan SE können wir für Kunden an allen Standorten Konten führen“, sagt Behr.

Einlagen und Kreditsalden im Commercial Banking sollen wachsen

Das Firmenkundengeschäft mit Mittelstandskunden ist der zweite große Wachstumspfad von J.P. Morgan in Europa. Das Commercial Banking betreiben die Amerikaner in Europa erst seit 2019. Es umfasst das Geschäft mit mittelgroßen und kleineren Firmenkunden, die nicht in der Corporate & Investment Bank betreut werden. „Wir suchen jetzt auch Wachstumsunternehmen, die international tätig sind und denen wir bei globalen Treasury- und Investment-Banking-Fragen helfen können“, sagt Behr. Die Bank gehe davon aus, dass dieses Segment „mit Blick auf das Wachstum der Kundeneinlagen und Kreditsalden eines der dynamischsten Segmente innerhalb der JPMSE sein wird“, was sich in höheren Betriebserträgen niederschlagen soll, wie aus dem Geschäftsbericht hervorgeht.

Klassisches Kreditgeschäft haben US-Banken in Deutschland im Niedrigzinsumfeld so gut es ging vermieden – nicht profitabel genug. Mit der Zinswende könnte sich das ändern. „Als globale Bank mit lokaler Präsenz sind wir bestrebt, langfristig in den Märkten, in denen wir tätig sind, zu operieren und unsere Kunden so zu bedienen, wie sie es brauchen“, deutet Behr durchaus die Bereitschaft zum Kreditgeschäft an. Mit einer großangelegten Kreditoffensive ist aber wohl dennoch nicht zu rechnen.

Die Bank sei zudem dabei, Leveraged-Finance-Kapazitäten aufzubauen. Dazu hat J.P. Morgan global 10 Mrd. Dollar für eine Direct-Lending-Strategie bereitgestellt, um ein „Portfolio an Beziehungen aufzubauen“, wie es Kevin Foley, Global Head of Debt Capital Markets, neulich in einem Bloomberg-Interview formulierte. Gemeint ist damit die Beziehung zu Private-Equity-Investoren, die für ihre Zukäufe regelmäßig großen Fremdkapitalbedarf haben.

Bankchef hält sich bedeckt

Wachsen will J.P. Morgan aber auch im Private Banking. „Der deutsche Markt ist hier einer der attraktivsten und wir sind noch dabei, neue Mitarbeiter einzustellen“, sagt Behr. Die Produkte der Private Bank richten sich an besonders vermögende Kunden der gesamten EMEA-Region. Die Private Bank verfolgt einen mehrjährigen Wachstumsplan mit Fokus auf Kundenakquise. Die Fusion von Credit Suisse und UBS dürfte J.P. Morgen hier zusätzliches Wachstumspotenzial bescheren. Behr will das nicht kommentieren, merkt jedoch an, dass er seit der Fusionsankündigung noch keine großen Kundenbewegungen beobachten konnte.

Ähnlich bedeckt hält sich Behr zu einem weiteren Gerücht, das schon länger im Markt kursiert: Demnach könnte J.P. Morgan auch in Deutschland ins Retail Banking einsteigen. Da die Bank in Großbritannien mit einem solchen Produkt an den Markt gegangen ist und in Deutschland Stellen ausgeschrieben hatte, wird viel darüber spekuliert, ob Deutschland der nächste Markt in Europa sei, in dem die Retail-Banking-Strategie ausgerollt werden könnte.

Eilig scheinen es die Amerikaner jedoch nicht zu haben. Nach allem, was zu hören ist, ist nicht vor Ende 2024 mit einer Entscheidung zu rechnen. „Sollten wir uns aber entscheiden, unser Retail-Geschäft in der gesamten EU zu starten, wird Berlin der Hauptsitz für Kontinentaleuropa sein“, sagt Behr.

Sollten wir uns ent- scheiden, unser Retail-Geschäft in der gesamten EU zu starten, wird Berlin der Hauptsitz für Kontinentaleuropa sein.

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