ENDE DER GEWISSHEITEN

Wozu überhaupt ein Global Player?

Die Deutsche Bank zieht sich sogar in Europa zurück - Aber alle reden über Bankenkonsolidierung

Wozu überhaupt ein Global Player?

Von Bernd Wittkowski, FrankfurtIst die Deutsche Bank noch ein Global Player? Aus Sicht des Financial Stability Board (FSB) gehören die Blauen als einziges deutsches Institut zu den 29 als global systemrelevant erachteten Banken. Das macht sie aber noch nicht zum weltweiten Akteur. Unabhängig davon, dass man auch von einem Global Player nicht erwarten kann, in jedem der 193 Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen von Antigua und Barbuda bis Vanuatu vertreten zu sein, galt die Deutsche Bank hierzulande traditionell als einzige Angehörige dieser Spezies. Das entsprach auch der Selbsteinschätzung: “Wir sind eine globale Bank”, das sei spätestens seit der Übernahme der US-Adresse Bankers Trust 1999 unübersehbar, sagte Vorstandssprecher Rolf Breuer 2002. Doch der Anspruch des Hauses scheint auch insoweit einem Wandel zu unterliegen, und die Lebenswirklichkeit sieht dann noch einmal anders aus. Ambitionen zurückgestutzt”Wir wollen die führende kundenorientierte globale Universalbank sein”, definierte das Institut noch 2015 seine Vision. Heute bezeichnet es sich als “eine führende europäische Bank mit globaler Reichweite” und, so CEO Christian Sewing auf der Hauptversammlung im vorigen Mai, als “Europas führende Unternehmens- und Investmentbank mit globalem Netzwerk”. Es ist keine Wortklauberei, wenn man hierin ein allmähliches Zurückstutzen der Ambitionen erkennt, wiewohl Sewing später den “globalen Anspruch” bekräftigte, der unter seiner Führung nicht zur Debatte stehen werde. Dabei sieht er sich ganz im Einklang mit der Bundesregierung, glaubt doch auch Finanzminister Olaf Scholz, “dass wir global tätige, funktionierende Banken in Deutschland brauchen, die im Wettbewerb mithalten und ihre Stärken entfalten können”.Doch die Realität hält Sewings Ehrgeiz nur bedingt stand. So fährt die einst größte Bank der Welt in den USA, wo sie in den vergangenen Jahren Milliarden in Form von Strafzahlungen versenkt hat, nicht nur das Zinsgeschäft deutlich zurück, sondern schrumpft auch in anderen Bereichen wie Corporate Finance. Insgesamt ist die Unternehmens- und Investmentbank noch in mehr als 60 Ländern aktiv. 2002 waren es 75.Zu einem Global Player will auch nicht recht passen, dass das Institut sogar in Europa auf dem Rückzug ist. Die Privat- und Firmenkundeneinheit stieß das Geschäft in Polen und Portugal ab. In Spanien, neuerdings wieder als Wachstumsmarkt auserkoren, scheiterte der Verkauf des Privatkundengeschäfts offenbar nur am Preis. Dabei hatte die Deutsche Bank, angetan von den sich in diesen Ländern eröffnenden Expansions- und Ertragschancen, mit ihren dortigen Großinvestitionen schon in den 1980er und 1990er Jahren an der Verwirklichung einer Vision gearbeitet, die heute unter dem Begriff “Paneuropäische Konsolidierung” ein Dauerthema für Banken, Aufseher und Politik ist. Aber nun, da (nicht nur) die ganze Finanzwelt von Bankenkonsolidierung redet, wird die Entwicklung zurückgedreht.Der Ruf nach nationaler und europäischer Konsolidierung kommt auch aus der Realwirtschaft, etwa vom Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI). “Deutsche Unternehmen sind weltweit aktiv. Für sie wäre sicherlich interessant, wenn es zu einer europäischen Integration der Banken kommen würde. Dann hätten sie Banken, die sie zumindest innerhalb von Europa in mehr Märkten besser betreuen könnten”, sagt Hauptgeschäftsführer und Präsidiumsmitglied Joachim Lang. Im Investment Banking hätten US-Adressen hierzulande in den vergangenen Jahren überproportional an Bedeutung gewonnen. Angesichts dieser Entwicklung wäre es sinnvoll, wenn sich die deutschen Großbanken europäische Partner suchten, die über große Erfahrung im Kapitalmarktgeschäft verfügen, meint Lang.Zweifellos braucht Außenhandel Finanzierung und andere bankmäßige Begleitung. Aber bedarf es dazu wirklich der Fusion der letzten beiden Frankfurter Großbanken, einer europäischen Konsolidierung, bei der gerade deutsche Banken nicht den besten Track Record aufweisen, oder der Formierung neuer Global Player? Die Commerzbank finanziert seit 149 Jahren Handelsaktivitäten und kann sich heute zugutehalten, 30 % des deutschen und einen großen Teil des europäischen Außenhandels abzuwickeln, obwohl sie gemeinhin nicht zu den weltweiten Spielern gerechnet wird. Um im Welthandel die Bank an der Seite deutscher Unternehmen zu sein, reichen den Gelben Stützpunkte in knapp 50 Ländern und ein globales Netz von Korrespondenzbanken.Nebenbei: Auch die DZ Bank und die eine oder andere Landesbank, die alle nicht als Global Player durchgehen, stehen ihren Unternehmenskunden durchaus mit Akkreditiven, Zins- und Währungsmanagement, Risikoabsicherung oder dem Auslandszahlungsverkehr zu Diensten. Auch dafür braucht es übrigens keine “Superlandesbank”. Absagen aus FrankreichNicht von ungefähr erteilen die Chefs französischer Großbanken wie Jean-Laurent Bonnafé von BNP Paribas oder Philippe Brassac vom Crédit Agricole Fusionen mit respektive Übernahmen von deutschen Häusern klare Absagen – trotz Effizienzsteigerungen und Ertragssynergien, die ihnen Berater mit bunten Powerpoint-Präsentationen gerne einreden würden. Davon abgesehen, dass diese Banken stark genug sind, auch außerhalb ihres Heimatmarktes aus eigener Kraft zu wachsen, dürften ihnen die Argumente gegen eine groß angelegte Konsolidierung sehr bewusst sein. Eine breit aufgestellte Großbank wie die Deutsche ist längst ein überkomplexes Gebilde, weshalb sie ja gerade gezielt Komplexität aus ihrem Geschäftsmodell herauszunehmen versucht. Zudem bleiben praktisch alle Häuser dieser Dimension im In- und Ausland im gegebenen Zinsumfeld, durch Regulierung und Digitalisierung absehbar auf Jahre hinaus Großbaustellen.Wer sich in diesem Umfeld zu allem Überfluss auf eine komplexe Fusion einlässt, handelt sich weitere drei bis fünf Jahre teurer Restrukturierungen ein und beschäftigt sich in dieser Zeit weiter mit sich selbst statt mit den Kunden. Egal, ob sich “Blau” und “Gelb” vereinen, wie es Berliner “Industriepolitikern” vorschwebt, oder sich etwa Italiens Unicredit und Frankreichs Société Générale verbandeln. Aber elf Jahre nach der Wiederentdeckung des Themas “too big/too complex to fail” feuern ausgerechnet Politiker und Europas Bankenaufseher die Strategen unverdrossen bei solchen Planspielen an.