LeitartikelUS-Immobilienmarkt

Die nächste Krise braut sich schon zusammen

Die US-Immobiliennachfrage leidet massiv unter Zinsanstiegen. Turbulenzen im Bankensektor erhöhen nun den Druck - eine gefährliche Mischung für den gesamten Finanzmarkt.

Die nächste Krise braut sich schon zusammen

US-Immobilienmarkt

Die nächste Krise schwelt schon

Von Alex Wehnert

Die jüngsten Bankturbulenzen erhöhen den Druck auf den US-Immobilienmarkt. Damit drohen neue Verwerfungen im Finanzsystem.

Im Zuge der jüngsten US-Bankturbulenzen haben Kommentatoren allerorten warnende Vergleiche zur Finanzkrise 2008 gezogen. Dass solche Parallelen zwar plakativ, aktuell aber nicht von der Hand zu weisen sind, zeigt sich am US-Immobilienmarkt. Die Investorennachfrage nach Wohngebäuden mit mehreren Mieteinheiten ist zuletzt so stark gefallen wie seit der Subprime-Krise nicht: Im ersten Quartal 2023 ging das Verkaufsvolumen laut dem Datendienstleister CoStar Group gegenüber dem Vorjahr um 74% auf 14 Mrd. Dollar zurück – letztmals gab es einen solchen Einbruch 2009.

Natürlich gilt es bei solchen Vergleichen die Bezugswerte zu beachten. Denn nach dem Corona-Crash 2020 explodierten die Transaktionsvolumina bei Wohngebäuden und erreichten im Schlussquartal 2021 mit über 115 Mrd. Dollar einen Rekordwert. Die Effekte der ultraexpansiven Geldpolitik zeigten sich auch noch in den ersten Monaten 2022 – bevor die Federal Reserve mit ihren Zinserhöhungen das Investorensentiment einbrechen ließ.

Doch Vergleichsgrößen hin oder her: Die hohen Kosten für Immobilienkäufer sollten den Teilnehmern an den breiten Finanzmärkten Anlass zur Sorge sein. Die Rate für dreißigjährige Festhypotheken ist laut der staatlich geförderten Bank Freddie Mac gegenüber November, als sie erstmals seit 20 Jahren über 7% stieg, zurückgegangen – mit 6,32% lag sie Ende März aber noch auf Niveaus, die zuletzt kurz vor Ausbruch der Krise 2008 gesehen wurden.

Bei hypothekenbesicherten Wertpapieren (MBS), die in den Wertpapierportfolios der US-Banken bedeutendes Gewicht einnehmen, werden damit hohe Renditeaufschläge gegenüber Staatsanleihen fällig. Und die starke Werterosion von Assets, zu deren Verkauf sich die kollabierte Silicon Valley Bank (SVB) nach einem Einlagenschwund gezwungen sah, war bei den jüngsten Verwerfungen im US-Finanzsystem ja erst entscheidender Auslöser.

Die Zusammenbrüche von SVB und Signature Bank tragen indes ihrerseits zu einer verschärften Gemengelage am Immobilienmarkt bei. Einerseits indirekt, weil die Risikoaversion unter Finanzdienstleistern infolge der Crashs zugenommen hat und sie sich mitunter ganz aus dem Lending zurückziehen oder deutlich restriktivere Kreditkonditionen stellen. Andererseits aber ganz direkt: Signature Bank gehörte zu den führenden Gewerbeimmobilien-Lendern der USA. Insbesondere in New York war das Geldhaus mit einem Marktanteil von 12% laut dem Datendienstleister Trepp stark vertreten.

Zwar hat der staatliche Einlagensicherungsfonds FDIC eine Käuferin für Signature Bank gefunden – das Gewerbeimmobilienportfolio des kollabierten Geldhauses bleibt dabei aber außen vor. Branchenvertreter glauben, dass die entstehende Lücke nur zum Teil durch andere Banken gefüllt wird – und stattdessen unter anderem spezialisierte Real Estate Debt Funds in den Markt vordringen werden. Diese rufen zumeist allerdings höhere Zinsen auf als traditionelle Kreditgeber, was die Transaktionsaktivität noch erheblich belasten dürfte.

Schon jetzt steigen die Leerstände und Hypotheken-Defaults im Gewerbebereich. Selbst exklusive Lagen geraten unter Druck: Der Anteil der vermieteten Büroflächen in sogenannten Class-A-Immobilien ist im Schlussquartal 2022 gefallen. Zuvor war er letztmals 2021 zurückgegangen.

Die Belastungen werden an Einzelbeispielen deutlich: Der Columbia Property Trust der Allianz-Tochter Pimco legte Ende Februar einen Default auf Kredite im Volumen von 1,7 Mrd. Dollar hin. Der Assetmanager Brookfield kam zuletzt dem Zinsdienst auf Schulden von 750 Mill. Dollar nicht mehr nach. Analysten erwarten, dass sich die Zahlungsausfälle noch beschleunigen. Denn 2023 werden Hypotheken auf Gewerbeimmobilien im Rekordvolumen von 270 Mrd. Dollar fällig und müssen zu schwierigen Konditionen refinanziert werden. Die Folgen einer neuen Krise wären nicht zu unterschätzen. Schließlich gilt die Entwicklung des 8 Bill. Dollar schweren MBS-Markts als aussagekräftiger Indikator für den Zustand der gesamten US-Wirtschaft.