IM INTERVIEW: ALBERT GRAF, TELEFÓNICA DEUTSCHLAND, UND JOACHIM ERDLE, LBBW

"Ziel ist zunächst die komplette Automatisierung"

Die Corporate-Finance-Chefs von Telefónica Deutschland und LBBW über Schuldscheinemissionen auf Blockchain-Basis

"Ziel ist zunächst die komplette Automatisierung"

– Was hat Sie dazu bewogen, bei der Begebung eines Schuldscheins auf Blockchain-Technologie zurückzugreifen? Was ist anders als beim Daimler-Schuldschein im vergangenen Jahr?Albert Graf: Seit dem Börsengang 2012 hat sich unsere Kapitalstruktur stark verändert. Ab Mitte letzten Jahres haben wir uns Möglichkeiten angeschaut, um unsere Finanzierungsinstrumente weiter zu diversifizieren. Hierbei haben wir uns für einen Schuldschein entschieden, der bislang in unserer Finanzierungsstruktur ein wenig unterrepräsentiert war. Da wir uns parallel seit einiger Zeit mit möglichen Anwendungsfällen der Blockchain im Finanzbereich beschäftigen, haben wir entschieden, beide Themenbereiche in einem Projekt zu kombinieren, um künftig Finanzierungen effizienter abwickeln zu können. Und das konnten wir gut gemeinsam mit der LBBW angehen, die seit 2016 an unserer Seite ist. Für uns war es dann bei der Konzipierung wichtig, dass wir nicht nur einen Piloten machen, sondern die Blockchain-Transaktion mit einer mittel- bis langfristigen Finanzierung in traditioneller Schuldscheinstruktur kombinieren.Joachim Erdle: Für uns ist es wichtig, dass das keine reine Labortätigkeit ist. Und da haben wir mit Telefónica den idealen Partner gefunden, um die Daimler-Emission weiterzuentwickeln. Neu ist die Verbindung zwischen der Blockchain-Transaktion und der normalen Schuldschein-Transaktion. Zweiter wesentlicher Unterschied ist, dass wir eine Vielzahl an Investoren anbinden – also nicht wie bei der ersten Transaktion drei plus LBBW. Ich denke, wir kommen dieses Mal auf eine kleine zweistellige Anzahl an Investoren, die das Schuldscheindarlehen zeichnen werden. Das bringt einiges an zusätzlichen Herausforderungen beim Onboarding-Prozess mit sich.- Wird in der Konstruktion irgendein Mittelsmann ausgeschaltet oder geht es einfach nur um erhöhte Effizienz im Lebenszyklus eines solchen Darlehens?Erdle: Aus LBBW-Sicht geht es in erster Linie um Effizienz und darum zu erkunden, welche Möglichkeit die Technologie bietet. Perspektivisch geht es dann im zweiten Schritt auch um die Ausschaltung von Intermediären beziehungsweise neu definierte Rollen. Gewisse Teile der Wertschöpfung einer Bank werden zukünftig sogar an Bedeutung zunehmen, das betrifft zum Beispiel die Beratung zur Strukturierung eines Schuldscheins und die Qualitätssicherung. Andere Teile der Wertschöpfung zum Beispiel aus der Abwicklung werden über Technologien wie Blockchain vereinfacht und beschleunigt.- Was gab es für Schwierigkeiten bei der Aufsetzung des Projektes? Wie wird regulatorische Compliance sichergestellt?Graf: Leider gibt es noch keinen regulatorischen Rahmen für Finanzierungen über die Blockchain. Daher werden wir in Kürze auch den Kontakt zur BaFin suchen, um unsere Erfahrung mit der Blockchain zu teilen und unsere Erwartungen für eine Regulierung zu kommunizieren. Bei der Generalprobe der Transaktion konnten wir schon beobachten, dass die Blockchain sehr gut funktioniert. Und das ist ein Projekt, das die Finanzabteilung nicht allein umsetzen kann – da braucht man die IT- und Innovationsspezialisten mit an Bord. Es war toll zu sehen, wie Mitarbeiter aus unterschiedlichen Bereichen mit vollem Eifer an dem Projekt mitgearbeitet haben.- Will Telefónica die nun bestehende Blockchain-Infrastruktur für weitere Finanzierungen nutzen? Und welche anderen Einsatzmöglichkeiten des dezentralen Registers verfolgt man im Konzern?Graf: Gerade im Finanzierungsbereich hat Telefónica Deutschland in den letzten Jahren beständig Innovationen geliefert. 2011 waren wir die Ersten im Markt, die eine Struktur zum Factoring von Teilzahlungsforderungen aus dem Privatkundengeschäft aufgesetzt haben. Den Börsengang in 2012 haben wir in einer Rekordzeit von nur drei Monaten realisiert. Und so wollen wir auch den Blockchain-Einsatz vorantreiben, denn wir schätzen sie als disruptive Technologie für die Unternehmensfinanzierung ein. Wir glauben, dass sich die Technologie mittelfristig auch bei Anleiheemissionen und im Verbriefungs- und Factoring-Geschäft einsetzen lässt. Die ersten Kenntnisse dafür haben wir jetzt gesammelt, denn wir haben das gesamte Projekt mit internen Spezialisten und ohne externe Berater umgesetzt. Und natürlich ist in Sachen Blockchain auch noch in anderen Unternehmensbereichen einiges geplant.- Was beabsichtigt die LBBW für die weitere Blockchain-Verwendung in internen Prozessen sowie für Kundenangebote?Erdle: Für uns geht darum, mit Innovation Problemlösungen zu entwickeln. Konkretes Ziel ist zunächst die komplette Automatisierung des Schuldscheinprozesses. Da geht es im nächsten Schritt um Themen wie die digitale Signatur und die Klärung der rechtlichen und regulatorischen Herausforderungen, weil wir natürlich so schnell wie möglich aus dem Parallelprozess rauskommen wollen – erst dann wird die komplette Effizienz einer Blockchain-Infrastruktur für uns nutzbar. Perspektivisch möchten wir es durch Transparenz auch schaffen, für die Investoren einen liquiden Sekundärmarkt im Schuldscheingeschäft hinzukriegen. Und für mittelständische Unternehmen würde sich durch mehr Effizienz und damit kleinere Volumina der Zugang zum Produkt Schuldschein verbessern beziehungsweise überhaupt erst eröffnen. Zu den weiteren Schritten zählt dann die Zahlungsverkehrsanbindung. In Verbindung mit Smart Contracts besteht dann die Möglichkeit, die Verbindung von Finanz- und Realwirtschaft zu schaffen. Das sind Schnittstellen, an denen wir zusammen mit Kunden wie Telefónica weitere Anwendungen erarbeiten. Die Ausweitung auf der Produktseite wird bei uns wahrscheinlich auf der Anwendung der Blockchain bei Anleiheemissionen liegen oder auch bei Commercial Papers in Verbindung mit ABS. Hinzu kommen sicher Sachen rund um die Exportfinanzierung.—-Das Interview führte Björn Godenrath.