Zinsschwund trifft Sparkassen hart

Verband Hessen-Thüringen rechnet mit Gewinneinbruch - Mehr Aufsichtskosten wegen Wirecard erwartet

Zinsschwund trifft Sparkassen hart

fir Fulda – Die 49 hessischen und thüringischen Sparkassen werden im laufenden Jahr Prognosen zufolge wegen des weiter schwindenden Zinsüberschusses gut 17 % weniger Gewinn einfahren. Der erwartete Einbruch des Betriebsergebnisses vor Bewertung um fast 160 Mill. auf knapp 760 Mill. Euro geht dem Sparkassen- und Giroverband Hessen-Thüringen (SGVHT) zufolge zum Großteil auf das Konto sinkender Zinseinnahmen (siehe Tabelle).Kein gutes Haar ließ der geschäftsführende Präsident Gerhard Grandke bei der Präsentation der Zahlen am Samstag in Fulda deshalb an der Geldpolitik der Europäischen Zentralbank, deren Auswuchs Negativzins er als größtes Problem der Sparkassen bezeichnete, und nicht etwa die Coronakrise. Die Pandemie diene der Notenbank aber als Argument, am dauerniedrigen Zins festhalten. Keine Kursänderung der EZBDen Exit aus der ultralockeren Geldpolitik habe die EZB schon in den vergangenen guten Jahren nicht hinbekommen. “Jetzt, in der Krise, ist an Ausstieg erst recht nicht zu denken”, sagte Grandke und wies auf den Widerspruch hin, dass der EZB mit der Coronakrise gerade ihr Hauptargument abhandengekommen sei, mit der Geldpolitik so weiter zu verfahren wie bisher. “Die ganze Zeit wurde die laxe Geldpolitik ja immer damit begründet, dass die Fiskalpolitik sich nicht stark genug engagieren würde. Diese Argumentation läuft wegen der Coronakrise jetzt ins Leere. Denn angesichts der massiven Hilfs- und Rettungspakete der Regierungen kann von einer fiskalischen Zurückhaltung überhaupt nicht mehr die Rede sein.”Die EZB bleibe nach wie vor die Antwort auf die Frage schuldig, wie der Ausstieg aus der ultralockeren Geldpolitik vonstattengehen könne, ohne den Zusammenbruch der Wirtschaft zu provozieren. Bisher sei immer nur weiter nachgelegt worden, anstatt in den guten Zeiten eine allmähliche Straffung der Geldpolitik vorzunehmen. “Wie ist der Ausstieg aus diesem Drogenkonsum?”, fragte Grandke. “Wie sieht das finanzwirtschaftliche Methadonprogramm aus? Wie funktioniert der Wechsel von der ganz harten Droge auf eine weiche, um sich dann wieder resozialisieren zu können? Das ist für mich die zentrale Frage.”Auch das “Quasi-Ausschüttungsverbot der EZB” treffe die Sparkassen, wenngleich in geringerem Ausmaß, als Träger von Helaba und DekaBank. Die Bankenaufsicht hatten den europäischen Instituten im Juli dringend anempfohlen, in diesem Jahr auf Dividendenzahlungen zu verzichten.Fehlt Grandke die Zuversicht, wenn es um den Zinsüberschuss geht, so sieht er beim Provisionsüberschuss, der laut Erwartung in diesem Jahr minimal auf 824 Mill. Euro zulegen dürfte, noch Luft nach oben. Den Verwaltungsaufwand taxiert der SGVHT nahezu konstant auf gut 2 Mrd. Euro. Dass laut der mit viel Unsicherheit behafteten Prognose am Jahresende unter dem Strich rund 760 Mill. Euro vor Bewertung herauskommen dürften, hält der Verbandschef vor dem Hintergrund der gesamtwirtschaftlichen Lage für ein immer noch “akzeptables Ergebnis”.Auch nach Bewertung werde das Betriebsergebnis niedriger als im Vorjahr ausfallen, da wegen der Coronakrise mit mehr Kreditausfällen zu rechnen sei. Die Kreditrisikovorsorge wird den Angaben zufolge deshalb von 47 Mill. Euro 2019 auf etwa 167 Mill. Euro angehoben. Die Höhe der erwarteten Kreditausfälle ließe sich derzeit nicht beziffern, hieß es. Im Moment seien dabei aber noch keine Auffälligkeiten zu erkennen. Auch Klumpenrisiken könne der Verband nicht ausmachen, da sich das Geschäftsgebiet durch eine breite Mischung an Firmen und Branchen auszeichne.Im ersten Halbjahr verzeichneten die Sparkassen einen weiteren Boom in der Kreditvergabe, aber auch im Wertpapiergeschäft. Dank reger Handelsaktivitäten der Kunden stieg der Nettoabsatz, also der Saldo von Käufen und Verkäufen, um fast die Hälfte auf gut 1 Mrd. Euro. Die Kreditausleihungen legten um 2,7 % auf insgesamt 81,3 Mrd. Euro zu.Wegen des Betrugsskandals um Wirecard prophezeite Grandke einen Anstieg der Regulierungskosten, da die Aufsicht ausgebaut werden dürfte. An dieser übte er Kritik: “Es kann nicht sein, dass die Finanzaufsicht einen Zahlungsdienstleister nicht überwachen kann, weil dieser sich als Techunternehmen versteht und nicht als Finanzkonzern.”