KOMMENTAR

Zu viel Gegenwind für Ergo

Die Überraschung hält sich in Grenzen. Die Ergo hat den Plan, ihre beiden Lebensversicherungstöchter mit sechs Millionen Verträgen an einen externen Abwickler abzugeben, wieder begraben. Konzernchef Markus Rieß nennt offiziell unattraktive Angebote...

Zu viel Gegenwind für Ergo

Die Überraschung hält sich in Grenzen. Die Ergo hat den Plan, ihre beiden Lebensversicherungstöchter mit sechs Millionen Verträgen an einen externen Abwickler abzugeben, wieder begraben. Konzernchef Markus Rieß nennt offiziell unattraktive Angebote als Grund, doch Fakt ist auch: Beim Versuch, sich drückender Altlasten mit einem Federstrich zu entledigen, hat sich der Ergo-Lenker verschätzt. Der Gegenwind war stark. In den vergangenen Wochen hatte Ergo mit ihrem Vorpreschen Verbraucherschützer, Politik, Aufsicht und auch Teile der eigenen Branche gegen sich aufgebracht.Rieß dürfte eine andauernde Auseinandersetzung mit Öffentlichkeit und Aufsicht gescheut haben. Zum einen bindet das Kapazitäten, die der drittgrößte deutsche Erstversicherer dringend für die laufende Rundum-Selbsterneuerung braucht. Zum anderen riskiert die Ergo einen Reputationsschaden, dessen Ausmaß schwer zu kalkulieren ist. Wer einst Herrn Kaiser seine Altersvorsorge und damit seine Existenzsicherung im letzten Lebensabschnitt anvertraut hat, möchte nicht zu einem noch so effizienten Abwickler abgeschoben werden. Die Ergo hat gerade gezeigt, dass viele Versicherer immer noch unterschätzen, wie essenziell für ihr langfristig nachhaltiges Geschäft das Vertrauen der Kunden ist.Ohnehin wären die Erfolgsaussichten der Ergo, die Altbestände abzugeben, nicht rosig gewesen. Denn der Chefaufseher für die Versicherer, Frank Grund, hatte sich in der Vergangenheit zwar offen für das Geschäft von Run-off-Plattformen gezeigt, aber gleichzeitig darauf hingewiesen, dass die BaFin sich auch den abgebenden Versicherer und seine Motive genau angucken werde. Sprich, ein kapitalstarker Konzern (wie die Ergo mit ihrer Mutter Munich Re im Rücken) werde es schwerer haben, eine Trennung von Beständen aus reinen Effizienzüberlegungen bei der Aufsicht durchzusetzen. Diesen Aspekt hatte Grund in den vergangenen Wochen bei diversen Anlässen stark in den Vordergrund gerückt.Vor dem Hintergrund der aktuellen Stimmungslage ist denn auch nicht zu erwarten, dass die Generali oder die Axa in Deutschland ihre Überlegungen zur Abgabe ihrer Lebensversicherungsportfolien zügig vorantreiben können. Ob sie komplett aufgegeben oder vorerst nur aufgeschoben werden, bis sich die Aufregung gelegt und ein neuer Versuch gestartet werden kann, bleibt abzuwarten. Für die in Deutschland operierenden Run-off-Plattformen und ihre Investoren ist der Rückzug der Ergo indes eine Enttäuschung. Denn die Chance auf die Abwicklung großer Bestände ist für den Moment deutlich geschrumpft. Mit Masse aber lassen sich bei diesen Geschäftsmodellen die höchsten Renditen erzielen. Die Investoren müssen ihre Renditeziele wohl erst mal zurückschrauben.