Zurich steht vor Strategiefrage

Nach Ackermann-Rücktritt muss Unternehmen Farbe bekennen - Versicherer gilt als vorsichtig und träge

Zurich steht vor Strategiefrage

Obschon es zu den genauen Hintergründen und Ursachen des persönlichen Konflikts zwischen Josef Ackermann und Pierre Wauthier selbstredend nur unzureichende Erklärungen gibt, wirft das Zerwürfnis auch grundsätzliche Fragen auf, die das Unternehmen beantworten muss.Von Daniel Zulauf, ZürichJosef Ackermann war erst im vergangenen Jahr nach einer zweijährigen Periode als Vizepräsident der Zurich ins Präsidium nachgerückt. Sein Vorgänger, der frühere Daimler-Finanzchef Manfred Gentz, übte das Amt sechs Jahre lang mit großer Zurückhaltung aus. Er habe nie richtig “in die Speichen gegriffen”, sagt ein ehemaliger hochrangiger Manager. Gentz sei ein nachdenklicher Typ, der vor allem gut zuhören könne.Tatsächlich trat der Deutsche, im Unterschied zu Ackermann, öffentlich kaum je in Erscheinung. Er überließ die Bühne fast allein seinem damaligen Chief Executive Officer (CEO) James Schiro, der den Konzern im Jahr 2002 in einer existenziellen Krise übernommen hatte und mit einer auf größter Vorsicht beruhenden Geschäftsstrategie in sichere Gewässer zurückführte.Die Ankunft des extrovertierten Ackermann dürfte das Klima im Verwaltungsrat und auf der Konzernleitungsebene deutlich verändert haben. Inwieweit eine kulturelle Veränderung im Unternehmen erwünscht war und von Ackermann erwartet wurde, ist nicht bekannt. Eine strategische Wende war bei der Zurich seit dem Präsidentenwechsel allerdings nicht festzustellen. Die äußerst zurückhaltende Zeichnungspolitik, wie sie der Versicherungskonzern einst von Schiro verschrieben bekommen hatte, war auch im jüngsten Quartalsbericht deutlich erkennbar. Während viele Konkurrenten derzeit das Wachstum forcieren, musste die Zurich im ersten Halbjahr einen Umsatzrückgang vermelden. Zudem sah sich der Konzern aufgrund schwächerer Finanzergebnisse auch gezwungen, seine mittelfristigen Ziele für die Eigenkapitalrendite nach unten zu revidieren.Einige Finanzanalysten, aber auch manche Zurich-Mitarbeiter an der Verkaufsfront sind mit dem zwar grundsoliden, aber eher trägen Kurs des Unternehmens nicht glücklich, zumal das Unternehmen international über ein hervorragendes Franchise verfügt und mehr Geschäft zeichnen könnte.Inwieweit Ackermann Einfluss auf die Strategie genommen hat, um das Tempo zu beschleunigen, ist nicht bekannt. Möglicherweise ist er ausgerechnet in dieser Frage mit dem Finanzchef zusammengestoßen, der aufgrund der nach wie vor schwachen Kapitalmärkte zu einer Beibehaltung der vorsichtigen Zeichnungspolitik mahnte.Denkbar ist auch, dass sich der mit dem schnellen Investment Banking groß gewordene Ackermann an der Trägheit des Versicherungsgeschäftes aufgerieben und dabei hier und da vielleicht auch die Geduld verloren hat. Tatsächlich ist das extrem langfristige Geschäft der Versicherungen nur schwer mit dem Bankgeschäft vergleichbar.Versicherungen sind schon allein aufgrund ihrer komplizierten Matrix-Organisation, in der sich funktionale und geografische Verantwortlichkeiten überschneiden, höchst komplexe Gebilde. Die Durchgriffsmöglichkeiten der Konzernführung auf die vielen weitgehend selbständig operierenden Tochtergesellschaften in den Ländern sind im Gegensatz zum Investment Banking sehr beschränkt. Reibungsflächen zwischen dem Präsidenten und dem Finanzchef gibt es nach Aussagen von Insidern mehr als genug. Es sei normal, dass sich der Verwaltungsrat in finanziellen Belangen nicht nur mit dem CEO, sondern auch mit dem Finanzchef direkt austausche – zumal die beiden auch nicht zwingend einer Meinung sein müssten.Mit Ackermanns Rücktritt kommt die strategische Frage, die bei der Zurich in den vergangenen zwölf Monaten stets im Raum gestanden hatte, wieder auf den Tisch. Antworten wird man sich allerdings nicht erhoffen dürfen, solange die Nachfolge des Präsidenten nicht definitiv geregelt ist. So lange dürfte auch die Unruhe im Unternehmen bestehen bleiben.