Zurich verzichtet auf Befreiungsschlag

Konzernchef Mario Greco kassiert Stellenabbau-Prognosen des Präsidenten

Zurich verzichtet auf Befreiungsschlag

Von Daniel Zulauf, ZürichReden ist Silber, Schweigen ist Gold. Dem Verwaltungrat der Zurich Gruppe ist diese Volksweisheit offenbar gar nicht oder erst seit kurzem bekannt. Erst im Februar hatte der 70-jährige Präsident des Aufsichtsgremiums, Tom de Swaan, in seiner damaligen Zweitfunktion als interimistischer Konzernchef noch den Schocker an die Öffentlichkeit getragen, das Unternehmen werde in den nächsten Jahren 8 000 Stellen oder mehr als jeden siebten seiner 55 000 Arbeitsplätze streichen müssen. Damit hatte der niederländische Ex-Banker die ganze Belegschaft im Konzern in helle Aufregung versetzt.Der langjährige österreichische Zurich-Mitarbeiter René Neubauer, der als Vorsitzender des europäischen Betriebsrates im Namen aller Angestellten spricht, schimpfte im Gespräch mit dieser Zeitung: “Das Management hat nichts anderes gemacht, als das von Martin Senn schon im Mai 2015 bekannt gegebene Kostensparziel von 1 Mill. Dollar bis Ende 2018 in eine griffige Zahl von Stellen umzurechnen. Das ist nicht nur unehrlich den Investoren gegenüber, weil dieser Stellenabbau so nämlich gar nicht funktionieren wird. Vielmehr ist die Kommunikation auch zynisch uns Mitarbeitern gegenüber.”Neubauer hat recht behalten. Denn am Donnerstag, an dem mit Spannung erwarteten Investorentag, wollte der seit März in Amt und Würden stehende neue Konzernchef Mario Greco von den Plänen seines Präsidenten nichts mehr wissen. Er könne die Zahl von 8 000 Stellen nicht bestätigen, sagte der Italiener in einer Telefonkonferenz mit Journalisten. Zwar hielt sich auch Greco ein Fenster für künftige Stellenkürzungen offen, indem er sagte, ein Personalabbau könnte ein mögliches Ergebnis künftiger Rationalisierungen sein, mit der das Management die Organisation in den nächsten drei Jahren wieder auf ein höheres Rentabilitätsniveau trimmen will. Aber immerhin ließ sich Greco auf die Aussage festlegen, ein allfälliger Stellenabbau in der Zukunft sei mit dem Kostensparprogramm nicht verknüpft. Das ist bemerkenswert, denn Greco will statt 1 Mrd. Dollar sogar 1,5 Mrd. Dollar einsparen – bis Ende 2019. Bestandteil dieses Sparplanes sind bereits früher angekündigte Einsparungen von 300 Mill. Dollar bis Ende 2016, die Greco zufolge zielkonform erreicht werden sollten.Großes Sparpotenzial sieht der frühere Generali-Chef bei der Vereinfachung von Arbeitsprozessen und im effizienteren Einsatz von Technik. Zum Beispiel könne man die Anzahl der Datenverarbeitungszentren von derzeit 70 weltweit auf deren acht verringern, sagte Greco. Dass die Zurich effizienter werden muss, ist auch im Kreis der Mitarbeiter unbestritten. Im Laufe der vergangenen zehn Jahre sind die Administrations- und Betriebskosten des Konzerns um 40 % auf oder um 2,5 Mrd. Dollar gestiegen, obwohl das Prämienwachstum in der gleichen Zeit um lediglich um 2,1 % zugenommen hat.Etwas überraschend und für manche Mitarbeiter kaum wirklich erfreulich ist vor diesem Hintergrund der Umstand, dass Greco sehr zurückhaltende Ziele in Bezug auf das Umsatzwachstum formuliert: “Am meisten zählt in der Rechnung nicht die oberste Zeile, sondern die unterste, die Gewinne, die wir machen.” In der Welt böten sich gegenwärtig nicht sehr viele Wachstumsmöglichkeiten, “das ist der Grund, weshalb wir uns nicht speziell auf Wachstumsziele fokussieren”, erklärte der Chefmanager. Als Folge der sehr zurückhaltenden Wachstumspolitik hat die Zurich in der Vergangenheit viele Kunden verloren. “Darüber sind wird natürlich gar nicht glücklich”, räumte Greco ein.Den Investoren schien die Botschaft einigermaßen zu gefallen. Die Aktien schlossen mit 267,3 sfr 1,8 % fester. Gewirkt haben dürfte weniger Grecos Ziel einer operativen Eigenkapitalrendite von 12 %, das im Vergleich zur Ära Martin Senn sogar leicht zurückgenommen wurde. Vielmehr versprach Greco den Aktionären auch künftig eine Dividende von mindestens 17 sfr pro Aktie und eine Ausschüttung von 75 % des Gewinns. Gemessen am aktuellen Aktienkurs beträgt die Dividendenrendite derzeit spektakulär anmutende 6,3%.—– Wertberichtigt Seite 8