Fondshäuser gegen Börsenbetreiber

Zweikampf um europäischen Börsenticker

Fondshäuser und Banken treten gegen Börsenbetreiber an, um einen Börsenticker nach US-Vorbild aufzubauen. Für Ernüchterung sorgt hingegen, dass sich ein ersehntes Investorenportal verspätet.

Zweikampf um europäischen Börsenticker

Fondshäuser gegen Börsenbetreiber

Fondsanbieter schließen sich mit Banken und Vermögensverwaltern zusammen, um nach dem Vorbild der USA einen Börsenticker in der EU aufzubauen. Ein Joint Venture von Börsenbetreibern halten sie für eine “Nebelkerze”. Bei einem ersehnten Investorenportal schwinden hingegen trotz Einigung die Hoffnungen.

Zweikampf um Aufbau eines europäischen Börsentickers – Ernüchterung über verspätetes Investorenportal

rec Brüssel

Die geplante Einführung eines Börsentickers in der Europäischen Union entwickelt sich zu einem Zweikampf zwischen Börsenbetreibern und Finanzkonzernen. Eine Reihe von Fondshäusern und Vermögensverwaltern, darunter prominente Adressen aus Deutschland, haben sich einer Initiative der Beratungsfirma Adamantia aus Paris angeschlossen. Sie kontern einen Zusammenschluss europäischer Börsenbetreiber, die auf eigene Faust einen Datenticker für Investoren einrichten wollen.

Mit dem Projekt eifern die EU-Gesetzgeber den Vereinigten Staaten nach. Dort gibt es seit Jahrzehnten einen solchen Börsenticker mit Echtzeitdaten zu Preisen, Kursen und Handelsumfängen. In Fachkreisen ist von einem Consolidated Tape die Rede. In den laufenden Schlussverhandlungen zwischen EU-Kommission, Parlament und Mitgliedstaaten sind noch Einzelheiten zu klären, etwa zur Verteilung von Kosten und Erlösen.

Mögliche Anbieter bringen sich bereits in Stellung. Mitte Februar haben 14 Gruppen europäischer Börsenbetreiber ein Joint Venture verkündet. Auch die Deutsche Börse macht mit. Gemeinsam wollen sie sich für Aufbau und Betrieb des Börsentickers bewerben.

Nachteile für Kleinanleger?

In Kreisen der Fondsbranche zweifelt man daran, dass es die Börsenbetreiber mit ihrem Vorstoß ernst meinen. Deutsche Börse und Co. fürchteten bloß um ihr Geschäft und ihre Monopolstellung, heißt es. Von einer „Nebelkerze“ ist die Rede. So zielen die Handelsplätze auf eine abgespeckte Version eines Börsentickers ohne Echtzeitdaten im Vorhandel.

Stéphane Boujnah, Chef des Börsenbetreibers Euronext, verteidigte den Ansatz im Interview der „Financial Times“: Ansonsten würden Kleinanleger benachteiligt, weil sie Preisunterschiede nicht so einfach nutzen könnten wie Profis. Thomas Richter, Chef des Fondsverbands BVI, kontert: Boujnahs Argumente gegen einen vorbörslichen Börsenticker „sind in Wahrheit Vorteile für den Markt. Die Liquidität steigt durch einen solchen Ticker, und Preisdifferenzen an unterschiedlichen Handelsplätzen werden ausgeglichen.“

Rückstand zu den USA

Eine wachsende Phalanx aus Banken, Vermögensverwaltern und Fondshäusern hält deshalb mit einem eigenen Modell eines Börsentickers für Aktien und Indexfonds (ETFs) dagegen. Aus Deutschland haben sich Allianz Global Investors, BayernInvest, Deka, DWS, Union Investment und Warburg angeschlossen. Mit einem zentralen Börsenticker könnten sie sich von einzelnen Handelsplätzen lösen und wären auch weniger auf Datenanbieter wie Bloomberg und S&P angewiesen. Das würde Kosten sparen.

Der europäische Finanzmarktverband AFME sieht in dem Börsenticker eine Gelegenheit, Rückstand zu den USA aufzuholen. In Europa wechselten Aktien deutlich seltener den Besitzer. Außerdem seien die hiesigen Finanzmärkte mit Blick auf eine Vielzahl an Börsengruppen und Handelsplätzen zersplittert. Ein tragfähiger Börsenticker werde „auch dazu beitragen, die schwächelnden europäischen Märkte wieder zu beleben und sowohl Anlegern als auch Unternehmen, die in der EU an die Börse wollen, neue Möglichkeiten zu eröffnen“, sagt AFME-Vorstand Adam Farkas.

Investorenportal muss warten

Ernüchterung statt Aufbruchstimmung verbreitet dagegen ein anderes Brüsseler Vorhaben, das Europas Finanzmarktunion eigentlich ebenfalls einen Schub verleihen soll: eine Datenbank für Investoren namens Single European Access Point (ESAP). Geplant ist, Informationen über Unternehmen und Finanzprodukte auf einer zentralen Plattform zu bündeln. Losgehen wird es allerdings wohl nicht vor 2027. So sieht es der vorläufige Kompromiss vor – zum Verdruss in der Finanzbranche.

„Uns kann es nicht schnell genug gehen“, sagt ein Branchenvertreter in Brüssel. Vor allem mit Blick auf Daten zu Umwelt, Sozialem und Unternehmensführung (ESG) gilt die Verzögerung als ärgerlich. Denn hier greifen ab 2025 neue Berichtspflichten. Dem politischen Kompromiss zufolge werden diese Daten erst in der zweiten oder dritten Phase auf dem zentralen Investorenportal verfügbar sein, also 2028 oder später. Angesichts der Verzögerungen seien die Erfolgsaussichten für ESAP minimal, so eine frustrierte Reaktion.

EU-Kommission und Abgeordnete wollten aufs Tempo drücken. Dem Vernehmen nach haben manche EU-Staaten das Vorhaben verschleppt. Spekuliert wird, dass nationale Behörden gebremst haben, die alle Daten zusammentragen müssen. Diese leiten sie an die EU-Aufsichtsbehörde ESMA weiter, die das Informationsportal zu betreiben hat. Eine Resthoffnung ist, dass zumindest ein Teil der EU-Staaten früher anfängt zu liefern.

„Fondsmanager benötigen dringend verlässliche und vergleichbare ESG-Daten von hoher Qualität“, heißt es beim Fondsverband BVI. „Insofern ist es nicht nachvollziehbar, dass der ESAP erst in vier Jahren schrittweise eingeführt werden soll und in der ersten Stufe keine ESG-Daten enthalten wird.” Ernüchterung macht sich auch unter Versicherern breit. Mit dem Startjahr 2027 komme die Plattform „insbesondere für die ab 2025 zu erfüllenden Pflichten zur Nachhaltigkeitsberichterstattung zu spät“, moniert der Gesamtverband der Versicherungswirtschaft (GDV).

Thomas Richter
Stéphane Boujnah