Allgemeine Unterstützung für ein EU-Label
Allgemeine Unterstützung für ein EU-Label
fed Brüssel
Der Vorstoß mehrerer EU-Regierungen im Juni für das Gütesiegel „Finance Europe“ trifft auf Zustimmung im allgemeinen. In den Details aber gibt es Vorbehalte.
FOKUS: Altersvorsorge-Finanzprodukt
Der Vorstoß kam seinerzeit überraschend: Im Juni hat eine Gruppe von EU-Staaten, darunter Frankreich und Deutschland, eine Initiative zur Schaffung eines europäischen Gütesiegels für Finanzprodukte lanciert, die private Kleinanleger zur Altersvorsorge nutzen sollen. Ziel der Initiative ist es, einen Rahmen für ein Label („Finance Europe“) zu schaffen, der es den einzelnen Ländern erlaubt, ihre nationalen Ansätze auszubauen. Die europäischen Gesetzgeber sollen außen vor bleiben, da EU-Vorgaben für entbehrlich gehalten werden – zumal das Vorhaben möglichst einfach gehalten werden soll.
Das Label hat nicht nur das Ziel, die private Altersvorsorge der EU-Bürger zu stärken, sondern will auch dazu beitragen, europäische Investitionen zu fördern. Zu diesem Zweck sollen die angelegten Mittel vorwiegend in europäische Assets fließen. Den Entwürfen für das Label zufolge ist ein zentrales Kriterium „die Einhaltung einer Mindestinvestitionsschwelle in europäische Vermögenswerte von mindestens 70%“.
Welche Produkte das Siegel beantragen können, ist noch unklar. Diskutiert wird, dass dies für Konten, Fonds oder versicherungsbasierte Produkte gelten soll. Im Entwurf explizit genannt sind Aktien, ETFs, Eltifs, Ucits-Fonds oder auch alternative Investmentfonds sowie Anleihen. Ausgeschlossen sein sollen Krypto-Vermögenswerte.
Mindesthaltedauer von fünf Jahren im Gespräch
Im Gespräch ist eine Mindesthaltedauer von fünf Jahren, um den Altersvorsorge-Charakter zu betonen. Und unter den Beteiligten herrscht Konsens darüber, dass das Finanzprodukt vom jeweiligen EU-Staat steuerlich begünstigt werden soll.
Das eingezahlte Kapital soll nicht garantiert werden, und es soll – anders als beim seinerzeit gescheiterten paneuropäischen Pensionsprodukt PEPP – keine Vorgaben für Vertriebsgebühren geben. Die Governance des Labels soll in den Händen der Finanzindustrie liegen, die (nachträgliche) Kontrolle bei Aufsichtsbehörden.
Seit der Lancierung der Idee im Frühsommer sind die Reaktionen überwiegend positiv ausgefallen – zumindest, soweit es um die allgemeine Bewertung geht.
Positive Einschätzung der EU-Kommission
Die EU-Kommission hat sich bereits unmittelbar nach der Präsentation von „Finance Europe“ im Grundsatz zustimmend geäußert. „Wir begrüßen und unterstützen alle Initiativen der Mitgliedstaaten, die mit unseren eigenen Prioritäten im Rahmen der Spar- und Investitionsunion übereinstimmen und diese ergänzen“, erklärte EU-Kommissarin Maria Albuquerque. Schließlich sei „eine Kombination von Maßnahmen auf EU- und nationaler Ebene“ nötig, um beim Vorhaben voranzukommen, mehr privates Kapital zu mobilisieren und mehr Kleinanlegern den Weg an den Finanzmarkt zu ebnen.
Grundsätzlich lobend haben sich in den vergangenen Wochen auch die Versicherer geäußert: Durch die Investition in europäische Spar- und Anlageprodukte könne „privates Kapital mobilisiert werden, um die Wettbewerbsfähigkeit und die Altersvorsorge zu stärken“, so Jörg Asmussen, Hauptgeschäftsführer des Branchenverbands GDV. Und für Deutschlands private Banken erklärte Hauptgeschäftsführer Heiner Herkenhoff bereits früh nach Bekannntwerden des Vorstoßes, dass der Bankenverband „klar hinter der Initiative Finance Europe steht“.
Thomas Richter, Hauptgeschäftsführer des deutschen Fondsverbands BVI, stellt zwar die rhetorische Frage: „Wer könnte an dem Ziel, mehr Menschen an die Kapitalmärkte zu bringen und die europäische Wirtschaft zu finanzieren, etwas aussetzen?" Allerdings gibt er zu bedenken, dass sich das Siegel nicht an unerfahrene Sparer richten könne, sofern es Anlagen mit geringer Liquidität ermögliche. Ein weiterer Vorbehalt gegenüber dem geplanten Siegel ist dessen verengtes Anlageuniversum durch die Mindestinvestitionsschwelle in europäische Assets, weil dies die Renditechancen beeinträchtige.
ESM für flexible Ausgestaltung
Besonders ausführlich hat sich der Euro-Stabilisierungsfonds ESM jüngst mit dem Thema auseinandergesetzt. Auch fällt die allgemeine Bewertung positiv aus. Rolf Strauch, Chefvolkswirt und Mitglied des Management Board des European Stability Mechanism (ESM) bezeichnet die Initiative für das Gütesiegel im Gespräch mit der Börsen-Zeitung als „höchst willkommen“. Er begrüße den Vorstoß, weil er ein Zeichen sei für den politischen Rückhalt für die Spar- und Investitionsunion, betont der Ökonom. Und weil es sich um einen sehr konkreten Vorschlag handele, der relativ schnell umsetzbar wäre.
So gut die Grundidee sei, so entscheidend sei allerdings eine attraktive Ausgestaltung des Gütesiegels, unterstreicht Strauch. Die Mitgliedstaaten sollten darauf achten, dass es breit und flexibel angelegt und die Anlage in Aktien als Teil eines Anlagepackets gefördert werde. „Und sie sollten bei der Konkretisierung der Bedingungen im Blick behalten, dass es sich für den Kleinanleger lohnen muss, in Produkte unter diesem Label zu investieren“, argumentiert Strauch. Rendite und Steueranreize seien wichtig für den Erfolg.
Vorbehalte gegen Mindestanlagezeitraum
Es sei entscheidend, dass ein privates Altersvorsorgeprodukt in die persönliche Lebensplanung hineinpasse. Vor diesem Hintergrund könne ein Mindestanlagezeitraum von beispielsweise fünf Jahren für viele potenzielle Wertpapiersparer ein erhebliches Hindernis darstellen, mahnt Strauch. Denn die Kleinanleger wüssten, dass es Lebenssituationen gebe, in denen man schnell an das Geld herankommen wolle – bei plötzlicher Arbeitslosigkeit, einem Geschäftsausfall oder beim Kauf einer Immobilie.