Das 28. Regime rückt in Sichtweite
Das 28. Regime rückt in Sichtweite
FOKUS: EU-Arbeitsprogramm
Das 28. Regime rückt in Sichtweite
Die EU will es Unternehmen, die grenzüberschreitend in Europa tätig sind, einfacher machen, die Anforderungen im Gesellschafts-, Arbeits-, Insolvenz- und Steuerrecht einzuhalten. Deshalb will sie das 28. Regime für in der EU aktive Firmen einrichten – und zwar schon im ersten Quartal 2026.
Von Detlef Fechtner
Das 28. Regime ist ein Rechtsrahmen, der nationales Recht nicht verdrängt, aber optional neben die nationalen Vorgaben tritt – und auf diese Weise Firmen erspart, sich mit bis zu 27 unterschiedlichen Rechtsordnungen zu befassen, wenn sie sich innerhalb der EU engagieren. Insbesondere zielt das 28. Regime darauf, jungen Unternehmen (Startups) oder schnell wachsenden Firmen (Scaleups) den Aufwand zu ersparen, dass sich deren juristische Abteilungen durch das juristische Klein-Klein jedes Mitgliedstaats durcharbeiten müssen. Der rechtliche Rahmen des 28. Regimes soll ihnen insbesondere bei Gründung und Betrieb helfen und sie unterstützen, wenn sie Kapital für Investitionen aufnehmen wollen. „Wir werden sowohl einen europäischen Rechtsakt zur Innovation als auch das 28. Regime für alle im Binnenmarkt tätigen Unternehmen einrichten“, heißt es an prominenter Stelle im jüngst veröffentlichten Arbeitsprogramm der EU-Kommission.
Anpassungen der Vorgaben für Venture Capital
Das Kapitalangebot für wachstumsstarke Unternehmen möchte die EU-Kommission auch durch eine weitere gesetzliche Maßnahme stärken, die für den Spätsommer 2026 terminiert ist, nämlich durch die Aktualisierung der EU-Verordnung für europäische Risikokapitalfonds (EuVeCa). Davon sollen vor allem nicht-börsennotierte Mittelständler profitieren.
Im Arbeitsprogramm angekündigt werden darüber hinaus das „Omnibus-Paket Besteuerung“, also die Bündelung von bürokratischen Erleichterungen, im zweiten Quartal 2026 und die Aktualisierung der europäischen Vorgaben für die Aktionärsrechte im Schlussviertel des nächsten Jahres.
Mindestens genauso aufschlussreich wie die Liste geplanter Gesetzesinitiativen ist der (wesentlich längere) Katalog der Gesetzgebungsverfahren, die bereits gestartet sind und weitergeführt werden sollen. Denn darauf finden sich auch zwei Initiativen, die bislang nur zäh vorangekommen sind und die deshalb Spekulationen provoziert haben, denenzufolge die EU-Kommission sie zurückziehen werde. Die EU-Behörde hat nämlich das Recht, zu jedem Zeitpunkt des Verfahrens einen von ihr zuvor vorgelegten Gesetzesvorschlag wieder einzukassieren („withdrawal“), sofern sie den Eindruck gewinnt, dass er sich durch die Änderungen der EU-Gesetzgeber Parlament und Rat weit vom ursprünglichen Entwurf entfernt hat.
Keine Rücknahme der Retail Investment Strategy
Das trifft beispielsweise für die EU-Kleinanlegerregeln (Retail Investment Strategy) zu. Denn nachdem Rat und Parlament das darin vorgesehene partielle Provisionsverbot in der Anlageberatung aus der „RIS“ wieder herausgestrichen hatten, signalisierte die EU-Kommission wiederholt, eine Rücknahme zu sondieren. Das aktuelle Arbeitsprogramm dokumentiert, dass die EU-Kommission keine Rücknahme der Retail Investment Strategy mehr beabsichtigt.
Auch der EU-Rechtsrahmen für den Zugang zu Finanzdaten, der berühmt-berüchtigte FiDA-Vorschlag der EU-Kommission, stand zwischenzeitlich auf der Kippe. In einem nicht zur Veröffentlichung bestimmten Arbeitspapier vor einigen Monaten war FiDA bereits unter der Rubrik Rücknahme eingetragen worden. Auf Bestreben von EU-Finanzmarkt-Kommissarin Maria Albuquerque wurde das Dossier dann aber wieder unter den Gesetzesinitiativen aufgeführt, die nach dem Willen Brüssels zum Abschluss gebracht werden sollen.
FiDA ist umstritten, weil die Banken ihren Datenschatz mi Fintechs teilen sollen, sofern die betroffenen Kunden zustimmen. FiDA ist insofern für einige Fintechs zur Existenzfrage geworden – ihre Chance auf geschäftlichen Erfolg hängt maßgeblich daran, dass sie einfach Zugang zu Finanzdaten eines großen Kreises von Bankkunden erhalten.
Das Dossier befindet sich gegenwärtig vor dem dritten Trilog, also in den fortgeschrittenen Schlussverhandlungen zwischen Rat und Parlament. Zu den Zankäpfeln zählen unter anderem die Frage, ob so genannte Gatekeeper, also einflussreiche Plattformen, als Data User zugelassen werden sollen und welche Daten die Data Holder bereitstellen sollen. Eine Verständigung wird im Dezember oder zu Jahresbeginn 2026 angestrebt.
EDIS steht noch auf dem Programm
Keine Überraschung ist, dass auch eine ganze Reihe von Finanzmarkt-Regelwerken nach dem Willen der EU-Kommission von den EU-Gesetzgebern weiteverfolgt werden sollen. Dazu zählen der Omnibus I, also die Vorschläge zur Vereinfachung der nachhaltigen Berichts- und Sorgfaltspflichten durch Anpassungen von CSRD und CSDDD, die gesetzesinitiative zur Wiederbelebung des Verbriefungsmarkts und der Verordnungsvorschlag zur Einführung eines Digitalen Euro. Und: Zum Leidwesen von Sparkassen und Volksbanken möchte die EU-Kommission nach wie vor einen Abschluss im Dossier einer europäischen Einlagensicherung (EDIS) sehen.
