Einheitlicher Datenticker in der EU gewinnt an Konturen
FOKUS: Marktdaten
Einheitlicher Datenticker in der EU gewinnt an Konturen
Die EU-Wertpaieraufsichtsbehörde ESMA hat den Betreiber des Consolidated Tape für Anleihen ausgewählt, nun geht die Ausschreibung für die Bereitstellung der Daten über Aktiengeschäfte in die entscheidende Runde.
Von Michael Marray und Detlef Fechtner
Die Vorbereitungen für Consolidated Tapes in der Europäischen Union schreiten voran. Ein Consolidated Tape ist ein elektronisches System, das Echtzeitdaten von Wertpapierbörsen zusammenfasst und Handelsinformationen wie Preise und Volumen an alle Marktteilnehmer liefert. Es soll einen einheitlichen, aktuellen Überblick über den Markt für alle Teilnehmer schaffen.
In der Europäischen Union ist die Einführung eines solchen einheitlichen Datentickers im Rahmen der Kapitalmarktunion geplant. Die EU-Wertpapieraufsichtsbehörde ESMA ist damit beauftragt, je einen Betreiber für Anleihen, für Aktien und Exchange Traded Products sowie für Derivative auszuwählen und alle notwendigen Vorbereitungen für den Startschuss zu treffen.
Zuschlag für Bond CT an Ediphy
Erst vor wenigen Wochen hatte die EU-Aufsichtsbehörde verkündet, dass sie als ersten Bereitsteller eines konsolidierten Datenstroms in Europa Ediphy (fair CT) ausgewählt hat. Dieses erste Tape konzentriert sich auf Daten über Anleihen. Die fairCT-Initiative von Ediphy ist vor vielen Jahren von einer Gruppe sehr unterschiedlicher Marktteilnehmer ins Leben gerufen worden, zu denen unter anderem Cboe Global Markets, das Softwarehaus FactSet, Google Cloud, Norges Bank Investment Management und die Großbank UBS zählen.
Nun geht der Auswahlprozess mit dem Consolidated Tape für Aktien und ETP in die nächste Runde. Vor wenigen Tagen endete die Bewerbungsfrist für den einheitlichen Datenticker für Aktien und Exchange Traded Products (ETPs). Der Anbieter EuroCTP gab bekannt, dass er seinen Finger gehoben habe. EuroCTP ist ein Dienstleister, dessen Anteilseigner die Deutsche Börse, die Mehrländerbörse Euronext und weitere zwölf Handelsplätze wie etwa die Wiener Börse sind. Die ESMA wird in den nächsten Monaten die Bewerbungen prüfen und entscheiden, wem sie den Zuschlag für das Aktien/ETP-Consolidated Tape gibt.
In der Europäischen Union (damals noch in der EU der 28 mit Großbritannien) wurde der Vorschlag für das Consolidated Tape erstmals 2010 im Rahmen der Diskussionen über die Richtlinie und Verordnung über Märkte für Finanzinstrumente (MiFID/MiFIR) gemacht. Nach dem Brexit-Votum im Jahr 2016 wurden die Arbeiten an zwei separaten Tapes – EU und UK - parallel fortgesetzt.
Sowohl Brüssel als auch London beschlossen, mit dem Anleihen-Datenticker zu beginnen. Da beide voraussichtlich in der ersten Hälfte des Jahres 2026 in Betrieb genommen werden, stehen die Handelsabteilungen der Banken aktuell vor der Herausforderung, sich darauf vorzubereiten.
Debatte über Schnelligkeit der Meldung
Eine der zentralen Debatten im Vorfeld der Einführung sind die referral times, also die Frage, wie schnell Transaktionen gemeldet werden müssen. Dies hängt von der Art der Anleihen ab, z. B. Staatsanleihen, Unternehmensanleihen oder gedeckte Schuldverschreibungen, sowie von der Größe der ausstehenden Anleiheemission, davon, ob sie als liquide oder illiquide eingestuft ist, und von der Größe der durchgeführten Transaktion.
Ausgangspunkt für die ESMA ist die Echtzeitmeldung, die in der Praxis jedoch immer noch eine Verzögerung von fünf Minuten mit sich bringen kann. Die Echtzeitmeldung dürfte mehr als 90 % der Anleihegeschäfte abdecken. Ein bedeutender Aspekt ist der Schutz von Market Makern, die große Anleihepositionen in ihren Büchern halten, bevor sie diese weiterverkaufen – Geschäfte, die den Markt bewegen würden, wenn ihre Konkurrenten davon Kenntnis hätten.
Die Kategorien der ESMA und der FCA werden jedoch unterschiedlich sein, was für europäische Handelsabteilungen eine Herausforderung für die Berichterstattung darstellen wird.
Diese Diskussionen in Europa werden in den USA mit einem gewissen Schmunzeln beobachtet. Denn dort sind Broker-Dealer schon lange verpflichtet, Transaktionen via dem Trade Reporting and Compliance Engine (TRACE) zu melden. Das System ist seit 2002 in Betrieb. Und das US-Aktien-Consolidated Tape wurde 1976 eingeführt.