Finanzbranche hat Sorgen vor zusätzlicher Komplexität
Finanzbranche hat Sorgen vor zusätzlicher Komplexität
FOKUS Verbriefungen
Finanzbranche hat Sorgen vor zusätzlicher Komplexität
Marktteilnehmer beäugen die Einführung einer neuen Kategorie so genannter resilienter Verbriefungen skeptisch – ebenso wie die vorgeschlagene neue Differenzierung zwischen öffentlichen und privaten Verbriefungen.
Von Michael Marray, Berlin
Die Neufassung der europäischen Vorgaben für Verbriefungen wird von Banken und anderen Marktteilnehmern mit sehr gemischten Gefühlen begleitet. Hauptsorge ist, dass die Änderungen an der EU-Verbriefungs-Verordnung sowie die flankierenden Anpassungen an den EU-Kapitalanforderungen (Capital Requirement Regulation) letztlich zu zusätzlicher Komplexität führen. Die Befürchtungen wurden von Marktakteuren anlässlich der jüngsten Konferenz der True Sale International (TSI) bekräftigt. TSI ist die Interessensvereinigung, die nach eigenem Bekunden „einen wichtigen Beitrag zur Weiterentwicklung von Asset Based Finance und damit zur nachhaltigen Finanzierung von Banken, Realwirtschaft und Verbrauchern leisten möchte. Zu den Mitgliedern zählen Investmentbanken, Kanzleien, Ratingagenturen und andere finanzmarktnahe Dienstleister.
Das Europäische Parlament berät aktuell den Gesetzesentwurf der EU-Kommission. Vor wenigen Tagen veranstaltete der Wirtschafts- und Währungsausschuss eine öffentliche Anhörung, bei der Vertreter des Europäischen Ausschusses für Systemrisiken, von TSI, Finance Watch und der Association for Financial Markets in Europe (AFME) ihre Standpunkte darlegten.
„Wir begrüßen den Vorschlag der Europäischen Kommission sehr, der alle relevanten Bereiche aufgreift, die gelöst werden müssen“, sagte Jan-Peter Hülbert, Geschäftsführer von True Sale International, bei der Anhörung. „Allerdings erhöht der Vorschlag die Komplexität, und es treten einige unbeabsichtigte Folgen auf. Jetzt ist es an der Zeit zu diskutieren, wie der Vorschlag geändert werden kann, damit er mit Blick auf die Kapitalanforderungen besser funktioniert, mehr Emittenten und Investoren anzieht und einen tiefen, liquiden und diversifizierten Verbriefungsmarkt schafft.
Sorgfaltspflichten
Due Diligence und Deal Reporting sind zwei Schlüsselbereiche, in denen die Branche eine gewisse Lockerung erhofft – und Fortschritte in diesem Bereich dürften weniger umstritten sein als eine Senkung der Kapitalanforderungen.
Im Gegensatz zu anderen Anlageklassen müssen Anleger gemäß Artikel 5 der Verbriefungsverordnung bei Investitionen in Verbriefungen einen speziellen Due-Diligence-Prozess durchlaufen. Ein umstrittener Änderungsvorschlag im EU-Parlament sieht vor, dass die EU-Mitgliedstaaten administrative Sanktionen gegen EU-Anleger verhängen müssen, wenn diese ihre Sorgfaltspflicht gemäß Artikel 5 verletzen. Das Risiko einer Geldstrafe jedoch, so fürchtet die Finanzbranche, könnte neue Anleger davon abhalten, in Verbriefungstransaktionen zu investieren, was der angestrebten Erweiterung des Anlegerkreises entgegenwirken würde.
Berichtsformulare
Die große Anzahl von Feldern, die in den Berichtsformularen (templates) ausgefüllt werden müssen, ist ein weiterer Punkt, der in der Branche auf breite Kritik stößt. Die Berichtspflichten werden zwar künftig für private Verbriefungen deutlich weniger aufwendig sein. Im Rahmen dieses Prozesses hat die EU-Kommission jedoch beschlossen, neue Definitionen für öffentliche und private Verbriefungen zu entwickeln. Die neue Definition der „öffentlichen Verbriefung” wird ein breiteres Spektrum von Transaktionen umfassen, darunter auch Geschäfte, die derzeit als privat gelten, einschließlich solcher, die aus technischen Gründen an einem EU-Handelsplatz notiert sind.
Eigenkapital
Im Hinblick auf die vorgeschlagenen Änderungen der Eigenkapitalverordnung ist die Branche insbesondere über die zusätzliche Komplexität besorgt. Es gibt Änderungsvorschläge zu den Risikogewichtungsuntergrenzen für vorrangige Tranchen (sowohl einfache transparente und standardisierte als auch nicht STS-konforme).
Die Vorschläge umfassen Änderungen des p-Faktors (ein Parameter, der bei der Berechnung der Risikogewichte für Verbriefungen verwendet wird) und die Einführung eines neuen Konzepts der „resilienten Verbriefungspositionen”, bei denen es sich um vorrangige Tranchen handelt, die von zusätzlichen Senkungen der Risikogewichtungsuntergrenzen (CUT) und in einigen Fällen des p-Faktors profitieren können.
Vertreter der EU-Kommission haben darauf hingewiesen, dass die Verbriefungsbranche selbst eine größere Risikosensitivität gefordert hat, die sie mit der Kategorie „resilient” zu erreichen versucht. Obwohl Verbriefungsanwälte und Branchenverbände die Ziele der EU verstehen, sind sie jedoch der Ansicht, dass die Hinzufügung eines zusätzlichen Konzepts der „resilient securitisation positions” zu STS eine erhebliche Erhöhung der Komplexität mit sich bringt.
Aufsicht
Die Marktaufsicht über Verbriefungen wird verstärkt, insbesondere durch die Stärkung der Rolle der Europäischen Bankenaufsichtsbehörde (EBA). Dieser Vorschlag findet breite Unterstützung, da die Branche allgemein der Ansicht ist, dass die Europäische Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde ESMA bei der so genanten Level-2-Regulierung bislang keine gute Arbeit geleistet hat. Dazu gehören auch die Berichtsformulare, die, wie ein Diskussionsteilnehmer beim TSI kommentierte, „niemand verwendet“.