Großbritannien arbeitet an Gesetzgebung für ESG-Rating-Anbieter
Großbritannien arbeitet an eigener Gesetzgebung für ESG-Rating-Anbieter
Anlehnung an Verhaltenskodex
Die EU ist dem Vereinigten Königreich bei der Regulierung von ESG-Ratinganbietern voraus. Das Vereinigte Königreich verfügt jedoch bereits über einen freiwilligen Verhaltenskodex, an den sich die künftige Gesetzgebung eng anlehnen dürfte.
Von Michael Marray, Frankfurt
Das Vereinigte Königreich hinkt der EU bei der Regulierung von Anbietern von Umwelt-, Sozial- und Governance-Ratings hinterher. Am 19. November stimmte der Europäische Rat einstimmig für die neue Verordnung über die Transparenz und Integrität von ESG-Ratingaktivitäten. Am 14. November bestätigte die britische Finanzministerin Rachel Reeves im Rahmen ihrer ersten jährlichen Rede vor dem britischen Parlament die Pläne der britischen Regierung, die Regulierung von ESG-Ratinganbietern voranzutreiben. Am selben Tag wurde ein Gesetzesentwurf veröffentlicht, zu dem die Branche bis zum 14. Januar 2025 Stellung nehmen kann.
Es ist geplant, die Gesetzgebung Anfang 2025 einzuführen, und ein Großteil der Vorbereitungsarbeit wurde bereits geleistet, da das britische Finanzministerium im Jahr 2023 eine Reihe von Vorschlägen konsultiert hat. Nun wird es Konsultationen zu den technischen Details geben, und ein Londoner Anwalt geht davon aus, dass „die Ausarbeitung und das Inkrafttreten des neuen Regelwerks im Vereinigten Königreich voraussichtlich etwa vier Jahre dauern wird“.
Freiwilliger Kodex
Anbieter von ESG-Ratings werden aktuell von der Financial Conduct Authority (FCA) beaufsichtigt. Die FCA hat bereits den freiwilligen Verhaltenskodex der britischen Industrie für Anbieter von ESG-Daten und Ratings unterstützt. Wie die FCA feststellte, werden Unternehmen, die sich freiwillig an diesen Kodex halten, den Übergang zu einem stärker formalisierten Regulierungssystem wahrscheinlich als deutlich weniger ressourcenintensiv empfinden.
Im Anschluss an einen von der International Organization of Securities Commissions (IOSCO) im November 2021 veröffentlichten Bericht beauftragte die FCA im Jahr 2022 die International Capital Market Association (ICMA) und die International Regulatory Strategy Group (IRSG) mit der Einberufung einer Branchengruppe.
Das Ziel bestand von Anfang an darin, eine Art Branchenkonsens auf der Grundlage der Praxis zu erreichen. Die Arbeitsgruppe für ESG-Daten und -Ratings verfügte über eine breite Mitgliedschaft von Ratinganbietern, Buy-Side-Firmen und Branchenverbänden und wurde von einem Lenkungsausschuss geleitet, dem M&G, Moody's ESG Solutions, die London Stock Exchange Group und Slaughter and May angehörten.
Wie bei dem geplanten Gesetz wurde auch bei der neuen Regelung eine internationale Kohärenz angestrebt, indem sich der Kodex in erster Linie auf die Empfehlungen der IOSCO stützt. Die Mitglieder betrachteten auch die Entwicklungen in Ländern wie Japan, der EU, Singapur und Hongkong.
ICMA übernimmt Führungsrolle
Ein erster Entwurf des Kodex wurde am 5. Juli 2023 veröffentlicht, woraufhin eine dreimonatige Konsultationsphase folgte, die am 5. Oktober 2023 endete. Mit der Veröffentlichung des endgültigen Kodex im Dezember 2023 übernahm die ICMA dessen Verwaltung.
Im Laufe des Jahres 2024 haben sich viele Anbieter von ESG-Ratings angeschlossen, und die ICMA hat eine Liste der Anbieter veröffentlicht, die sich angeschlossen haben.
Ein Bereich, der thematisiert wird, sind Interessenkonflikte, wenn Anbieter von ESG-Ratings und -Datenprodukten andere Geschäftsbeziehungen mit einem Kunden unterhalten, wie z. B. Beratungstätigkeiten oder Kreditratings. So ist beispielsweise das Sustainable Finance Assessments Team von Moody's Ratings für die Analyse und Erstellung von Second Party Opinions und Net Zero Assessments verantwortlich. SPOs bieten eine Bewertung der Übereinstimmung von Finanzinstrumenten wie Green Bonds oder korporativen Finanzierungsrahmen mit den Prinzipien der Nachhaltigkeit. Net Zero Assessments geben einen Überblick über die Stärke der Pläne eines Unternehmens zur Reduzierung der Kohlenstoffemissionen im Vergleich zu einem globalen Netto-Null-Pfad.
Der Verkauf und Vertrieb von Second Party Opinions und Net Zero Assessments wird von einem speziellen ESG Relationship Management Team innerhalb der Moody's Ratings Commercial Gruppe durchgeführt und ist von allen analytischen Aktivitäten angemessen getrennt. Die analytischen Ansätze werden auf der Website veröffentlicht, so dass die Anleger Vergleiche mit konkurrierenden ESG-Rating-Anbietern anstellen können.
Großes Geschäft
Second Party Opinions sind zu einem bedeutenden Geschäftszweig für Unternehmen geworden, die ihren nachhaltigen Finanzierungsrahmen sowohl für soziale als auch für grüne Faktoren festlegen. Im Jahr 2024 listet Moody's weltweit 112 neue Second Party Opinions auf, mit einer vielfältigen Gruppe von Kunden, darunter Pearson plc für sein Social Bond Framework, Sparebanken Sor für sein Green Bond Framework und das chinesische Unternehmen State Power Investment Corporation für sein Green Finance Framework.