Hartes Ringen um Vorschriften über Methan-Emissionen
FOKUS: ESG-Reporting
Hartes Ringen um Vorschriften über Methan-Emissionen
Die Öl- und Gasindustrie begleitet die technischen Standards der EU-Verordnung über Methan-Emissionen aktiv. Die Vorgaben haben auch Weiterungen für Assetmanager und Finanzdienstleister.
Von Michael Marray, Frankfurt
Immer mehr Kreditgeber und Investoren sammeln Daten zu Methanemissionen als Teil ihrer Nachhaltigkeitsberichterstattung – und hoffen auf eine bessere Datenqualität durch neue EU-Vorschriften zur Meldepflicht für Öl- und Gasproduzenten. Im vergangenen Jahr hat die EU die Verordnung über Methan-Emissionen beschlossen, die Anforderungen bezüglich Quantifizierung, Überwachung und Berichterstattung an die Betreiber von Öl- und Gasanlagen und an Importeure festlegt.
Die EU-Verordnung wird sich zunächst auf die Berichterstattung konzentrieren, später jedoch Strafen für den Import von Gas von Produzenten mit hohen Emissionen in die EU einführen. Sie wurde zu einer Zeit entworfen und ausgehandelt, als Themen der Umwelt, Soziales und Governance (ESG) einen besonders hohen Stellenwert im Arbeitsprogramm der EU-Kommission hatten. Spätestens seit Dienstantritt der zweiten, von Ursula von der Leyen geführten EU-Kommission hat sich das regulatorische Umfeld insofern verändert, als dass die EU-Kommission mittlerweile dem Aspekt der Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie ebenfalls hohes Gewicht beimisst. Hinzu kommt die Tatsache, dass die Vereinigten Staaten zum größten Lieferanten von Flüssigerdgas in die EU aufgestiegen sind. Das hat die Lage zusätzlich verkompliziert, da die USA auf EU-Vorschriften dringen, die amerikanischen Gasproduzenten entgegenkommen.
Öl- und Gasindustrie wirbt für einfachere Regeln
Die europäische Öl- und Gasindustrie betrachtet den Prozess der Ausarbeitung technischer Standards als Gelegenheit, die EU zu einigen Anpassungen zu bewegen. Unter der Führung des Verbandes Eurogas unternimmt die Branche erhebliche Lobbyarbeit hinsichtlich der weiteren Konkretisierung der EU-Methan-Verordnung durch regulatorische teschnische Standards. Anfang dieses Jahres hat Eurogas sogar eigens die neue Position eines Methan-Politikberaters geschaffen, dessen Aufgabe es ist, die Regulierung zu verfolgen, Positionspapiere zu verfassen und Eurogas bei Treffen mit politischen Entscheidungsträgern und Interessengruppen zu vertreten.
Anfang August schrieben Eurogas und drei weitere Branchenverbände einen Brief an den EU-Kommissar für Energie und Wohnungswesen, Dan Jorgensen, und an Valdis Dombrovskis, EU-Kommissar für Wirtschaft und Bürokratieabbau. In dem Schreiben sprachen sie sich für eine Vereinfachung der Verordnung aus. Und sie schlugen außerdem vor, die Methan-Verordnung in das Sammelgesetz zur Vereinfachung der Energieregeln, in den so genannten „Energie-Omnibus“ aufzunehmen, der voraussichtlich noch in diesem Jahr von Jorgensen auf den Weg gebracht wird.
Umweltaktivisten verteidigen Verordnung
Umweltverbände haben derweil Unterschriften von Banken und Vermögensverwaltern gesammelt und die EU-Kommission, das Parlament und die Mitgliedstaaten aufgefordert, an den Kernbestimmungen der EU-Verordnung festzuhalten.
Banken und Vermögensverwalter legen bereits die CO2-Emissionen von Kreditnehmern und Unternehmen offen, in die sie investieren – über Methan berichten die meisten jedoch nicht. Methan wird jedoch als wichtig angesehen, da es das Klima viel stärker erwärmt als CO2, aber nur für einen viel kürzeren Zeitraum in der Atmosphäre verbleibt. Daher wird die Reduzierung von Methan als wirksames Mittel zur Bekämpfung des Klimawandels angesehen.
Die geplanten EU-Vorschriften zur Berichterstattung über die Methan-Intensität sehen zunächst vor, dass EU-Gasproduzenten (einschließlich Norwegen, das sich an die EU-Vorschriften hält) qualitativ hochwertige Daten vorlegen müssen. Später werden Datenanforderungen für Importeure und schließlich Strafen für den Import von Erdgas von Produzenten mit hoher Methan-Intensität eingeführt. Dies wird die EU-Importeure dazu veranlassen, sich an sauberere Gasproduzenten zu wenden – erfordert jedoch qualitativ hochwertige Daten von Gasexporteuren aus aller Welt, die auf dem EU-Markt verkaufen wollen.
Schrittweiser Ansatz
„Die Gesetzgebung ist bereits in Kraft, wobei viele der detaillierten Anforderungen im Rahmen des Umsetzungsprozesses noch geklärt werden müssen“, sagt Ismael Hernandez Rivera, Senior Manager für nachhaltige Finanzen beim Environmental Defense Fund Europe (EDF Europe). „Was jetzt benötigt wird, ist ein konstruktives Engagement der Öl- und Gasindustrie bei den bevorstehenden technischen Rechtsakten, die die Anwendung der Vorschriften regeln werden, anstatt der fortgesetzten Bemühungen, die wir derzeit beobachten:“ EDF Europe hält der Industrie vor, es gehe ihr darum, bereits beschlossene Punkte neu zu verhandeln oder die Umsetzung zu verzögern.
„Die Anforderungen an die Methan-Intensität kommen erst viel später mit einem schrittweisen Ansatz, sodass die volle Last der Verordnung nicht auf einmal zum Tragen kommt“, erklärt er. „Zuvor werden von allen inländischen Produzenten in der EU Minderungsmaßnahmen wie ein Verbot der routinemäßigen Entlüftung und Abfackelung sowie Untersuchungen zur Lecksuche und -reparatur (LDAR) verlangt. Bis 2026 müssen die Produzenten dann mit der Einreichung von messbasierten Berichten über ihre Methan-Emissionen beginnen, die Importeure folgen 2027.“
„Investoren und Bankkreditgeber können eine wichtige Rolle dabei spielen, die Bemühungen der Europäischen Kommission zur Durchsetzung der Ziele der Methanverordnung und zur Stärkung der Akzeptanz in den Mitgliedstaaten zu unterstützen“, sagt Hernandez Rivera. „Um dies effektiv zu tun, benötigen sie einen gemeinsamen Rahmen zur Bewertung der Unternehmensleistung. Dies ist nicht nur für die ESG-Berichterstattung und die Reduzierung der Methanemissionen von entscheidender Bedeutung, sondern auch, weil hohe Methanleckagen oft auf umfassendere Betriebsrisiken für Öl- und Gasproduzenten hindeuten.“