FOKUSMarktinfrastruktur

Von zentraler Aufsicht bis Depotbank-Pass – das soll sich ändern

Die EU-Kommission hat Hunderte Seiten Gesetzespaket mit Dutzenden Vorschlägen für Börsen, Clearinghäuser, Zentralverwahrer und Assetmanager vorgelegt.

Von zentraler Aufsicht bis Depotbank-Pass – das soll sich ändern

FOKUS: Handel und Nachhandel

Von zentraler Aufsicht bis Depotbank-Pass – das soll sich ändern

Die EU-Kommission hat Hunderte Seiten Gesetzespaket mit Dutzenden Vorschlägen für Börsen, Clearinghäuser, Zentralverwahrer und Assetmanager vorgelegt.

Von Detlef Fechtner

426 Seiten Verordnungstext, mehrere Dutzend Reformvorschläge: Die EU-Kommission hat eine ganze Fülle von Änderungen der Regeln im Wertpapiergeschäft auf den Tisch gelegt – sowohl für den Handel als auch für den Nachhandel. Für Handelsplätze (Trading) wie deutsche Börse oder Euronext, für Zentrale Gegenparteien (Clearing) wie Eurex Clearing oder Nasdaq Clearing sowie für Zentralverwahrer (Settlement) wie Clearstream oder Euroclear ändert sich vieles in Regulierung und Beaufsichtigung. Zudem sieht das EU-Gesetzespaket zur „Marktintegration“ jede Menge Vorgaben für Vermögensverwalter und Kryptodienstleister vor.

Nachfolgend eine Auswahl zentraler Vorschläge:

Erstens: Die EU-Marktaufsichtsbehörde ESMA soll aufgewertet werden und bedeutende CCP und CSD direkt beaufsichtigen. Konkret: Das in Paris beheimatete Amt soll zwei Jahre nach Verabschiedung des Pakets die direkte Aufsicht über große Zentrale Gegenparteien (Central Counter Parties) und über große Zentralverwahrer (Central Securities Depositories) übernehmen.

Zweitens: Auch die Aufsicht über große Handelsplätze und Börsen soll bei der ESMA europäisiert werden. Ganz wichtig ist dabei, dass sich die Aufsicht über die Börsen auf die Handelsplätze selbst konzentriert. Die traditionelle Marktaufsicht – und damit verbunden auch die Entdeckung und Sanktionierung von Marktmissbrauch – soll auch in Zukunft bei den national dafür zuständigen Behörden verbleiben.

Auge auf Kryptodientsleister

Drittens: Die ESMA soll auch bestehende und künftige Krypto-Dienstleister unter ihre Fittiche nehmen.

Viertens: Quasi im Gegenzug zu der erweiterten Kompetenz ist vorgesehen, die Governance der EU-Marktaufsichtsbehörde anzupassen und zu straffen. Als Führungsgremium der ESMA soll ein sechsköpfiger Exekutivausschuss soll eingerichtet werden, der Entscheidungen über die direkte Aufsicht trifft. Da dieses Gremium an Bedeutung gewinnt, sollen die jeweiligen Amtszeiten der Mitglieder verkürzt werden. Der Verwaltungsrat, in dem die nationalen Aufseher wie die BaFin versammelt sind, soll ein Veto im Falle besonders folgenschwerer Entscheidungen haben. Bemerkenswert: Nur wenige Tage nach der Präsentation der Vorschläge gab die ESMA-Vorsitzende Verena Ross bekannt, nach Ende ihrer Amtszeit Mitte 2026 nicht zu verlängern.

Fünftens: Um die Tätigkeiten der nationalen Aufsichtsbehörden in der EU besser abzustimmen, sollen neue Instrumente wie etwa Kooperationsplattformen eingesetzt werden. Und weil das alles Geld kostet, soll die ESMA deutlich mehr Mittel erhalten, maßgeblich finanziert durch Gebühren von Marktteilnehmern.

„Paneuropäischer Marktbetreiber“

Sechstens:  Für Börsen und Handelsplätze sollen nationale Anforderungen beseitigt und die Möglichkeiten, grenzüberschreitend tätig zu sein, erweitert werden – etwa wenn Handelsplätze über Zweigniederlassungen mit Investoren und Emittenten in anderen EU-Staaten in Kontakt treten. Etabliert werden soll der Status eines „paneuropäischen Marktbetreibers“, der es erlaubt, mehrere Handelsplätze mit einer Lizenz in Betrieb zu haben.

Siebtens: Was den Nachhandel, also Verrechnung (Clearing) und Abwicklung (Settlement) angeht, so sollen auch hier grenzüberschreitende Transaktionen leichter werden, indem Dienstleistungen über EU-Binnengrenzen hinweg erlaubt und Abwicklungsvorgänge standardisiert werden. Zudem strebt Brüssel eine engere Vernetzung der Zentralverwahrer an, das Verfahren zur Einrichtung von Verbindungen zwischen Euroclear, Clearstream & Co. soll gestrafft werden. Zur Rechtssicherheit soll die Harmonisierung der Garantien für die Endgültigkeit der Abrechnung dienen.

Achtens: Umfangreich fallen auch die Anpassungen für das Assetmanagement aus. Harmonisierte EU-Vorschriften sollen nationale Hindernisse bei der Zulassung und den Meldepflichten beseitigen. Ein EU-Depotbank-„Pass“ soll es Anbietern alternativer Investments (AIF) und von Kleinanlegerfonds (Ucits) ermöglichen, eine Depotbank mit Sitz innerhalb der EU zu benennen und es Depotbanken erlauben, ihre Dienstleistungen grenzüberschreitend anzubieten. Die EU-Kommission reagiert auch auf die Forderung der Alternativen-Investment-Branche, die Berichtsanforderungen rund um die frühzeitige Kommunikation von Anbietern und Investoren über neue Produkte (Pre-Marketing) abzuschaffen: Nun ist von der „Aufhebung der Vorabmeldung von Marketingkommunikation“ die Rede.

Neuntens: Unter dem Stichwort „Innovation“ versucht die EU-Kommission daneben, DLT-Anbietern das Leben zu erleichtern. So soll der Anwendungsbereich von Pilotprogrammen über Aktien, Anleihen und Ucits-Fonds hinaus ausgeweitet werden. Schwellenwerte sollen nach dem Willen der EU-Behörde deutlich angehoben, „Umfang und Größenordnung“ ausgedehnt und der Betrieb von DLT-Infrastrukturen erheblich erleichtert werden.

Richtlinien zu Verordnungen

Zehntens: Gesetzestechnisch folgt die EU-Kommission in ihrem Vorschlag der Idee der Vollharmonisierung. Zahlreiche Vorgaben, die bislang in EU-Richtlinien geregelt sind und somit den nationalen Regierungen noch die Chance zur Abweichung in einzelnen Punkten lassen, werden in EU-Verordnungen übertragen. Teile der MiFiD wandern in die MiFiR, aus der Settlement Finality Directive wird eine Settlement Finality Regulation. Erklärtes Ziel ist es, das Regelwerk zu vereinheitlichen und nationales Draufsatteln (Gold-Plating) zu unterbinden.