InterviewAnna Cavazzini

Wir wollen ein Gesetz, das funktioniert“

Im Oktober ist der Kompromiss über das Omnibus-I-Paket, also erleichtere Nachhaltigkeits-Berichtspflichten und Sorgfaltsanforderungen für Unternehmen, knapp gescheitert. Im November soll nun erneut abgestimmt werden. Die grüne Europaabgeordnete Anna Cavazzini erläutert, unter welchen Bedingungen ihre Fraktion bereit wäre, dem Gesetz zuzustimmen.

Wir wollen ein Gesetz, das funktioniert“

Interview: Anna Cavazzini

„Wir wollen ein Gesetz, das funktioniert“

Die grüne Europaabgeordnete über Omnibus I und mögliche Erleichterungen bei der Nachhaltigkeit-Berichterstattung

Im Oktober ist der Kompromiss über das Omnibus-I-Paket, also erleichtere Nachhaltigkeits-Berichtspflichten und Sorgfaltsanforderungen für Unternehmen, knapp gescheitert. Im November soll nun erneut abgestimmt werden. Die grüne Europaabgeordnete Anna Cavazzini erläutert, unter welchen Bedingungen ihre Fraktion bereit wäre, dem Gesetz zuzustimmen.

Der Rechtsausschuss des EU-Parlaments hat sich mehrheitlich auf einen Kompromiss für Omnibus I, also die Anpassungen von CSRD, CSDDD und der Taxonomie, verständigt. Warum haben die Grünen den Kompromiss des Rechtsausschuss abgelehnt?

Wir Grünen haben uns in den Verhandlungen von Anfang an kompromissbereit gezeigt und sind bei vielen Änderungen des Gesetzes mitgegangen. Doch der finale Vorschlag des Rechtsausschusses ging zu weit: Die Zahl der Unternehmen, die das Lieferkettengesetz erfüllen müssen, wäre auf etwa 150 zusammengeschrumpft – ein massiver Rückschritt. Zudem wurden die Transformationspläne der Unternehmen aufgeweicht, und Gewerkschaften sowie die Zivilgesellschaft sollten aus dem Sorgfaltspflichtenprozess ausgeschlossen werden. Besonders problematisch ist die Streichung der zivilrechtlichen Haftung, die es Opfern von Menschenrechtsverletzungen fast unmöglich machen würde, Wiedergutmachung zu erlangen. Außerdem brach der EVP-Berichterstatter kurz vor Ende die Verhandlungen mit den proeuropäischen Fraktionen ab - obwohl wir eigentlich fast am Ziel waren - und drohte mit einer Abstimmung gemeinsam mit rechtsextremen Kräften. Eine solche Erpressungstaktik konnten wir nicht legitimieren.

Im November will der Berichterstatter einen zweiten Anlauf nehmen und den Kompromiss erneut im Plenum zur Abstimmung stellen. Unter welchen Bedingungen könnten Sie sich eine Zustimmung vorstellen?

Eine Zustimmung käme nur dann infrage, wenn die EVP zu konstruktiven Verhandlungen zurückkehrt und wir uns gemeinsam auf einen Vorschlag einigen, den eine breite Mehrheit im Parlament trägt. Wir wollen ein Gesetz, das funktioniert - für Unternehmen und Arbeitnehmerinnen. Das wirksam die Menschenrechte schützt, ohne unnötige Bürokratie zu schaffen. Dazu haben wir der EVP konkrete Angebote gemacht. 

Die EU-Kommission behauptet, lediglich Vorgaben zu vereinfachen und Verwaltungsaufwand abzubauen, nicht zu deregulieren. Halten Sie das für überzeugend?

Nein, die Argumentation der Kommission überzeugt nicht. Die vorgeschlagenen Änderungen – insbesondere die drastische Einschränkung des Geltungsbereichs und die Streichung der zivilrechtlichen Haftung – gehen weit über bloße Vereinfachungen hinaus. Sie schwächen das Gesetz in seinem Kern und gefährden seine Wirksamkeit. Hinzu kommt, dass der Zeitpunkt völlig verfehlt ist: Das Gesetz ist noch nicht einmal in Kraft getreten, sodass es keine belastbaren Erfahrungen gibt, die eine Überarbeitung rechtfertigen würden. Der überhastete Vorschlag hat das Parlament unnötig in ein politisches Chaos gestürzt. Dabei gäbe es durchaus sinnvolle Ansätze für Vereinfachungen – dieser Entwurf ist jedoch nicht dazu geeignet. Ich hoffe, dass die Kommission aus diesem Fehler lernt und künftig sorgfältiger vorgeht.

Welche Maßnahmen könnten Sie sich vorstellen, um EU-Regulierung zu vereinfachen und Bürokratie abzubauen?

Vereinfachung darf nicht auf Kosten der Ziele gehen. Stattdessen sollten wir dort ansetzen, wo es wirklich Entlastung bringt: durch die Digitalisierung und Harmonisierung von Verfahren, etwa bei Zollabwicklungen oder Berichtsstandards. Auch einfachere Regeln für staatliche Beihilfen und Forschungsförderung wären ein wichtiger Schritt. Zudem ist eine Stärkung des Binnenmarkts essentiell – eine statt 27 verschiedener nationaler Regelwerke – das entlastet Unternehmen deutlich. So ließe sich Bürokratie abbauen, ohne die notwendigen Standards zu opfern.

Und spezieller mit Blick auf Lieferketten-Sorgfalt: Sehen Sie sinnvolle Maßnahmen, wie der Aufwand für Unternehmen reduziert werden kann?

Im Bezug auf das EU-Lieferkettengesetz wäre mehr Unterstützung für kleine und mittlere Unternehmen durch Leitfäden und andere Hilfestellungen der Kommission sinnvoll gewesen. Zudem braucht es eine präzisere Definition der Risikoanalyse, damit große Unternehmen sich darauf konzentrieren können, wo Menschenrechtsverletzungen am wahrscheinlichsten sind. Das würde auch verhindern, dass die Verantwortung pauschal an Zulieferer weitergegeben wird, wie es im deutschen Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz häufig der Fall ist. So ließe sich der Aufwand für alle Beteiligten verringern – ohne die Schutzziele des Gesetzes zu verwässern.

Die Fragen stellte Detlef Fechtner.