Zankapfel EU-Lieferkettengesetz
Zankapfel EU-Lieferkettengesetz
fed Brüssel
Aus verschiedenen Fraktionen des EU-Parlaments ist die Einschätzung zu hören, dass vor allem das EU-Lieferkettengesetz in der parlamentarischen Behandlung umstritten sein dürfte – und dass sich darauf der politische Streit um den ersten Omnibus konzentrieren werde.
Die CSDDD, die Corporate Sustainability Due Diligence Directive, die im Volksmund das EU-Lieferkettengesetz heißt, könnte ins Zentrum der Beratungen im EU-Parlament über das Gesetzespaket Omnibus I zum Abbau von Bürokratie rücken. Denn während sich für eine Vereinfachung der Nachhaltigkeitsberichte nach der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) und für Änderungen an der EU-Taxonomie grundsätzliche Kompromisslinien abzeichnen, scheinen die Positionen in Bezug auf die EU-Lieferkettenregeln weit auseinander zu liegen – von weitgehend unverändert lassen bis ganz abschaffen. Darauf jedenfalls lassen Äußerungen von Abgeordneten unterschiedlicher Fraktionen hinter vorgehaltener Hand schließen. Angesprochen auf diese Vermutung sagt die CSU-Europaabgeordnete Angelika Niebler: „Die CSDDD ist auf jeden Fall eine heiße Kartoffel in den Verhandlungen.“
Bereits unmittelbar nach der Vorlage der EU-Kommissionsvorschläge hatten Vertreter der Sozialdemokraten und der Grünen explizit angekündigt, sich gegen eine Verwässerung des EU-Lieferkettengesetzes stellen zu wollen. So hatte die grüne Europaabgeordnete Anna Cavazzini ihr Votum für eine Verschiebung der Anwendung der CSDDD damit begründet, dass das EU-Parlament damit Zeit gewinne, „das EU-Lieferkettengesetz nicht zu entkernen“. Und die Sozialdemokratin Evelyn Regner hatte mit Bezugnahme auf das Lieferkettengesetz erklärt, was die EU-Kommission als Bürokratieabbau bezeichne, sei eine Flucht aus der Verantwortung.
Abschaffung im Gespräch
Während also die Parteien links der Mitte darauf pochen, das EU-Lieferkettengesetz weitgehend zu erhalten, stellen andere Fraktionen die CSDDD ganz grundsätzlich infrage. Noch unklar ist, ob die Konservativen, die die mit Abstand größte Fraktion im EU-Parlament stellen, die komplette Abschaffung des EU-Lieferkettengesetzes fordern werden. CSU-Frau Niebler machte jüngst deutlich, dass sie den entsprechenden Vorschlag, den Bundeskanzler Friedrich Merz bei seinem Antrittsbesuch in Brüssel zur Sprache gebracht hat, unterstütze. In der Fraktion gebe es aber auch andere Stimmen, heißt es. Auch ist noch ungewiss, wie sich die Bundesregierung im Rat verhalten wird. Denn trotz der expliziten Ansage von Merz in Brüssel laufen die Interpretationen der Koalitionsverabredungen in diesem Punkt auseinander.
Abstimmung im Oktober anvisiert
Ziel ist, dass das Omnibus-Paket in der zweiten Sitzungswoche des EU-Parlaments im Oktober abgestimmt wird, um eine gemeinsame Position für die Schlussverhandlungen mit dem Rat festzuzurren. Im Rat wird es aller Voraussicht nach dem polnischen Vorsitz im Juni nicht mehr gelingen, eine allgemeine Ausrichtung (also eine Verständigung auf eine Ausgangsposition für die Debatten im Trilog) zu vermitteln. Umso größer ist der Druck auf die Dänen, die im Juli die EU-Ratspräsidentschaft übernehmen, zügig mit den Beratungen voranzukommen. Denn das Inkrafttreten von CSRD (zweite und dritte Welle) und CSDDD ist nur um ein Jahr verschoben worden. Sollten sich die EU-gesetzgeber nicht bis dahin einigen, würden alle Gesetze in ihrer ursprünglichen Fassung Gültigkeit erlangen – oder das EU-Parlament müsste erneut einem Stop-the-clock zustimmen.